Reform
Bangen um die Krankenhäuser
Krankenhäuser melden Insolvenz an
Zum Beispiel auch das Krankenhaus im brandenburgischen Spremberg. Die dortige Klinik meldete 2022 Zahlungsunfähigkeit an. Zum Erschrecken der Spremberger Bürgermeisterin Christine Herntier. „Das Krankenhaus ist für mich ein ganz wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens”, sagt die Kommunalpolitikerin. „Es ist wichtig für die Familie, wichtig für Freunde, wichtig für Bekannte – und es ist ein unverzichtbarer Standortfaktor in einer wachsenden Kommune.“ Deswegen habe sich die Kommune stets dafür eingesetzt, dass die gesundheitlichen Dienstleistungen, die vor Ort in einem Klinikum angeboten und erbracht werden, vor Ort für die Bevölkerung erhalten bleiben. „Wir haben uns die Frage gestellt: Was ist eine Stadt ohne ein Krankenhaus?”, sagt Herntier. „Die Klinik trägt dazu bei, dass wir als Einwohner vor Ort versorgt werden, wenn wir ein medizinisches Problem haben.” Dadurch kämen auch auswärtige Patienten und deren Besucher in die Stadt. Dazu erlebe man den Strukturwandel in der Lausitz: Die Braunkohle verschwinde, und im benachbarten Cottbus soll eine medizinische Fakultät entstehen. „Da wäre es doch schwer vermittelbar und gar widersprüchlich, dass ausgerechnet in dieser Zeit hier bei uns in Spremberg das Krankenhaus abgeschafft wird.”
Wie können Deutschlands Krankenhäuser erhalten bleiben?
Auf der Bundesebene ist das die große Frage, die hinter der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht. Das bisherige System der Klinikfinanzierung über Fallpauschalen hat sich als nicht tragfähig erwiesen: Das Vorhalten teurer Technik lässt sich ebenso wie die Personal- und Betriebskosten der Kliniken auf diese Weise nicht refinanzieren. Künftig sollen die Fallpauschalen deswegen durch Vorhaltepauschalen ersetzt werden: Die Krankenhäuser sollen schon für die bloße Bereitstellung von Technik und Kapazitäten entschädigt werden. Dass eine Reform kommen muss, ist zwischen Bund, Ländern und Kommunen dabei unstrittig: „Verweigerung ist keine Lösung”, sagt Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). „Wir sehen ja, dass die Krankenhäuser immer mehr unter wirtschaftlichen Druck geraten.”
Doch der ursprüngliche Entwurf aus Berlin war für die Länder nicht akzeptabel: Denn das Festhalten an bestimmten Mindestfallzahlen hätte dazu geführt, dass gerade im ländlichen Ostdeutschland, aber auch in den Weiten Schleswig-Holsteins und Niedersachsens zahlreiche Krankenhäuser untergegangen wären, statt aus höchster Not gerettet zu werden. „Gerade in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern stellen uns die Mindestmengen beim Thema Erreichbarkeit und gute Qualität vor große Herausforderungen“, sagt Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Drese. „Wir haben vielleicht nicht ganz so viel zu reformieren wie andere Bundesländer, aber eine Neuaufstellung der Finanzierung unserer Krankenhäuser brauchen auch wir.“
Krankenhausfinanzierung - Reform löst Problem nicht
„Ein neues System der Krankenhausfinanzierung ist längst überfällig”, sagt auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. „Bei der Reform die Fallpauschalen durch Vorhaltepauschalen zu ersetzen, ist der richtige Systemwechsel.” Krankenhäuser könnten so ihren Versorgungsauftrag gegenüber den Patientinnen und Patienten viel besser umsetzen und müssten nicht mehr „darauf schielen, welche Behandlung oder OP die höchsten Fallpauschalen bringt.” Damit sei aber das Problem der chronischen strukturellen Unterfinanzierung der Kliniken noch nicht gelöst. „Das bisherige Finanzvolumen für Krankenhäuser darf nicht einfach von Fallpauschalen zu Vorhaltepauschalen umgeschichtet werden, es muss langfristig mehr Geld ins System”, fordert Dedy.
Wie das gelingen soll, ist während der Parlamentarischen Sommerpause des Jahres 2023 noch unklar: Denn die Krankenhausreform von Karl Lauterbach ist weiter „Work in Progress”. Das Gesetz soll erst im Herbst vorgelegt werden und Anfang 2024 in Kraft treten. Zur weiteren Finanzierung der Kliniken gibt es bisher keine konkreten Zusagen: „Die Städte gleichen bereits jetzt immer wieder Defizite der kommunalen Krankenhäuser in Millionenhöhe aus – und das trotz angespannter kommunaler Haushalte”, sagt Dedy. Bund und Länder seien aber zuständig für eine ausreichende Finanzierung der Betriebs- und Investitionskosten.

Es muss langfristig mehr Geld ins System.“
Bis die künftige Finanzierung der Kliniken steht, kämpfen bundesweit noch viele Kliniken ums Überleben. Jüngst war es das Paderborner St.Vincenz-Krankenhaus, das in Zahlungsschwierigkeiten geriet. Ende Juli beantragte die Klinik die Insolvenz in Eigenverwaltung: Man sah sich nicht mehr in der Lage, die notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen durchzuführen. „Ziel ist es, das Unternehmen mit seinen Kliniken zu sanieren und spätestens im Laufe der ersten Jahreshälfte 2024 über ein sogenanntes Planverfahren vollständig zu sanieren“, sagte der Generalbevollmächtigte der Klinik, André Dobiey.
In Spremberg ist man da dank des Einsatzes der Kommune schon ein gutes Stück weiter. Denn die Stadt entschied sich für eine Rekommunalisierung: Einstimmig beschlossen die Stadtverordneten, 80 Prozent des Krankenhauses vom bisherigen Träger, einem gemeinnützigen Verein zu übernehmen. Damit war eine städtische Förderung der Klinik möglich, und die Insolvenz konnte zunächst abgewandt werden.
Spremberg strebt ambulant-stationäres Zentrum an
„In Summe vier Millionen Euro” ließ sich die Stadt Spremberg das Krankenhaus kosten, sagt Bürgermeisterin Herntier. Das entspreche etwa 7,5 Prozent des Jahreshaushalts der Stadt Spremberg. Dabei wird sich aber auch in Spremberg das Gesicht des Krankenhauses mittelfristig wandeln müssen: Man strebe die Bildung eines „ambulant-stationären Zentrums an”, sagt Herntier. „Das ist ein wichtiger Punkt in unserem Sanierungskonzept.” Dabei handelt es sich um ein Modell, das zunächst im uckermärkischen Templin erprobt wurde, und als sogenanntes „Level1i-Krankenhaus“ auch Eingang in die Reformpläne von Karl Lauterbach gefunden hat: Eine Klinik, die zu großen Teilen mit den vor Ort niedergelassenen Ärzten kooperiert, und im Prinzip ein großes Ärztehaus mit angeschlossenen Stationen darstellt. Entsprechend hat das Krankenhaus in Spremberg sein ambulantes Programm bereits ausgeweitet: Fachrichtungen wie die Chirurgie oder die Frauenheilkunde bieten vermehrt ambulante Operationen an. Und auch mit den niedergelassenen Fachärzten in der ehemaligen Bergbaustadt in der Lausitz werden Kooperationen angestrebt.

Unser Krankenhaus ist wichtig für die Familie, für Freunde, für Bekannte – und ein unverzichtbarer Standortfaktor.“
Doch ob das Konzept der Spremberger wirklich aufgeht, und das kleine Krankenhaus im Süden Brandenburgs dauerhaft gerettet werden kann, wird am Ende vor allem davon abhängen, wie die Finanzierung der Kliniken auf der Bundesebene nun geregelt wird. Für Bützow, Paderborn, Spremberg und viele andere Städte und Gemeinden im Land, die um ihre Krankenhäuser bangen, wird es deswegen wohl noch ein heißer Herbst.
Die Fakten:
1887 Krankenhäuser in Deutschland
16,7 Millionen Patienten
126,9 Milliarden Kosten
(Quelle: Statistisches Bundesamt/Destatis)


