Integration
700 Einwohner und 850 Flüchtlinge
Flüchtinge in ehemaliger Kaserne untergebracht
„2015 hatte die Bundeswehr die Kaserne aufgegeben“, erzählt Bürgermeister Ernst-Wilhelm Schulz beim Besuch von KOMMUNAL in Seeth. „Dann kam eine Bürgerversammlung, an der fast 1.000 Menschen teilnahmen - da wurde uns mitgeteilt, dass die Kaserne eine Unterkunft wird.“ Schon zwei Tage später kamen die ersten Flüchtlinge. „Damals war nichts vorbereitet, aber viele Menschen aus Seeth haben angepackt und geholfen“, sagt Schulz. „Unsere Bundeskanzlerin hat damals gesagt: Wir schaffen das. Und hier in Seeth haben wir das geschafft.“ Die Menschen hätten Kleidung und Betten gebracht, beim Renovieren geholfen und sich um die Menschen gekümmert. Als die erste Flüchtlingswelle 2017 langsam abebbte, wurde die Unterkunft wieder geschlossen. Doch nach Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 ging sie wieder in Betrieb. Und wieder gab es jede Menge Hilfsangebote aus Seeth und seinen Nachbardörfern.
Bürgermeister besucht Gemeinschaftsunterkunft regelmäßig
„Für uns als Gemeinde ist wichtig, dass wir einen engen Kontakt zu den Betreibern haben“, sagt der Bürgermeister. Die Menschen im Ort wollen wissen, was in der Flüchtlingsunterkunft gerade passiert. Und um gezielt Hilfe zu leisten, müssten sie das auch wissen. „Ich bin wöchentlich mindestens einmal in der Liegenschaft“, sagt Schulz. „Die Mitarbeiter dort und ich telefonieren fast täglich.“ Vieles lässt sich im direkten Kontakt am besten regeln. So rief kürzlich ein Krankenhaus bei ihm an, weil ein Junge aus der Unterkunft einen Unfall hatte und man in der Klinik nicht wusste, wo er wohnt: „Ist er vielleicht aus der Unterkunft in Seeth?“ „Da bin ich als Bürgermeister oft der erste Ansprechpartner“, sagt Schulz.

Unsere Bundeskanzlerin hat damals gesagt: Wir schaffen das. Und hier in Seeth haben wir das geschafft.“
Kritik an Ministerien
Schwierig sei es aber immer dann, wenn neben den Mitarbeitern aus der Unterkunft auch übergeordnete Stellen eingebunden seien. „Wir haben gleich zu Anfang ein Benefiz-Fußballspiel für einen Kinderspielplatz bei der Unterkunft veranstaltet“, sagt Schulz. „Dieser Spielplatz ist bis heute nicht fertig.“ Vielmehr schöben sich die mit der Flüchtlingsunterbringung befassten Ministerien, die Liegenschaftsverwaltung und der Betreiber der Flüchtlingsunterkunft regelmäßig den „Schwarzen Peter“ zu. „Und ich muss das dann als ehrenamtlicher Bürgermeister vor den Leuten hier verteidigen“, sagt Schulz. „Hier vor Ort müssen wir auslöffeln, was auf der Landesebene nicht klappt: Wenn das so weitergeht, sehe ich auf Dauer schwarz für das Ehrenamt in Deutschland.“
Zumal die Städte und Gemeinden mit der Unterbringung der Flüchtlinge schon heute überlastet seien. „Wir sind voll“, sagt Schulz. „Wir brauchen deswegen schnelle und funktionierende Lösungen.“ Zum Beispiel Neubauten. Aber von den 400.000 Wohnungen, die Bundesbauministerin Klara Geywitz einst versprach, ist man noch immer weit entfernt.
Ein anderes Beispiel ist für Schulz die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. „Im Altenheim in der Nachbargemeinde wird dringend Personal gesucht“, sagt Schulz. „Aber es dauert viel zu lange, bis Menschen, die im Ausland ausgebildet wurden, hier auf den Arbeitsmarkt kommen.“ Da müsse sich der Gesetzgeber dringend bewegen: „Wir haben in diesem Land einen Fachkräftemangel“, so Schulz. „Und wenn wir diesen Fachkräftemangel durch qualifizierte Zuwanderer beheben können, dann sollten wir zugreifen.“ Was der Bürgermeister aus Seeth anderen Kommunen rät, bei denen eine Unterkunft entstehen soll? Schulz zögert bei dieser Frage. „Letztlich muss das ja jede Kommune aus der Situation vor Ort entscheiden“, sagt er schließlich.
Wie in Seeth die Zusammenarbeit läuft
Ungefragt Ratschläge erteilen möchte er nur ungern. „Uns hier in Seeth hat aber eine gewisse norddeutsche Gelassenheit geholfen - und natürlich die enge Kooperation mit der Einrichtung.“ Wichtig sei immer der direkte Kontakt – zum Betreiber der Einrichtung ebenso wie zu den Hilfsorganisationen, die vor Ort aktiv seien. „Wir haben mittlerweile einen regelmäßig tagenden Runden Tisch eingeführt: Da sind die Vertreter des Landes, die Hilfsorganisationen, die Polizei und die Bürgermeister der umliegenden Gemeinden versammelt.“ Gibt es Probleme, werden sie auf dem kurzen Dienstweg gelöst.
Und so geschieht es gegenwärtig auch beim neuesten Projekt der Seether: Auf dem Gelände der Unterkunft soll ein kleiner Laden entstehen, in dem die Flüchtlinge die Waren des täglichen Bedarfs direkt vor Ort einkaufen können. Das erspart Fahrzeiten und Wegstrecken, aber auch Konflikte in den Supermärkten in der Nähe der Unterkunft. „Unser Problem ist da im Moment noch das Vergaberecht in SchleswigHolstein“, sagt Schulz. „Aber wir sind da dran – und hoffen, dass wir auch diese Angelegenheit zu einem Erfolg führen.

