Kommunen
Beim Kampf gegen Anitsemitismus Vorbild sein
Antisemitismus entgegentreten
Was das mit Kommunen zu tun hat? Eine ganze Menge, meint der Leiter der Bildungsabteilung beim Zentralrat der Juden, Doron Kiesel. „Der Bürgermeister, der Feuerwehrhauptmann und der Pfarrer - das sind Leute, die für unsere Demokratie stehen, für unsere liberale und pluralistische Welt.“ Ihr Ansehen vor Ort, in Städten und Dörfern, sei wichtig für den Kampf gegen den Antisemitismus. „Ein Bürgermeister kann mit seinem Vorbild die Gesellschaft motivieren, sich für oder gegen eine Sache einzusetzen“, sagt Kiesel. Das gelte auch für den Kampf gegen Antisemitismus.
„Das Wichtigste ist: Haltung zu bekennen und zeigen, wo man steht und welche Position man in Anbetracht des zunehmenden Antisemitismus und der verzerrten und ignoranten Einstellungen von Menschen hat, die meinen, die Juden oder die Israelis seien an allem Schuld“, betont Kiesel. „Wenn Menschen, die in Verantwortung stehen oder Vorbilder sind, ihren Bürgern eine klare Orientierung vermitteln, hat das eine enorme Wirkung.“ Als ein Beispiel nennt Kiesel die Stadt Frankfurt am Main. Hier hätten sich der Schauspiel- und der Opernintendant deutlich positioniert, seien in den Medien vorgekommen, und in der Stadt habe man über ihre Haltung gesprochen. „Gefestigte Antisemiten werden sich von gar nichts beeinflussen lassen“, sagt Kiesel. „Aber wer neugierig ist, interessiert ist und nicht weiß, wo er sich positionieren soll, für den sind solche Zeichen enorm wichtig.“ Und das gelte dann nicht nur für die Millionenmetropole, sondern auch für das Dorf oder die kleine Stadt.
Juristische Grundlagen kennen
Wichtig ist Kiesel auch, dass man in den Kommunen wisse, wo man einschreiten müsse. „Wir haben ein Grundgesetz und ein Strafgesetzbuch, was es möglich macht, Leute zu belangen, die sich öffentlich antisemitisch äußern, Fahnen verbrennen oder Synagogen und Gedenksteine beschmieren“, sagt Kiesel. Doch nicht immer sei das, worauf man juristisch reagieren kann, deckungsgleich mit dem, worüber man sich aufrege. „Da bedarf es guter Juristen, mit denen die Stadt oder Gemeinde zusammenarbeiten muss.“
Was bei Demonstrationen verboten ist
So sieht das auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein.Kommunen müssen genau hinschauen, was auf Demonstrationen geschieht“, sagt er gegenüber KOMMUNAL. „Wenn auf propalästinensischen Demonstrationen in Deutschland Menschen ihr Mitgefühl für die Toten und Opfer im Gazastreifen zum Ausdruck bringen und die aktuelle Entwicklung beklagen, dann ist das ihr gutes Recht und legitim, soweit dies friedlich, gewaltfrei und ohne antisemitische Hetze geschieht - werden dagegen verbotene Fahnen und Symbole gezeigt oder verbotene Parolen skandiert, sollte die Polizei einschreiten.“
Stadt Dortmund lässt Plakate abnehmen
Klein erinnert an den letzten Europawahlkampf: Damals plakatierte die Neonazi-Partei „Die Rechte“ den Slogan „Israel ist unser Unglück“. Er sagt: „Aus meiner Sicht war das ein Satz in enger Anlehnung an das NS-Hetzblatt „Der Stürmer“, in dem es hieß: „Die Juden sind unser Unglück.“ Doch Staatsanwaltschaften hätten diesbezügliche Ermittlungen entweder eingestellt oder gar nicht erst aufgenommen. „Wir haben daraufhin mithilfe des Polizei- und Ordnungsrechts juristische Mittel und Wege aufgezeigt, der Plakatierung beizukommen“, sagt Klein. Die Stadt Dortmund habe die Plakate abnehmen lassen und wurde später vom Oberverwaltungsgericht Münster darin bestätigt. „Das Engagement der Kommune gegen Antisemitismus konnte also letztlich erfolgreich durchgesetzt werden.“
Kommunen sollten bei Vermietung hinschauen
Direktor Kiesel vom Zentralrat der Juden geht noch weiter: Er rät Kommunen, bei der Vermietung kommunaler Räume genau hinzuschauen: Initiativen, die etwa dazu aufrufen, israelische Produkte zu boykottieren, dürften für ihre Versammlungen nicht in Rathäuser gelassen werden. Hier sei es wichtig, dass kommunale Satzungen, die die Vergabe und Vermietung von Räumen regelten, präzise seien. „Das gilt auch für die AfD“, sagt Kiesel. „Ich bin der Meinung, dass man eine Partei, die sich nach außen zwar nicht antisemitisch gibt, aber in ihrer Grundhaltung den Hass gegenüber Minderheiten schürt, beschränken und begrenzen muss, soweit das verfassungsrechtlich möglich ist.“ Auch Klein betont, dass Organisationen oder Projekte, die dem Hass auf Juden Vorschub leisten oder das Existenzrecht Israels infrage stellten, nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert werden sollten. „Dies schließt auch ein, ihnen keine öffentlichen Räume für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen.“
Städtepartnerschaft gegen Vorurteile
Ein konkretes Mittel, um sich als Kommune gegen Antisemitismus und Israelfeindschaft zu positionieren, ist aus Sicht von Kiesel auch eine Partnerschaft mit einer Stadt oder Gemeinde in Israel. „Deutschland ist bei diesen Partnerschaften schon heute führend, aber es könnten gerne noch mehr werden“, sagt Kiesel. Und er erinnert an die Bedeutung lokaler Erinnerungskultur. „Hier agieren einige Städte bereits vorbildlich: In Dortmund etwa entsteht an der Stelle, an der die Deportationen losgingen, ein Gedenk- und Lernort in der Nähe des Bahnhofs“, sagt Klein. „Dadurch kann man sehr gut deutlich machen, dass der Holocaust nicht nur in den Vernichtungslagern stattgefunden hat, sondern überall in Deutschland - in Straßen, die es heute noch gibt.“ Auch das trage dazu bei, den Antisemitismus in den Städten, Gemeinden und Dörfern zu bekämpfen.

Bürgermeister und Feuerwehrhauptmann – sie stehen für unsere Demokratie.“
Prof. Dr. Doron Kiesel, Leiter der Bildungsabteilung beim Zentralrat der Juden

Kommunen müssen genau hinschauen, was auf
Demonstrationen geschieht.“
Dr. Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung

