Gesundheit
Medizinische Versorgung mit dem anonymen Krankenschein
Anonymer Krankenschein für Patienten ohne Versicherungsschutz
„Gesundheit ist ein Menschenrecht“, sagte Johannes Nießen, der damalige Leiter des Gesundheitsamtes in Köln. In der Politik sei daher der klare Wunsch artikuliert worden, dass die medizinische Versorgung auch für jene Patienten sichergestellt und gut organisiert wird, die keinen Anspruch auf Krankenversicherung haben. Das Gesundheitsamt hat häufiger mit solchen Patienten zu tun - vor allem über die verschiedenen städtischen Beratungsstellen für Obdachlose, Schwangere, Prostituierte oder Drogenabhängige. Bislang wurden die Menschen ohne Krankenversicherung meist auf rein ehrenamtlicher Basis und nur teilweise organisiert versorgt. Mit dem anonymen Krankenschein soll sich das ändern.
Bessere Organisation und Versorgung als Ziel
„Wie können wir den Flickenteppich der Hilfen besser organisieren?“ – das war laut Nießen die Kernfrage, die am Beginn der Einführung des anonymen Krankenscheins in Köln stand und in der Runde der verschiedenen Beteiligten, darunter neben der Stadt etliche Hilfsorganisationen und Vereine, diskutiert wurde. „Früher geschah die Versorgung auf Zuruf, der eine kannte die Ärztin, der andere den Arzt, von dem er wusste, dass er auch Menschen ohne Versicherungskarte behandelt… Dies wollten wir nun ändern und damit auch bewusst akzeptieren, dass es Menschen ohne Anspruch auf Krankenversicherung gibt, die Hilfe benötigen“, so Nießen.
Enge Kooperation verschiedener Beteiligter
Die größte Herausforderung sei am Beginn der Überlegungen gewesen, überhaupt erst den Bedarf festzumachen und herauszufinden, ob ein anonymer Krankenschein tatsächlich helfen könnte. Aus den Rückmeldungen der Organisationen wurde gleichwohl schnell deutlich, dass ein Bedarf definitiv vorhanden ist. Entsprechend sind die verschiedenen Beteiligten gebündelt mit ihrer Forderung nach einer besseren Organisation und einer Finanzierung der Behandlungen an die Politik herangetreten. Mit Erfolg: Die Einführung des anonymen Krankenscheins wurde beschlossen und an seiner Umsetzung sind nun neben der Stadt das Netzwerk für Menschen ohne Papiere, bestehend aus agisra e. V., der Caritas für die Stadt Köln e. V., dem Diakonischen Werk Köln, der Region gGmbH und dem Kölner Flüchtlingsrat e.V. sowie Rom e. V., die Clearingstelle Migration und Gesundheit (Caritas für die Stadt Köln e. V., Diakonisches Werk Köln und Region gGmbH) und die Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung beteiligt.
Der anonyme Krankenschein in der Praxis
Zwei Jahre hat es laut Nießen gedauert, bis aus den Überlegungen konkrete Realität werden konnte. Seit Juli erhalten erkrankte Patienten den anonymen Krankenschein nun entweder direkt beim Gesundheitsamt oder bei der Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung Köln und können diesen für die Dauer von 12 Wochen je nach Bedarf als Überweisungs-, Einweisungs- und Rezeptschein nutzen. Gedeckelt sind die möglichen medizinischen Maßnahmen durch einen vorgegebenen Kostenrahmen, der maximal 500 Euro für ambulante Hilfen und maximal 3500 Euro für stationäre Hilfe vorsieht. Besteht darüber hinaus ein Behandlungsbedarf, muss das weitere Vorgehen laut Nießen individuell geklärt werden. Um die Daten der Patienten zu schützen, erhalten diese, falls gewünscht ein Pseudonym.

Clearingstelle beugt Fehleinsatz vor
Wendet sich ein Patient an eine der Beratungsstellen, nimmt diese parallel Kontakt zur Clearing-Stelle auf, die klärt, ob ein Mensch wirklich ohne Schutz ist und nicht anderweitig abgerechnet werden kann. Auch wenn damit nicht zuletzt möglicher Missbrauch verhindert werden soll, bedeutet "Clearing" laut Nießen in diesem Fall nicht nur Klärung, sondern oft auch Vermittlung, Beratung und Unterstützung. Wird schließlich bestätigt, dass der Patient tatsächlich keinen Anspruch auf Krankenversicherung hat, erhält er den Anonymen Krankenschein.
Ärzte erhalten einfachen Satz
Durch die Einführung des Anonymen Krankenscheins ändert sich die Situation auch für die behandelnden Ärzte. War ihr Einsatz auf Zuruf bislang rein ehrenamtlich, haben sie nun die Möglichkeit, für die Behandlung den einfachen Satz abzurechnen und auch bei über ihre eigenen Fachbereiche hinausgehenden Fragestellungen eine Kostenübernahme von Weiterbehandlungen sicherzustellen. Übernommen werden die Kosten von der Stadt Köln, die hierfür für das Jahr 2023 rund 308.000 Euro und für 2024 rund 415.000 Euro bereitgestellt hat. Aus Sicht von Nießen ist das zumindest eine gewisse finanzielle Wertschätzung für die Ärzte, die auch eine zuverlässige Behandlung ermögliche.
Projekt soll verstetigt werden
Vorerst soll der anonyme Krankenschein in Köln bis Ende 2024 erhältlich sein, doch auch danach sei eine Fortführung wünschenswert. Schließlich sei die medizinische Versorgung ein Grundrecht, das jedem zustehe, und betreffe die Thematik ohnehin nur circa 0,1 Prozent der Bevölkerung. „Das entspricht in Köln ungefähr 1000 Menschen - die Klientel ist also überschaubar“, so Nießen. Das Geld sei gut investiert. Schließlich wisse man aus der Praxis: „Jede Behandlung, die frühzeitig erfolgt, verhindert Schlimmeres. Wenn jedoch nicht rechtzeitig interveniert wird, eskalieren die Kosten bei der späteren Behandlung und dann müssen diese ja auch vom Staat getragen werden.“
