Ehrenamt
Kulturdolmetscher als Brückenbauer in Kommunen
Kulturdolmetscher mit Migrationsbiografie
Die besten Vermittler und Brückenbauer sind jene, die selbst erfahren haben, wie es ist, in einem fremden Land Fuß zu fassen. Das ist die Grundidee der sogenannten „Kulturdolmetscher“. Dabei handelt es sich um ehrenamtlich engagierte Bürger mit eigener Migrationserfahrung, die „ihre eigene Zuwanderungsgeschichte für die Integration der bei uns Angekommenen nutzen und als ÜbersetzerInnen von Kultur mithelfen“, wie Rainer Klein, Integrationsbeauftragter der Stadt Coburg sagt.
Missverständnisse auflösen
Die Situationen, in denen Kulturdolmetscher helfen können, sind vielfältig und reichen vom Arztbesuch über den Behördentermin bis hin zum Gespräch mit dem Vermieter, der Kindergärtnerin oder dem Verwaltungsmitarbeiter. „Unterschiedliche kulturelle Prägungen führen gerade in Verbindung mit mangelnder sprachlicher Kenntnis immer wieder zu Missverständnissen“, sagt Klein. So sei es beispielsweise „grundverschieden, wie Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mit Arztbesuchen umgehen“ und würden immer wieder auch die jeweiligen Rollenverständnisse zu Problemen führen. Kulturdolmetscher können hier die jeweiligen Hintergründe erklären und Hindernisse abbauen.
Vielfältiger Einsatz der Kulturdolmetscher
In Coburg haben laut Statistik 25 bis 30 Prozent aller Coburger Bürger einen Migrationshintergrund. Die Integration ist entsprechend ein wichtiges Thema in der Stadt und schon im ersten Integrationskonzept 2009 wurde die interkulturelle Öffnung als Ziel formuliert. 2017 wurde dann die Idee der Kulturdolmetscher aufgegriffen, fünf Jahre später wurde sie Realität. Seit Sommer 2022 ist nun ein Team von speziell ausgebildeten Kulturdolmetschern im Einsatz: sechs Frauen und Männer mit unterschiedlichem Migrationshintergrund und aus unterschiedlichen Kulturkreisen, die sowohl von Migranten als auch von den Behörden selbst angefragt werden. Damit ist Coburg eine von mehreren bayerischen Städten, in denen Kulturdolmetscher im Rahmen des Programms „Kulturdolmetscher Plus – Sharing Empowerment“ in Zusammenarbeit mit örtlichen, meist kirchlichen Bildungseinrichtungen, ausgebildet werden.
Werteorientierte Ausbildung
Um auf ihre Aufgabe als Kulturdolmetscher gut vorbereitet zu sein, haben die Kandidaten in Coburg eine mehrteilige Ausbildung durchlaufen. Dabei wurden Themen wie Migration und kulturelle Fremdheit, interkulturelle und interreligiöse Begegnung, Religion in Deutschland, Familie und Rollenbilder, Bildungsmöglichkeiten, Asyl und Beratung, Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement behandelt – stets unter Einbindung der eigenen biografischen Erfahrungen. So wurden die teilnehmenden Migrantinnen und Migranten in dem Kurs laut Klein darin bestärkt, über ihre persönlichen Erfahrungen im Integrationsprozess zu berichten und so später zur „interkulturellen Sensibilisierung und zum Dialog beizutragen“.
Sicherheit und Vertrauen schaffen
„Grundsätzlich geht es bei diesem Projekt darum, allen Bürgern einen Zugang zur Gesellschaft und zu gesellschaftlichen Organisationen zu ermöglichen“, sagt Rainer Klein. So helfe es im konkreten Fall häufig, wenn Migranten, die noch nicht der deutschen Sprache mächtig seien, jemanden an ihrer Seite hätten, dem sie vertrauen und der aus ihrem Kultur- und Sprachkreis komme. „Das sind zwei Ohren mehr, die Sicherheit verleihen“, so Klein.
Vermittlung und Aufklärung
Als ebenso wichtig bewertet Klein zudem die Brückenfunktion der Kulturdolmetscher für die Mitarbeiter der Verwaltung. „Wenn ich mit Menschen aus anderen Kulturen und mit anderer Sprache zu tun habe, muss ich verstehen, wie der andere geprägt ist und was er mir sagen möchte“, so Klein. Dabei gehe es um eine interkulturelle Öffnung der Verwaltung und schließlich darum, „dass Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesellschaft teilhaben können und Anerkennung und Respekt erfahren“. Entsprechend sind die Kulturdolmetscher auch für die kommunalen Mitarbeiter wichtige Ansprechpartner.
Finanzierung: So funktioniert sie
Das Projekt „Kulturdolmetscher Plus – Sharing Empowerment“ wurde in großen Teilen durch gleichlautendes Programm vom bayerischen Staatsministerium des Inneren gefördert, das an die Katholische Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Bayern e.V. (KEB Bayern) angedockt war. Die Stadt Coburg übernahm laut Klein einen Eigenanteil von 1.500 Euro, der Rest wurde vom Ministerium und dem Bildungswerk finanziert. Die konkrete Umsetzung der Akquise und Ausbildung hat das evangelische Bildungswerk übernommen, die Koordination des Projekts läuft über die Ehrenamtsstelle der Stadt.
Akquise herausfordernd
Wie unterschiedlich auch das Ehrenamt selbst in den verschiedenen Kulturen gesehen wird, hat sich bei der Akquise für die zukünftigen Kulturdolmetscher gezeigt. „Das Ehrenamt wird von Migranten oft ganz anders wahrgenommen und gelebt als bei uns bekannt. Meist wird auf direktem, privatem Wege geholfen, wenn jemand Hilfe braucht – viel seltener wendet sich jemand an eine Institution, einen Verein oder gar die Kommune, um seine Hilfe anzubieten“. Entsprechend herausfordernd war es, gewillte Kandidaten für die Ausbildung zu finden. Gleichzeitig wurde bei der Suche auch deutlich: „Es gibt in Coburg schon lange Menschen, die de facto als Kulturdolmetscher agieren, ohne je eine Ausbildung bekommen zu haben oder sich selbst so zu nennen“ und deren Hilfe sei entscheidend für den Integrationsprozess in der Stadt.
Bleibende Herausforderung
Die ersten Coburger Kulturdolmetscher sind mittlerweile regelmäßig im Einsatz; 2024 soll laut Klein die nächste Ausbildungs-Runde durchgeführt werden. „Integration ist ein Lernprozess, der nie zu Ende ist“, sagt Klein und je unterschiedlicher die Zuwanderer seien, die in Zukunft kommen, desto mehr werde man sich als Stadt auf Menschen aus anderen Kulturkreisen und mit anderen Religionen einstellen müssen und sei hierbei auch auf die Hilfe der Kulturdolmetscher angewiesen. „Der Bedarf für die Kommunen hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. Auf die immer heterogener werdende Gesellschaft muss man reagieren, damit wirklich alle Bürger einen Zugang haben und sich willkommen fühlen“, sagt Klein.


