Quartiersmanagement
Migration: Wie ein "Brennpunkt" entschärft werden soll
Zuwanderung in Kaiserslautern
„Die Zuwanderung ist in Kaiserslautern sehr präsent“, sagt Alexander Pongracz, der Integrationsbeauftragte der Stadt und gelernter Stadtplaner. Dabei habe sich in der Kommune immer stärker gezeigt, dass Zuwanderung Auswirkungen auf ganz verschiedenen Ebenen hat. „Was macht die Zuwanderung mit unserer Stadt und den einzelnen Quartieren? Welche Folgen hat sie für die Infrastruktur, wenn man an Wohnräume, Kitas und Schulen denkt? Wie wirkt sie sich auf die Stadt-Gesellschaft aus und wie kann hier im besten Falle eine neue Gemeinschaft entstehen?“ Diese Fragen sind laut Pongracz drängend, wenn es um die Integration im weiteren Sinne geht.
Migration: Herausfordernde Wohnsituation
Eines der größten Probleme ist nach Erfahrung des Integrationsbeauftragten die Wohnsituation. 14 Gemeinschaftsunterkünfte mit 60 bis 400 Menschen hätte die Stadt in der Hochphase der Flüchtlingskrise eröffnen müssen und bis heute konnten nicht alle dieser Unterkünfte wieder geschlossen werden. „Eigentlich sollten die Menschen nicht so lange in den Unterkünften leben müssen, aber die Realität sieht anders aus. Oft wohnen die Menschen dort über viele Jahre hinweg“, so Pongracz. Der Grund: Wohnraum ist knapp in Kaiserslautern und deshalb nehme man seitens der Stadt „das, was man kriegen kann, um die Menschen unterzubringen“. Für die Integration aber sei das nur hinderlich. So sagt Pongracz: „Integration fängt dort an, wo Wohnen und Leben möglich sind. Wenn ich nur in einem Provisorium lebe auf viel zu engem Raum, dann passiert kaum Integration“.
Überlastete Strukturen durch Zuwanderung
Diese Situation zeigt sich auch in den weiteren Projektkommunen. So stellt die aktuelle Zuwanderungsdynamik „Unterstützungssysteme, Wohnungsmärkte, Verwaltungsverfahren und vieles mehr vor erhebliche Herausforderungen“ und fehlen häufig soziale Strukturen, um hier gegenzuwirken. Das erlebt Pongracz auch in Kaiserslautern: „Die Strukturen in den betroffenen Quartieren sind stark überlastet und die Situation dort verschärft sich nach und nach“.
Besseres Leben im Quartier ermöglichen
„Was brauchen wir in den besonders betroffenen Quartieren? Was können wir als Kommune vor Ort gestalten und was beeinflussen, damit Integration besser gelingt und ein besseres Leben möglich ist?“ – das sind laut Pongracz die Ausgangsfragen, mit denen man sich in Kaiserslautern im Rahmen des Projekts beschäftigt. Das Ziel in Kaiserslautern ebenso wie bei den weiteren elf Projektteilnehmern ist es, in jenen Quartieren, die von internationaler Zuwanderung besonders geprägt sind, ein gutes Zusammenleben von „alten“ und „neuen“ Bewohnern und Bewohnerinnen zu ermöglichen und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort zu stärken“. Außerdem solle die Wohnqualität deutlich verbessert und eine stärkere Teilhabe auch der sozial Schwächeren gefördert werden.
Kaiserslautern Nordwest – ein Brennpunkt-Quartier
Für die Teilnahme am Projekt konzentriert man sich in Kaiserslautern vor allem auf den Stadtteil Nordwest, ein „Brennpunkt“ in der Stadt „mit hoher Migrantenrate und vielen Schlicht-Wohnungen“, wie Pongracz sagt. Zudem wurde dort eine neue Gemeinschaftsunterkunft eröffnet. Von viel Armut geprägt, ist die Situation in dem Viertel laut dem Integrationsbeauftragten sehr angespannt. So wird ihm immer wieder von Clan-Strukturen und Kriminalität berichtet, zudem gäbe es baulich großen Verbesserungsbedarf und es gebe mitunter noch Wohnungen, in denen kein warmes Wasser vorhanden ist. Auch soziale Not ist gegenwärtig und so gibt es regelmäßig Kinder, die nach dem Wochenende schon frühmorgens hungrig an die Tür des Quartiersbüros klopfen, weil sie zu Hause nur schlecht versorgt worden sind.
Neue Ansätze durch Austausch und Expertise
Im Rahmen des Projekts "Ankunftsquartiere gestalten - Wege in die sozialräumliche Integration" werden die Strukturen im Stadtteil Nordwest nun genau untersucht und die wichtigsten Handlungsfelder und mögliche Lösungsansätze herausgearbeitet. Um eine breite Datenbasis zu haben, wird das ILS den Prozess wissenschaftlich begleiten und zahlreiche Interviews vor Ort führen - mit Bürgern ebenso wie mit den Mitarbeitern der verschiedenen Institutionen im Stadtteil. Auf dieser Grundlage werden dann verschiedene konkrete Angebote für die Bewohner erarbeitet. Außerdem wird Kaiserslautern eine Tandemkommune zur Seite gestellt, mit der ein besonders enger Austausch geplant ist; die Auswahl hierfür läuft gerade. Pongracz erhofft sich für Kaiserslautern viel von der Teilnahme am Projekt. „Wir brauchen die Expertise von außen und Vergleichsmöglichkeiten“, so der Integrationsbeauftragte. „Mehr verstehen, über den Horizont schauen und voneinander lernen“, das seien die Möglichkeiten, die das Projekt eröffnen könnte. Dabei ist Pongracz klar: „Es gibt bei der Integration nicht die eine Blaupause, die überall greift“. Bestimmte Herausforderungen aber seien durchaus vergleichbar.
Verwaltung soll enger mit Menschen zusammenarbeiten
Ein wesentlicher Ansatz soll der Aufbau einer sogenannten kommunalen „Integrations-Governance“ sein. Das bedeutet konkret eine noch stärkere ressortübergreifende Zusammenarbeit auf der Verwaltungsebene, die engere Vernetzung der sozialen Infrastrukturen im Stadtteil, die gezielte Aktivierung „alter“ und „neuer“ Quartiersbewohner und eine möglichst praxisnahe Kooperation zwischen Verwaltung und Menschen. Dabei sei es ausgesprochen wichtig, die alten Bewohner aktiv in den Prozess einzubinden und nur solche Unterstützungsangebote zu schaffen, die die Menschen auch konkret brauchen, betont Pongracz. „Ich hoffe, dass wir im Rahmen des Projekts feste Strukturen schaffen können, die für die Bevölkerung in ihrem Alltag essenziell werden und einen engeren Bezug zum Quartier entstehen lassen“, sagt der Integrationsbeauftragte. Hierzu könnten Sozialarbeiter ebenso beitragen wie ein neu eingerichtetes Bürgerbüro.
Kommunale Aufmerksamkeit entscheidend
Die wichtigste Voraussetzung dafür, dass in den geschwächten Quartieren überhaupt etwas passiert, ist aus Erfahrung von Pongracz, dass überhaupt wahrgenommen wird, wie schwierig die Situation dort ist. „Die Menschen, die in diesen Quartieren leben, haben oft eine geringe Lobby und vielen ist nicht klar, unter welchen Bedingungen manche Mitbürger leben müssen“, so Pongracz. Die Teilnahme am Projekt soll das ändern, so seine Hoffnung, und die „Aufmerksamkeit in der Stadtpolitik erhöhen für dieses Viertel und den Handlungsbedarf dort“.
Bunte und friedvolle Gemeinschaft als Ziel
Im Stadtteil Nordwest muss noch viel geschehen, bis sich die Umstände dort grundlegend verändert haben. Eine Ahnung davon, wie es einmal werden könnte, stellte sich beim Nordwest-Stadtteilfest ein. „Wir haben das Fest als Kommune bewusst subventioniert, um allen die Teilnahme zu ermöglichen“, erzählt der Integrationsbeauftragte. Getränke und Speisen hätten kaum mehr als einen Euro gekostet und die Veranstaltung wurde rege besucht. „Das Fest wurde sehr gut angenommen von den unterschiedlichen Bewohnern, war sehr friedlich und bunt“, sagt Pongracz.

