Strukturwandel
Bürgermeisterin kämpft für die Lausitz
Strukturwandel in der Kohleregion
Christine Herntier ließ sich nicht entmutigen. Bis heute ist der Strukturwandel in der Kohleregion Lausitz das große Thema der Bürgermeisterin. „Positive Veränderungsbereitschaft ist etwas, was dieses Land braucht”, sagt Herntier. „Und dazu möchte ich gerne mit meiner Stadt beitragen.” Sie vernetzte sich mit rund 50 anderen Bürgermeistern und Amtsdirektoren in der so genannten "Lausitzrunde": ein deutschlandweit wohl einmaliges, bundesländerübergreifendes Bündnis von Kommunen, die sich gemeinsam Gedanken um die Zukunft ihrer Region machen. „Wir haben gesagt: Wir müssen hier die Chancen des Strukturwandels herausarbeiten.” Wenn die Lausitzer Bürgermeisterin redet, ist das ein typischer Satz. Herntier geht es um die Zukunft, um den Fortschritt, ums Machen. „Nur auf Nostalgie kann man keine Zukunft aufbauen”, sagt die Bürgermeisterin. Die Kommunalpolitikerin engagierte sich deswegen auch in der bundesweiten Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, die die Leitlinien für den Kohleausstieg festlegte.

Spremberg aktiviert Altenbauten
Heute, fast zehn Jahre, nachdem Herntier ihr Amt übernahm, hat die Kleinstadt mit ihren rund 22.000 Einwohnern im Süden Brandenburgs dicht an der sächsischen Grenze einiges erreicht: Die Gewerbebetriebe wachsen. „Es ist uns gelungen und es wird hoffentlich auch fortgeführt, dass das Bergbauunternehmen nicht abzieht, sondern beim Strukturwandel mitmacht – dabei spielen wir in den Kommunen eine ganz große Rolle”, sagt Herntier. „Wir sind da wichtige Mahner und Impulsgeber.” Und in Spremberg habe man es – anders als in anderen Orten Deutschlands – auch geschafft, dass die Innenstadt nicht verwaist. Denn die Stadt habe eine Strategie zur Aktivierung von Altbauten, so die Bürgermeisterin. „Aus unserem alten Logenhaus hat ein örtlicher Handwerksbetrieb beispielsweise ein Gesundheitszentrum gemacht.” Wo einst die Freimaurer zusammenkamen, können Menschen heute zum Arzt gehen oder eine Tagesklinik aufsuchen.
Für Stadtumbau ausgezeichnet
Für das gelungene Beispiel des Stadtumbaus hat Spremberg eine Auszeichnung vom Land Brandenburg bekommen. „Die medizinische Versorgung bleibt ein Anker, für den Menschen in unsere Innenstadt kommen”, betont Herntier. „Auch der Neu- und Erweiterungsbau unserer berufsorientierten Schule soll nicht an den Stadtrand kommen, sondern in der Innenstadt bleiben.” Denn: Kinder und Jugendliche „aus der Innenstadt zu verbannen – das geht gar nicht”, meint die Bürgermeisterin. Und weil die Stadt mit gutem Beispiel vorangehen müsse, sei auch die Verwaltung in der Innenstadt geblieben. Man saniere das alte Bürgerhaus. All das sorge dafür, dass sich in der Innenstadt Menschen aufhielten: Restaurants und Imbisse würden frequentiert, und auch der Einzelhandel profitiere davon.

Eine AfD-Hochburg
Doch nicht alles in Spremberg läuft derzeit problemlos. Die Stadt liegt im Spree-Neiße-Kreis, einer der Hochburgen der in Brandenburg als rechtsextremistischer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachteten AfD. „Das Thema AfD spielt bei uns eine große Rolle”, sagt die Bürgermeisterin. Bei der Ansiedlung von Unternehmen und Forschungsinstitutionen ist es problematisch, wenn man als rechte Region verschrieen ist. „Das einzige Mittel, das ich dagegen kenne, ist das Gespräch mit dem Bürger”, sagt Herntier. „Man muss die Themen zur Sprache bringen, bei denen Menschen der Schuh drückt – und zwar nicht oberflächlich umherreden, sondern gemeinsam Punkt für Punkt die Dinge besprechen und sehen, was da eigentlich dahintersteckt.” Im kommunalpolitischen Alltag hat Christine Herntier eine Beobachtung gemacht: „Ich erlebe die AfD fast schon in einer Verweigerungshaltung”, sagt die Bürgermeisterin. „Von dieser Partei werden keinerlei Angebote zur Problemlösung gemacht – während vieles von dem, was wir als Stadt erreichen, als selbstverständlich hingenommen wird.” Hier müsse die Kommunalpolitik besser kommunizieren.
Krankenhaus retten
Dass eine Stadt von der Größe Sprembergs etwa ihr vor der Insolvenz stehendes Krankenhaus retten könne, sei ganz und gar nicht selbstverständlich – und ein wichtiger Beitrag für die Lebensqualität der Menschen, sagt Herntier. „Es ärgert mich maßlos, dass so etwas von vielen Menschen in der Stadt überhaupt nicht anerkannt wird.” Die Motivation indes, sich als Bürgermeisterin zu engagieren, geht Christine Herntier nicht verloren. „Ich sehe die Veränderungen in unserer Stadt, im Großen, wie im Kleinen”, sagt sie. „Ich sehe, dass ich die richtigen Themen aufgemacht habe.” Für die Bürgermeisterin ist die Kommunalpolitik bis heute das „spannendste Feld der Politik”: „Man muss sich nicht, wie in Fraktionen im Landtag oder im Bundestag einer Disziplin unterwerfen, sondern man kann sich auf seine eigenen Themen konzentrieren”, sagt Herntier. „Und verändern und gestalten.“
