Kommunikation
Bürgermeister-Praktikum: Wenn der Rathauschef hinterm Tresen steht
Praktikum statt Antrittsbesuch
Dennis Eberle, Bürgermeister der Gemeinde Salach, waren die üblichen Antrittsbesuche zu langweilig. „Ich wollte nicht einfach nur vorbeikommen, ein paar Worte sagen und wieder gehen. Ich wollte wirklich erleben, wie es vor Ort abläuft“, sagt er. Seine Lösung: das Bürgermeister-Praktikum.
Ob im Ordnungsamt, in der städtischen Bücherei, bei der Bäckerei, im Freibad oder im Industriebetrieb – Eberle schlüpft regelmäßig in neue Rollen. Für ein paar Stunden ist er nicht Rathauschef, sondern Praktikant. Mit Schürze hinterm Tresen, Warnweste auf dem Bauhof oder Namensschild im Kiosk. „Da bekommt man ganz andere Einblicke“, sagt er. „Man kann während der Arbeit locker über die Themen vor Ort sprechen – mit der Geschäftsführung genau wie mit jeder anderen Person, die dort arbeitet.“

Bürgernähe mit Sicherheitsschuhen
Während seiner Stationen erfuhr Eberle zum Beispiel, wie angespannt die Parkplatzsituation im Ortskern ist oder wie dringend Gastronomen mehr Fläche brauchen. Und er lernte, wie viele Arbeitsstunden nötig sind, um einen Spielplatz sommertauglich zu machen. „Ein halber Tag in der Sonne mit dem Bauhof – das ist ganz schön harte Arbeit. Da bekommt man Respekt vor den Kolleginnen und Kollegen“, sagt Eberle.
Doch die Bürgermeister-Praktika sind für ihn mehr als nur ein Perspektivwechsel. Sie sind gleichzeitig Türöffner für den Bürgerdialog. „Die Menschen sind überrascht, wenn der Bürgermeister plötzlich ihr Paket annimmt oder den Büchereiausweis ausstellt. Aber dann erzählen sie von dem, was sie gerade bewegt – und oft kommen die besten Hinweise ganz nebenbei.“ Häufig beginne das mit dem Satz: „Wenn Sie jetzt schon hier stehen, hätte ich etwas zu besprechen.“
Vom Gespräch zur Veränderung
Das Spektrum der Gespräche reicht von ganz praktischen Anliegen bis hin zu landespolitischen Fragen. Und Eberle hört zu. „Mir ist wichtig, dass die Menschen sehen: Ich interessiere mich für ihre Arbeit und ihre Themen.“ Einige Hinweise nehme er auch mit zu den Abgeordneten. Die Aktion macht auch sichtbar, was in der Gemeinde Salach täglich geleistet wird. Über Instagram, einen WhatsApp-Kanal und das Mitteilungsblatt berichtet Eberle regelmäßig über das neueste Bürgermeister-Praktikum. Das kommt nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern gut an – auch Betriebe melden sich inzwischen von selbst.
„Gerade im Einzelhandel haben viele angefragt, ob ich nicht auch mal zum Bürgermeister-Praktikum vorbeischauen könnte“, erzählt Eberle. Kein Wunder: Ein Besuch des Bürgermeisters bringt Aufmerksamkeit – und neue Kundschaft.
Kommunikation, die verbindet
Auch mögliche Hürden, einen Service in Anspruch zu nehmen, lassen sich mit den Bürgermeister-Praktika abbauen. „Wir haben zum Beispiel in einem Post erklärt, wie man sich einen Büchereiausweis ausstellen lässt“, sagt Eberle. Das macht kommunale Angebote greifbarer und niedrigschwelliger – ein Gewinn für alle Beteiligten.
Salach mit seinen rund 8.300 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt zwischen Stadt und Land, geprägt von der Automobilindustrie. „‚Wenn Daimler hustet, hat das Filstal Schnupfen‘, heißt es bei uns“, erzählt Eberle. Die schwierige Lage in der Branche spüre man auch in der Region. Trotzdem stehe Salach wirtschaftlich vergleichsweise stabil da. Gerade deshalb sei es wichtig, die kommunalen Herausforderungen offen anzusprechen: die Sorgen der Gastronomie, die Zukunft der Nahversorgung oder den ehrenamtlichen Einsatz – etwa in der Bücherei, die komplett von Freiwilligen getragen wird.
Bürgermeister-Praktikum als dauerhaftes Erfolgsmodell
Für Eberle steht fest: Die Praktika sind keine Eintagsfliege. Die circa halbtägigen Perspektivwechsel sollen auch künftig stattfinden – bei Neueröffnungen ebenso wie bei traditionsreichen Betrieben. Bevorzugt im Sommer, wenn der Terminkalender des Bürgermeisters etwas Luft lässt. „Ich kann nur etwas verändern, wenn ich weiß, wo der Schuh drückt“, sagt Eberle. Und er will, dass die Menschen ihn ansprechen – nicht nur beim offiziellen Termin, sondern auch zwischendurch. Sein Signal: „Reden Sie mit mir, wenn Ihnen etwas auffällt. Nur dann kann ich handeln.“