Bürgerbeteiligung
Mit gelosten Bürgerräten zu mehr Gemeinschaft
Auf der Suche nach neuen Lösungen
Mit ein wenig Selbstreflexion fallen einem dann relativ schnell Situationen und Handlungsfelder ein, die eventuell nicht mehr ganz zeitgemäß bedient werden und die eine neue gesamtgesellschaftliche Betrachtungsweise erfordern. Wir Kommunen müssen uns hier den anspruchsvollen Herausforderungen unserer Zeit stellen und Wege finden, diese zukunftssicher und vor allem besser zu lösen als ein zentrales Instrument aus München oder Berlin es vermag. Wer schließlich könnte das besser als die handelnden Personen vor Ort, mit dem Sachverstand und dem Wissen um die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten, die sich im nächsten Landkreis oder gar Regierungsbezirk ja bereits wieder vollkommen anders darstellen? Worüber wir uns aber vor Ort Gedanken machen müssen:
- Was sind die Themen, die wir bearbeiten?
- Mit welchen Werkzeugen bearbeiten wir sie?
- Und wie können wir die Bevölkerung bestmöglich in diese Prozesse mit einbeziehen?
Hier braucht es Mut und Kreativität - an dem komplexen Thema „Bauen und Wohnen“ möchte ich diese Überlegungen veranschaulichen.
Bauen und Wohnen neu gedacht
Bisher war es im ländlichen Raum bei fehlendem Wohnraum meist so, dass das nächste Wohngebiet für Einfamilienhäuser und evtl. einige Doppelhäuser ausgewiesen wurde. Das ist meiner Meinung nach in unserer Zeit nicht mehr verantwortbar, auch wenn vor Ort oft noch das Verständnis dafür fehlt. Aber ich bin als Bürgermeister der festen Überzeugung, dass wir hier mit neuen Methoden und mit der Bürgerschaft abgestimmten und erarbeitetem Entwicklungskonzepten entgegenwirken können.
Bürgerbeteiligung durch Bürgerräte
In Kirchanschöring haben wir von Anfang an versucht, eine möglichst breite Basis der Meinungen und Ideen der Bürgerschaft aufzugreifen. Allerdings war bei den Bürgerbeteiligungsverfahren in den vergangenen Jahren, unabhängig vom Thema, gefühlt immer derselbe Personenkreis engagiert und fühlten sich einige Gruppen gar nicht mehr angesprochen. Deshalb haben wir uns für die Methode der gelosten Bürgerräte entschieden und diese mit Tanja Schnetzer von „miteinander.zukunft.gestalten“ durchgeführt. Und tatsächlich konnten wir unabhängig von den bearbeiteten Themen bei den durchgeführten Bürgerräten in der Kommune und der ILE „Zukunftsregion Rupertiwinkel“ auf eine breite gefächerte Teilnehmerschaft zurückgreifen: von jung bis alt, von Familienmensch bis zum alleinstehenden Teilnehmer, von alteingesessen bis „zugezogen“ – alles konnte man in dem gelosten Teilnehmerfeld finden.
Vielzahl an Beiträgen und Ideen
In den mit der Methodik „dynamik facilitation (DF)“ durchgeführten Bürgerräten kamen alle zu Wort und konnten ihr Anliegen einbringen. Trotz der Unmengen an Ideen und Beiträgen wurde innerhalb kürzester Zeit ein rundes Konzept erarbeitet, das in den weiteren Schritten in einem Bürgerratsforum mit der gesamten Bürgerschaft und einer gemeinsamen Klausur von Bürgerrat und Gemeinderat nachgeschärft wurde. Dieses Konzept nutzten wir auch für die Entwicklung eines neuen Baugebietes. Das Ergebnis des Prozesses wurde in ein Pflichtenheft für eine Mehrfachbeauftragung zur Findung des passendsten städtebaulichen Konzeptes überführt.
Die wichtigsten Ergebnisse
- Das Quartier soll das Leben analog zu einer Großfamilie erkenn- und erlebbar machen und das Gemeinwohl soll im Mittelpunkt stehen. Hierzu sollen keine „Pseudotreffpunkte", sondern große und kleine Begegnungsorte geschaffen werden, damit sich die Menschen wirklich begegnen können.
- Es soll zwingend auf Nachhaltigkeit im Bereich der Infrastruktur geachtet werden und die Gemeinde soll sich auch hier als zukunftsfähige Vorbildgemeinde engagieren. Folgende Handlungsfelder sollen dabei besonders beachtet werden:
- Energie (Aufbau eines Arealnetzes)
- Verkehr (gemeinsame Parkierung in einem Mobilitäts-Hub)
- gemeinschaftliche Anlagen (Gemeinschaftsraum zum Feiern, gemeinsame Gästezimmer, Sharingsysteme für Werkzeuge, Geräte).
- Es soll eine Mischung aus unterschiedlichen Wohnangeboten entstehen, wie z.B. Mehrgenerationenhäuser, Geschosswohnungsbau (auch genossenschaftlich) und Einfamilien- und Zweifamilienhäuser. Die Baukultur soll zu uns passen (z.B. schlichte Baukörper, keine Schottergärten). Dabei sollen auch höhere Gebäude als bisher in Baugebieten üblich erlaubt werden, um dem Flächenverbrauch entgegenzuwirken.
Darüber hinaus gab es noch eine Vielzahl weiterer hervorragender Ideen und Impulse aus der Bürgerschaft, die der Gemeinderat in seine Abwägung mit aufgenommen hat. So konnten wir mit dem Werkzeug der Bürgerräte auch einem schwierigen und teilweise emotional aufgeladenem Thema wie dem „zukunftsfähigen Bauen und Wohnen“ ein gemeinschaftliches Leitbild geben.

