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Das Onlinezugangsgesetz - ein Milliarden-Eintopf, Digitalisierung ohne Geschmack und Verstand, meint unser Gastautor
Das Onlinezugangsgesetz - ein Milliarden-Eintopf, Digitalisierung ohne Geschmack und Verstand, meint unser Gastautor
© Thorsten Bullerdiek

Digitalisierungs-Eintopf

Onlinezugangsgesetz: Das Märchen von der Digitalisierung

von Thorsten Bullerdiek
28. Juni 2021
Egal, ob es schmeckt - alles muss rein. In Sachen Digitalisierung setzt Deutschland weiter auf einen Eintopf. Einen Milliarden-Eintopf. Doch "besser kochen mit Monopol" ist kein Erfolgsrezept, meint unser Gastautor und rührt in seinem Kommentar den Eintopf Onlinezugangsgesetz noch einmal um - und würzt seinen Text ordentlich mit Salz und Pfeffer- wir wünschen Guten Appetit.

Wir erzählen Ihnen hier die wenig schmackhafte Geschichte vom Onlinezugangsgesetz: Es begab sich zu einer Zeit, als die Welt über Deutschlands Digitalisierungsbemühungen immer lauter lachte, die Wirtschaft große Probleme für den Wirtschaftsstandort Deutschland aufkommen sah und die Bürger mehr online erledigen wollten. Ab dem Jahr 2015 wurde immer wieder darüber nachgedacht, wie man mit einem Schlag alle Probleme lösen könnte. Jeder wollte und konnte mitreden. Wer mit Amazon, ebay und Google arbeitete, merkte, dass Digitalisierung funktionieren kann. Bestellt, bezahlt und geliefert. Retouren problemfrei. Der Kunde ist König.

Onlinezugangsgesetz: Der Koch, ein Rezept und das Waschbecken

Da wollten Bund und Länder nicht nachstehen. Es wurde gegrübelt und geplant. Dann kam die zündende Idee: Ein Eintopf sollte es werden. Ein Eintopf? „Ja, ein Eintopf kann äußerst lecker sein und wir lösen damit alles auf einmal“, erklärte der Bundeskoch für Digitalisierung, auch „CIO“ genannt seinen Hilfsköchen aus den Ländern. So dachte sich der Bundeskoch das Rezept für die Digitalisierung in Deutschland aus: ein Portal für alle, über das alle Verwaltungsleistungen digital abgewickelt werden können. Einfach gedacht und schnell gemacht wurde das Rezept: das Onlinezugangsgesetz (OZG). Darin steht der Wunsch des Bundes, dass die Bürger 575 Verwaltungsleistungen ab 01.01.2023 online erhalten sollen.

Zutat Nummer 1: Geld, und zwar in Unmengen...

Mit etwas Geld überzeugte der Bundeskoch schnell die Länder und übertrug ihnen auch die besonders schwierige Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes mit den Kommunen und den Bürgern. Alle dachten, dass die Zutaten, der Koch und vieles andere vom Gastgeber, dem Bund, finanziert müssen werden. Das versteht sich eigentlich von selbst. Denn die Gäste werden unleidlich, wenn sie zwar eingeladen werden, aber am Schluss doch bezahlen müssen. An dieser Stelle fiel ein Teil des Rezepts, der mit der Finanzierung, ins Waschbecken und war nur noch schwer lesbar. Der Bund interpretierte diesen Teil des kaum lesbaren Rezepts als Auftrag an die Länder, die Kommunen mit eigenem Geld zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes zu ertüchtigen. Die Länder wollten nichts auf dem Zettel erkennen. Auf jeden Fall kam kein Geld in den Kommunen an. Aber die Wünsche von Bund und Ländern.

Zutat Nummer 2: Alles muss rein, egal ob es schmeckt...

„Auf jeden Fall muss alles in diesen Eintopf rein! Egal ob es schmeckt, unverdaulich oder abgelaufen ist. Wir haben so viel Mist hier in der Küche, viele angefangene Päckchen, von denen keiner weiß, was drin ist. Unerledigte Projekte, Sachen die nicht funktionieren, völlig veraltete Ideen, die keiner haben will. Der Kram muss jetzt verarbeitet werden“, sagte der Bundeskoch. Nun wurde vereint geschnibbelt und geschält, alles in den Topf getan und umgerührt. Oh je! Unterschiedliche Garzeiten hatte keiner bedacht, ebenso die Wünsche der Gäste und die Finanzierung sollte auch noch auf dem Rücken der Städte und Gemeinden erfolgen.  Dazu noch unklare Zeitpläne, viele unkoordinierte Arbeitsgruppen, viel Beschäftigung für alle Verwaltungsebenen und unklare Verantwortlichkeiten tun das übrige. Hmm, das brodelt seltsam... 

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Wie man einen Milliarden-Eintopf anrichtet 

Nachdem alles mehrere Jahre gekocht wurde, bat der Bundeskoch zur ersten Geschmacksprobe. Doch keiner wollte probieren. Nun waren schon einige Millionen im Eintopf versenkt und er wollte und wollte nicht schmecken und noch schlimmer: selbst die Hilfsköche wollten nicht mehr probieren. „Och, wenn das keiner will, lassen wir uns doch vom Bundestag mal ein paar Milliarden geben, um neu zu kochen. Was viel kostet, schmeckt nachher auch besser“, sagte der Bundeskoch und seine Helfer aus den Ländern stimmten freudig zu. Gesagt, getan. Da gerade eine Pandemie schonungslos die Defizite der Digitalisierung aufzeigte, gab der Bundestag drei Milliarden Euro, mit denen Bund und Länder nun ihre Projekte neu kochen konnten. Dabei passten sie sorgsam auf kein Geld in die Kommunen zu geben.

Onlinezugangsgesetz: Besser kochen mit Monopol?

„Nur wir können gut kochen“, waren sich der Bundeskoch und seine Helfer aus den Ländern schnell einig. „Mehr Planwirtschaft wird uns helfen, zentrale Software zu basteln. Marktwirtschaftlich ist das nicht hinzubekommen. Zuviel Innovation und womöglich Konkurrenz. Das tut keinem Produkt gut. Das beste Beispiel ist das Heiraten in Deutschland. Es gibt nur ein Verfahren. Das gehört einer Firma, die gibt den Takt vor, legt die Preise fest (die die Kommunen bezahlen müssen) und alle bekommen das gleiche. „Wir nennen das „EfA“ (Einer für Alle) oder „AbE“ (Alle bezahlen Einen). „Das Monopol regelt alles und das Schöne dabei ist dass am Ende die Kommunen bezahlen. Damit sind wir fein raus. Das wird unser Erfolgsmodell. Wir wecken die Erwartungen, die die Städte und Gemeinden erfüllen und bezahlen dürfen. So lieben uns die Bürger“, erklärte der Bundeskoch.

So rühren und kochen sie noch heute bei Bund und Ländern. Nur die Kommunen nicht - sie schauen noch immer, wie sie den Bürger wirkliche Hilfe, wohlschmeckende Gerichte und guten Service zu erträglichen Preisen anbieten können. Aber das ist eine andere Geschichte…

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