Bürgermeister
Arbeitspflicht für Asylbewerber - Pro & Contra
Pro Arbeitspflicht für Asylbewerber
Es gibt so viel zu tun in einer Kommune

Heinz Pollak,
1. Bürgermeister der Stadt Waldkirchen, Bayern
Asylbewerber sollten sich im kommunalen und gemeinnützigen Bereich engagieren, zum Beispiel in der Pflege. Am sinnvollsten wäre es, wenn sie sofort arbeiten dürfen und müssen. Deutschland hat nicht nur einen Fachkräftemangel, es fehlen auch Arbeitskräfte für Tätigkeiten, die nach einer Einarbeitung oder Kurzausbildung ausgeübt werden können. Unsere Regierung wirbt innerhalb Europas, zum Beispiel auf dem Balkan, um Arbeitskräfte für Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime. In diesen Ländern wird dieses Personal jedoch genauso notwendig gebraucht wie bei uns. Wir sollten stattdessen die bereits bei uns lebenden Asylbewerber und Flüchtlinge dazu befähigen.
Bei uns in Waldkirchen werden dringend Service-Mitarbeiter in Hotels und Gaststätten gesucht. Bei der Stadt haben wir derzeit allein sechs offene Stellen, unter anderem für Reinigungskräfte in unseren Schulen und Kindergärten. Viele unserer Asylbewerber und Flüchtlinge haben Handwerksberufe gelernt. Das große Modehaus in Waldkirchen sucht zum Beispiel händeringend nach Schneidern. Es gibt so viel zu tun in einer Kommune. Warum soll ein studierter Sportpädagoge aus Syrien nicht mit den Grundschulkindern nachmittags Sport machen?
Die Realität sieht anders aus: Ein junger Mann aus Sierra Leone hat vor sieben Jahren am Ort eine Bäckerausbildung begonnen, doch nach ein paar Monaten musste er die Ausbildung abbrechen, da er als Abschiebeflüchtling galt. Er ist immer noch da und arbeitet nicht. Irgendwann wird er wohl abgeschoben. Für ihn und uns war es dann eine verlorene Zeit. Die Folgen dieser Asylpolitik sind auch sozialpolitisch eine Katastrophe. Integration gelingt am besten, wenn ich am Berufsleben teilnehme. Eine Sprache lernt man nur durch Üben. Zudem stärkt es das Selbstvertrauen, wenn ich mir etwas erarbeiten muss, wenn ich nicht alles nur geschenkt bekomme. Das Argument, dass dadurch Geldverdienen als Anreiz genommen wird, nach Deutschland zu kommen, zieht für mich nicht. Und falls ein Asylbewerber dann doch in die Heimat zurückmuss, geht er zurück mit neuem Wissen und neuer Erfahrung.
Contra Arbeitspflicht für Asylbewerber
Niemand darf zu einer Arbeit gezwungen werden

Belit Onay,
Oberbürgermeister von Hannover, Niedersachsen
Ich beginne mit zwei grundsätzlichen Gedanken, bevor ich rein praktische Erwägungen gegen die Idee der Arbeitspflicht ins Feld führe: Erstens, im Grundgesetz heißt es in Artikel 12 (2): Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden. Dies gilt auch für Asylbewerber und Asylbewerberinnen, die in unserem Land leben. Zweitens das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht. Es dient primär dem Schutz vor Menschenrechtsverletzungen, Krieg, Verfolgung und Gewalt. Schutz und Sicherheit sind nicht gegeben, wenn wir als Industrienation Zwang ausüben.
Nun zu den Erfahrungen, die unsere Ausländerbehörde und unsere Migrationsberatung in Hannover machen: Generell ist das Bedürfnis zu arbeiten und den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen bei Asylsuchenden sehr groß. Denn das ist die Voraussetzung dafür, das Leben frei und selbstständig zu gestalten. Stattdessen unterliegen Asylsuchende in den ersten drei Monaten einem Erwerbsverbot und dürfen nur nach einer ausländerbehördlichen Zustimmung arbeiten. Vielfach stoßen sie dabei auf Hürden, die wir selbst schaffen: Dazu gehören lange Wartezeiten für Sprachkurse, die mangelnde Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, langandauernde Asylverfahren und vieles mehr. Nicht aufgearbeitete Fluchttraumata und die Sorge um zurückgelassene Familienangehörige beschäftigen diese Menschen zudem sehr und sind zusammen mit der fehlenden Bleibeperspektive hinderlich für eine gelingende Integration.
Statt einer Arbeitspflicht sollten wir alles daransetzen, die Asylverfahren zu beschleunigen und den Zeitraum für die Vermittlung von Sprachkenntnissen nutzen. Alles andere bedeutet einen erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Kommunen und weitere Akteure wie das Jobcenter, das einzubinden wäre. Der Abstimmungs- und Koordinationsbedarf würde zu einer spürbaren Mehrbelastung der ohnehin stark arbeitsüberbelasteten Behörden führen, womöglich ohne einen nachhaltigen Effekt zu erzielen.