Interview
Neues Arbeiten in der Verwaltung
Bernd Fels: Ein gutes Beispiel ist ein Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ), einer halböffentlichen Einrichtung. Die GIZ hat bereits weit vor der Corona-Pandemie begonnen, eine neue Arbeitswelt für 1.500 Mitarbeiter im Zuge eines Neubaus auf ihrem Campus in Bonn zu planen. Die Verantwortlichen haben mit uns einen Beratungs-, Planungs- und Kulturprozess durchlaufen. Sharing, aktivitätsbasiertes Arbeiten, Flächen für Coworking und für Stillarbeit sind dort bereits seit 2020 Normalität und kommen hybriden Arbeitsweisen sehr entgegen.
Das Beispiel GIZ zeigt, dass Arbeit immer individueller organisiert werden muss. Also hat der für alle gültige Standardbüroarbeitsplatz ausgedient.
Ausgedient hat er nicht und wird er auch nicht. Er wird teilweise reduziert, aber insbesondere immer mehr ergänzt werden um weitere Arbeitsorte.
Was empfehlen Sie also Verantwortlichen in Kommunen, die heute ein Verwaltungsgebäude neu planen?
Zunächst sollten im Rahmen eines Zielbildprozesses eine Vision und Leitplanken entwickelt werden. Es gilt Fragen zu beantworten wie: Welche Rolle soll das Büro künftig spielen? Dabei ist es wichtig, sich an Funktionen und nicht an einzelnen Personen zu orientieren. Derzeit geschieht in der Verwaltung vieles noch stark personen- und hierarchiebezogen. Je mehr Wahlfreiheiten eine Organisation in Orts-, Zeit- und Arbeitsplatzwahl zulässt, umso höher ist die individuelle Nutzenmaximierung für die Mitarbeiter – auch wenn die Arbeitsorganisation hierdurch nicht zwingend einfacher wird. Wenn ich diese Freiheitsgrade zulasse, muss ich weniger punktgenau planen. Die Ämter, die das umsetzen, sind viel flexibler und resilienter für eine unsichere Zukunft aufgestellt.

Gibt es aus Ihrer Beratungserfahrung Erfolgsfaktoren für die Einführung neuer Arbeitswelten in einer Verwaltung?
Ein Erfolgsfaktor ist es sicherlich, für Transparenz zu sorgen und die Leute zu informieren und einzubinden über die anstehenden Schritte. Wenn die Mitarbeitenden das Warum verstehen, ist das die erste Form von Akzeptanz. Auch ist es wichtig Anreize zu setzen, Fläche anders zu bespielen. Beispielsweise sollte die Einführung eines Sharing-Konzepts nicht automatisch die Reduzierung von Fläche für die betroffene Organisationseinheit nach sich ziehen. Stattdessen gibt man besser die Fläche frei für die Substitution durch eine andere Nutzung, etwa für neue Besprechungsräume. Kurzum: Diejenigen, die neu arbeiten, dürfen dafür nicht durch Reduzierung der ihnen insgesamt zur Verfügung stehenden Fläche bestraft werden. Darüber hinaus ist es wichtig, die neue Rolle des Büros klar zu definieren. Wir erarbeiten mit Organisationen gerne ein ‚Manifest der Zusammenarbeit‘. Das sind Empfehlungen, beispielsweise zur Frage für welche Anlässe die Mitarbeiter ins Büro kommen sollen und welche Tätigkeiten von zuhause erledigt werden können. Innerhalb dieser Regeln der Zusammenarbeit muss eine Führungskraft aber auch individuelle Berücksichtigung, das heißt ein begründetes Abweichen von den Regeln im Einzelfall, zulassen.
In Zeiten knapper öffentlicher Kassen können sich viele Gemeinden umfangreiche bauliche Veränderungen nicht leisten. Gibt es wirkungsvolle Maßnahmen, sich neuen Arbeitswelten zu nähern, die auch mit schmalem Geldbeutel umsetzbar sind?
Man denkt immer, man müsse bei neuen Arbeitswelten alles umbauen oder neu bauen. Das ist nicht so. Man kann sich auch in bestehenden Strukturen anders organisieren. Durch Einführung einer Sharing-Quote kann ich beispielsweise aus mehreren Einzelbüros einen Projektraum machen, ohne die Struktur angepasst zu haben. Nur ein Austausch des Mobiliars geht dann damit einher. Abgesehen davon sind viele Kommunalverwaltungen immer noch sehr dezentral organisiert. Hier paart sich Dezentralität mit Flächeneinsparungspotential durch alte Bürostrukturen mit einem hohen Anteil von Verkehrsflächen. Diese Gebäude sind oft ineffizient, weil die Infrastruktur schlecht und die Betriebskosten hoch sind. In solchen Strukturen ist in Kombination mit digitalen Services ein Flächenoptimierungspotential von 20 bis 30 Prozent schnell erreicht. Bezieht man alle kommunalen Immobilien und zusätzlich die Leerstände in den Innenstädten in die Rechnung mit ein, ergeben sich daraus viele, auch finanzielle, Möglichkeiten für neues Arbeiten. Deutschland ist gebaut, könnte man sagen, aber noch nicht umgebaut. Über Effizienz im Umgang mit Fläche und insbesondere Büroarbeit muss neu nachgedacht und mit gutem Beispiel vorangegangen werden.
Bernd Fels ist Geschäftsführer der if5 anders arbeiten GmbH & Co. KG und Experte für neue Arbeitswelten.