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Dorfladen
© Adobe Stock

Beispiele

So sind Dorfläden langfristig erfolgreich

von Dorothea Walchshäusl
Reporterin | KOMMUNAL
20. September 2025
Tante-Emma-Geschäfte in ländlichen Regionen sind nicht nur praktische Nahversorger, sondern oft auch wichtige soziale Treffpunkte. Doch der Erhalt wird immer schwieriger – wir haben daher Erfolgsbeispiele gesammelt und Tipps von Experten eingeholt.

Immensen in Niedersachsen. Gerade einmal 2.400 Einwohner umfasst der kleine Ort, viel zu wenig, damit es sich für eine große Supermarktkette rentiert, sich dort niederzulassen. „Früher gab es hier eine Reihe kleinerer Geschäfte, aber das ist längst Geschichte“, erzählt Ortsbürgermeister Michael Clement. Als 2017 ein Grundstück mitten im Ort frei wurde, entstand deshalb die Idee, hier neben einem Gemeindezentrum auch einen Dorfladen zu erbauen. Dass der Wunsch danach in der Breite da war, bestätigte damals auch eine Machbarkeitsstudie, die die Bürgerinitiative „Gemeinsam für Immensen e.V.“ in Auftrag gegeben hatte. In Folge erarbeitete sie mithilfe von Experten ein Konzept, organisierte 2018 die erste Infoveranstaltung und trug rund 115.000 Euro von Bürgern zusammen. Hinzu kam eine Förderung von 130.000 Euro und wurde eine Hypothek aufgenommen, um die Baukosten des Ladens in Höhe von einer knappen halben Million zu stemmen. 

Dorfladen in Immensen - Insolvenz abgewendet

Im Herbst 2020 wurde der Laden nach zweijähriger Bauphase schließlich eröffnet. Ein Laden mit Bedientheke, klassischen Öffnungszeiten und Mitarbeitern, in dem zudem Ehrenamtliche mithelfen, die die Ware in die Regale räumen, die Buchhaltung übernehmen, Rasen mähen und Schnee schippen, wie Clement erzählt. Ein Erfolgskonzept  - eigentlich. Und doch machte der Laden laut Clement „satte Minusgeschäfte“ in den ersten Jahren. Die Ursachen waren nicht zuletzt die Corona-Pandemie und die Preissteigerungen durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, zudem sei die anfängliche Begeisterung der Bürger schnell abgeebbt. „Die Basis unserer Kalkulation war, dass wir 15 Prozent des Einkaufsvolumens im Ort abdecken. Das haben wir nicht erreicht, sondern stattdessen eher sinkende Umsätze verzeichnet“, so Clement. 

Um eine drohende Insolvenz abzuwenden, wurde nun die Initiative „Rettet den Dorfladen“ ins Leben gerufen, die Bevölkerung über die drohende Schließung informiert und um Spenden gebeten. Das Ziel: Die Wiederherstellung der Liquidität mit einer Finanzspritze von 60.000 Euro und eine langfristige Stabilisierung des Dorfladens. „Der Laden muss konstant genutzt werden von den Bürgern“, betont Clement. „Dieses Jahr werden wir überleben. Was danach kommt, ist noch völlig offen“. 

Auf anfängliche Euphorie folgt oft Ernüchterung

Was in Immensen passiert ist, ist lauf Wolfgang Gröll keine Seltenheit. Er ist Gründer des Bundesverbandes der Bürger- und Dorfläden in Deutschland e.V., eines Netzwerks, dem mittlerweile 340 Mitglieder angehören. Darunter sind ganz unterschiedlich geführte Läden, ihre Themen und Herausforderungen aber sind laut Gröll ähnlich. „Meist gibt es erst viel Neugierde und gute Umsätze. Dann flaut das ab, die Umsätze brechen ein und auf die anfängliche Euphorie folgt die Ernüchterung“, sagt Gröll. Das liegt nicht zuletzt an dem Spannungsfeld, in dem sich die Dorfläden bewegen. Befrage man die Bürger, würden 80 Prozent sagen, dass sie nicht angewiesen sind auf die Dorfläden. „Gleichzeitig finden es 90 Prozent toll, wenn es einen Laden gibt vor Ort“, so der Ortsbürgermeister. Diesen aber wirtschaftlich zu betreiben, sei auch angesichts der enorm gestiegenen Betriebskosten herausfordernd und alleine mit kleinen Einkäufen der Bürger nicht machbar. „Lebensmittel sind ein sehr preissensibler Bereich“, betont er. Da sei der Gewinn gering und entsprechend brauche es einen Ausgleich. 

Wolfgang Gröll

Der Dorfladen muss den Menschen einen Erlebniseinkauf bieten und einen sozialen Treffpunkt.“

Wolfgang Gröll, Gründer des Bundesverbandes der Bürger- und Dorfläden in Deutschland e.V.

Dorfladen - Servicebereich ist entscheidend

Der Experte rät: „Der Dorfladen muss den Menschen einen Erlebniseinkauf bieten und einen sozialen Treffpunkt.“ Schließlich würden die Bürger vor allem die Ansprache suchen und die Begegnung. Deshalb funktionieren auch reine Selbstbedienungs-Läden seiner Erfahrung nach nur selten auf die Dauer. „Der Servicebereich ist entscheidend“, sagt Gröll. Das heißt zum Beispiel: „Besondere Aktionen, Jubiläumsevents, Sonderangebote, Frühstück für Rentner, gemeinsame Mittagessen.“ Spitzenläden würden über 60 Prozent nur mit solchen Aktionen machen. Nicht zuletzt könnten aber auch die Kommunen eine wichtige Hilfe sein, zumal sie die Dorfläden nahezu vollständig fördern können. Er empfiehlt allerdings, das Geld mit Auflagen zu verbinden, ansonsten drohe schnell eine Dauerabhängigkeit. Zudem hat sich Bürgerbeteiligung sehr bewährt für die Stabilisierung. „Wenn sich die Bürger mit dem Laden identifizieren und gerne dort zusammenkommen, kann er langfristig bestehen“, so Gröll.

Dorfladen in Deersheim über Genossenschaft

In Deersheim ist genau das der Fall. Seit bereits knapp zehn Jahren gibt es in dem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt einen Laden und seine Umsätze sind stetig gewachsen, wie Hans-Jürgen Müller sagt. Der Mitbegründer des Ladens hat sich 2014 mit anderen Bürgern zusammengetan und eine Genossenschaft gegründet. „Nachdem der letzte Supermarkt geschlossen hatte, trafen sich die Leute fast nur noch am Friedhof. Da war für uns klar: Wir brauchen wieder eine Einkaufsmöglichkeit und einen Treffpunkt vor Ort“, so Müller. Das hätte damals auch die Mehrheit der Deersheimer so gesehen und schnell wurden von Genossenschaftsmitgliedern etliche Anteile a‘ 50 Euro erworben. Hinzu kam eine intensive Unterstützung durch den Landkreis sowie die Kommune, die der Genossenschaft einen ehemaligen Ochsenstall für den Umbau zur Verfügung gestellt hat. „Ohne die Kommune wäre es nicht gegangen“, sagt Müller und bis heute seien die Wege kurz zwischen Genossenschaft und Gemeinde. 

Nachdem der letzte

Supermarkt geschlossen hatte, trafen sich die

Leute fast nur noch am Friedhof.“

Hans-Jürgen Müller, Dorfladen Deersheim

 

40 Ehrenamtliche halten Dorfladen in Betrieb

Seit der Eröffnung des Ladens 2016 ist viel passiert und kommen neben den Stammkunden mittlerweile auch Leute aus den umliegenden Dörfern zum Einkaufen nach Deersheim. „Wir haben uns ständig weiterentwickelt, es kamen immer wieder neue regionale Waren hinzu, außerdem haben wir mittlerweile eine Küche, es gibt regelmäßig Buletten, selbstgemachte Kuchen und im Sommer Kugeleis – all das wird von den Leuten sehr geschätzt“, so Müller. Zudem finden im Laden Buchlesungen, Weinverkostungen oder Vorträge statt und ist das Café ein beliebter Treffpunkt geworden. Neben den Mitarbeitern, die regulär bei der Genossenschaft angestellt sind, nehmen viele der Arbeiten auch engagierte Bürger wahr. „Die Ehrenamtlichen sind entscheidend. Der Laden funktioniert nur, weil hier rund 40 Menschen unentgeltlich mithelfen“, so der Mitbegründer. Das Genossenschafts-Modell kann er rundum empfehlen. Mittlerweile 180 Genossenschaftsmitglieder gibt es bei gerade mal 700 Einwohnern. Das bedeutet: „Der Laden gehört den Leuten hier im Dorf. Ihn möchte keiner mehr missen.“



 

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