Vorbereitungen laufen auf Hochtouren
Grundsteuer-Frust in Kommunen
Vom Beschluss bis zur Umsetzung - was zwischen 2019 und 2024 in Sachen Grundsteuer passiert ist
Im Jahr 2019 hatte die Bundesregierung eine Reform der Grundsteuer beschlossen. Der Anlass dafür war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018: Die höchsten deutschen Richter hatten die bisherige Berechnung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Denn der sogenannte Einheitswert, der bei der traditionellen Berechnung der Grundsteuer mit der aus Lage und Gebäudeart ermittelten Grundsteuermesszahl und anschließend mit dem von der Kommune festgelegten Hebesatz multipliziert wird, basierte auf veralteten Daten: Im Westen des Landes wurden Werte von 1964 herangezogen, im Osten aus dem Jahr 1938. Doch das war aus Sicht der Karlsruher Richter eine klare Ungleichbehandlung. Künftig sollen die Grundstückswerte des Jahres 2022 die Basis der neuen Grundsteuer bilden. Dazu wurden alle Grundstücke in Deutschland neu bewertet. Das ist zumindest die hehre Theorie.
Denn kurz vor dem Start der neuen Grundsteuer herrscht in Deutschland - gelinde gesagt - Chaos. Zum einen nämlich wird es keine einheitliche Berechnung der Grundsteuer mehr geben: Nur noch neun von sechzehn Bundesländern werden die Grundsteuer für bebaute Grundstücke nach dem sogenannten „Bundesmodell“, also der klassischen Berechnung, erheben. In Baden-Württemberg dagegen gibt es künftig ein „Bodenwertmodell“, bei dem der Bodenrichtwert in die Berechnung der Grundsteuer einbezogen wird. In Bayern gilt ein „Flächenmodell“, in Hessen ein „Flächen-Faktor-Modell“, in Niedersachsen ein „Flächen-Lage-Modell“ - und in anderen Ländern wieder anderes. Und zum anderen fehlen vielen Kommunen noch immer die Daten der Finanzämter: Hebesätze können nicht festgelegt werden, weil die Messbescheide der Finanzämter über die Grundstückswerte fehlen. Das ist dramatisch, denn mit einem Gesamtaufkommen von rund 15 Milliarden Euro ist die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen.
Versprochen hat die Bundesregierung indes, dass die neue Grundsteuer „aufkommensneutral“ sein soll. Die Kommunen sollen künftig nicht mehr, aber auch nicht weniger Geld einnehmen als bisher. Was das in der Praxis bedeutet? „Um auf den vorherigen Betrag zu kommen, müssten wir unseren Grundsteuerhebesatz deutlich erhöhen“, sagt René Wilke, der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder). Doch darauf verzichte die Stadt zunächst. „Es liegen noch nicht alle Messbescheide vor, und die Beträge werden sich deswegen noch verändern“, sagt Wilke. „Wir wollen aber am Ende nahe an der endgültigen Zielgröße dran sein.“ Ein weiteres Problem sieht der Oberbürgermeister bei den Gewerbegrundstücken: „Wir erleben den Effekt, dass es bei Gewerbebetrieben durch die Neubewertung eine enorme Entlastung gibt – und bei privaten Wohnungen eine enorme Belastung“, sagt Wilke. Er hofft, dass es in Brandenburg eines Tages ein ähnliches Modell wie in Nordrhein-Westfalen geben kann: Die dortige Landesregelung erlaubt den Kommunen, bei der Grundsteuer zwischen bebauten Gewerbegrundstücken und privaten Wohnungen zu differenzieren. Doch auch dafür würde die Zeit drängen: „Wir müssten bis Mai eine Vorlage in die Stadtverordnetenversammlung einbringen, die rückwirkend die Erhöhung des Hebesatzes vornimmt – oder eben mit einer differenzierten Besteuerung beginnt.“
Bürgermeister in NRW fürchten zudem massive Verschiebungen und Frust durch die Grundsteuer
Doch auch in Nordrhein-Westfalen funktioniert nicht alles so, wie es eigentlich sollte. „Durch die Grundsteuerreform ergibt sich eine erhebliche Verschiebung zwischen den Wohn- und Gewerbegrundstücken, die in den meisten Fällen zulasten der Bürger geht“, sagt der Bürgermeister von Dormagen, Erik Lierenfeld. „Das wäre aus meiner Sicht nicht zwingend nötig gewesen.“ Und auch wenn es in Nordrhein-Westfalen möglich gewesen wäre: Die Stadt Dormagen entschied sich bewusst gegen zwei verschiedene Hebesätze für Wohngrundstücke auf der einen Seite und Gewerbegrundstücke auf der anderen. „Nach einschlägigen Rechtsgutachten ist es mehr als fragwürdig, ob diese Unterscheidung verfassungsmäßig zulässig wäre“, sagt Lierenfeld. „Das Risiko ist uns daher zu groß und wir müssen die nächste Zeit abwarten, was an dieser Stelle passiert.“ Die Stadt wolle die Reform aufkommensneutral umsetzen: Selbst werde man künftig keinen Cent zusätzlich in der Kasse haben. Doch weil es für Gewerbegrundstücke billiger wird, gehöre zur Wahrheit hinzu: Für die meisten Bürger wird es 2025 teurer. „Das ist in den Diskussionen auf Bundes- und Landesebene oftmals verschwiegen worden.“
Da bleibt dann nur die Frage: Wie sagt man es dem Bürger? Denn weil die Grundsteuerbescheide von den Kommunen kommen, werden es die Kommunen sein, die den Ärger der Bürger im kommenden Jahr hautnah abbekommen werden. „Wir hatten schon viele Anwohnerfragen“, sagt René Wilke. Die Erfahrung des Oberbürgermeisters aus der deutsch-polnischen Grenzstadt ist, dass die Bürger, wenn man es ihnen erklärt, gut verstehen könnten, was der Hintergedanke hinter der Neuregelung war. „Aber dass es irgendjemanden gibt, der diese Reform gut findet, das habe ich noch nicht erlebt“, sagt Wilke. „Die Menschen können es nachvollziehen und finden es aber trotzdem hoch ungerecht, dass sie so belastet werden.“ Und das wird wohl auch so bleiben, ganz unabhängig davon, wie transparent eine Kommune kommuniziert und wie viele Probleme rund um die neue Grundsteuer in den nächsten Monaten noch gelöst werden: Ein Gewinnerthema für die Städte und Gemeinden wird diese Reform nicht, das steht schon Ende 2024 fest.


