Interview
So können Kommunen die Tafeln unterstützen
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie denn auf dem Land?
Wir wissen, dass die großen Tafeln in den Städten teilweise anders agieren können als kleine Tafeln auf dem Lande. Das zeigt sich vor allem beim praktischen Einsammeln der Spenden: Es gibt im ländlichen Raum nicht so viele Supermärkte eng beieinander, bei denen eingesammelt werden kann. Und wir vermuten, dass es auf dem Land auch eine größere Scham gibt, zur Tafel zu kommen: Denn dort kennt jeder jeden. Und wir wissen ja, dass es häufig den Menschen sehr schwerfällt, um Hilfe zu bitten. Hier muss sich übrigens etwas ändern: Es kann nicht sein, dass sich Menschen für ihre Lebenssituation schämen müssen.

Was können Kommunen tun?
Kommunen können und sollten offen damit umgehen, dass es Armut auch auf dem Dorf gibt und auch in ihrer eigenen Region. Und sie können den Tafeln helfen: Da gibt es ganz viel gute Vorbilder, wo das passiert, allerdings auch Beispiele, wo das nicht geschieht. In kleineren Orten hören wir oft, dass es eine sehr enge Abstimmung zwischen den Ehrenamtlichen und den Gemeinden gibt.
Was braucht eine Tafel denn? Muss es gleich ein Kühlhaus sein?
Es muss kein ganzes Kühlhaus sein. Aber die Tafeln sind auch deswegen so erfolgreich, weil sie professionell arbeiten. Und dazu gehört, die Kühlkette für die gespendeten Lebensmittel aufrecht zu erhalten. Sonst dürften sie die Lebensmittel ja gar nicht verteilen. Und das bedeutet natürlich, dass auf dem Land wie in der Stadt Kühlfahrzeuge gebraucht werden. Und natürlich auch Möglichkeiten, Lebensmittel gekühlt zu lagern. Das wäre zum Beispiel eine ganz konkrete Unterstützung, die eine Kommune einer Tafel bieten kann. Auch bei den Themen gestiegene Energiekosten und Mieten können die Tafeln Unterstützung gebrauchen.
Wir unterstützen armutsbetroffene Menschen. Wir versorgen sie aber nicht – das ist und bleibt Aufgabe des Staates."
Und was hilft eher nicht?
Häufig werden uns leerstehende Räume angeboten, einfach weil diese Räume gerade zur Verfügung stehen. Wir merken dann, dass sich niemand Gedanken darüber gemacht hat, was für Räumlichkeiten eine Tafel eigentlich braucht. Wenn die Räume für die Tafeln außerhalb des Ortes liegen, ohne dass es eine geeignete ÖPNVAnbindung gibt, ist das ein riesiges Problem: Denn in der Regel haben die Menschen, die zur Tafel kommen, kein Auto zur Verfügung. So etwas hilft dann eher nicht.
Der ÖPNV sollte also so gestaltet werden, dass Menschen zur Tafel kommen können?
Das auf jeden Fall – wobei es auch anders geht: Wir kennen auch Tafeln, die etwa während der CoronaPandemie mobile Tafeln ins Leben gerufen haben, um die Lebensmittelspenden zu den Menschen zu bringen. Aber das ist nicht der Regelfall und das ist mit der begrenzten Zahl an Ehrenamtlichen, die eine Tafel hat, auch überhaupt nicht stemmbar. Deswegen ist es wirklich wichtig, dass der ÖPNV gut funktioniert und dass unsere Räume entsprechend angebunden sind.
Und wie funktioniert die Zusammenarbeit vor Ort?
In den meisten Kommunen vor Ort gibt es eine gute Zusammenarbeit. Wir erleben allerdings auch, dass sich die Kommunen etwas zu sehr auf die Tafeln verlassen. Als die ersten Geflüchteten aus der Ukraine nach Deutschland kamen, gab es schon mal folgende Aussage: „Wir können Ihnen leider erst in vier Wochen einen Termin auf dem Sozialamt geben – gehen Sie doch so lange zur Tafel.“ Und das geht natürlich nicht: Denn wir unterstützen armutsbetroffene Menschen. Wir versorgen sie aber nicht – das ist und bleibt Aufgabe des Staates. Die Tafeln sind und bleiben ein zusätzliches Angebot.


