Gericht
Schöffenwahl: Im Dienste des Rechtsstaats
Schöffenwahl: 600.000 neue Laienrichter
In diesen Tagen ist er ein gefragter Mann: Denn 2023 findet in Deutschland wieder eine Schöffenwahl statt. Rund 60.000 neue Laienrichter müssen gewählt werden. Eine wichtige Aufgabe haben dabei die Kommunen: Jede Gemeinde erarbeitet eine Vorschlagsliste mit Kandidaten aus ihrem Bereich, die dann öffentlich ausgelegt wird. In der Auslegefrist hat jeder Bürger die Möglichkeit, Einspruch gegen die Vorschläge zu erheben. Nach Ablauf der Einspruchsfrist wählt der Schöffenwahlausschuss dann die Schöffen für die Amts- und Landgerichte.
Die rechtlichen Voraussetzungen für das Amt des ehrenamtlichen Richters sind dabei übersichtlich. Bewerber müssen zwischen 25 und 70 Jahre alt sein, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und straffrei sein. Sie dürfen nicht als Inoffizieller Mitarbeiter für die Staatssicherheit der früheren DDR gearbeitet haben oder anderweitig gegen Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben.
Was Schöffen mitbringen sollten
„Das Wichtigste für einen Schöffen ist das Standing“, sagt Höhne. „Sie müssen im Beratungszimmer ihre Meinung vertreten können.“ Denn bei der Urteilsfindung zählt die Stimme des ehrenamtlichen Richters genau wie jene des hauptamtlichen Richters. „Und man darf nie vergessen: Man urteilt über Menschen“, so Höhne. „Es braucht Mut und das Bewusstsein dafür, dass man einem Menschen möglicherweise sein wichtigstes Gut, die Freiheit, nimmt.“ Schöffen müssten in der Lage sein, Fragen zu stellen und ein Gerichtsverfahren auch zu reflektieren.
Auch auf den Gemeindevertretern, die die Schöffenlisten aufstellen müssen, lastet deswegen eine große Verantwortung. „Wichtig ist, dass schon die Kommunen überlegen, ob die Kandidaten, die sich für ein Schöffenamt aufstellen lassen, wirklich für dieses Amt geeignet sind“, meint der Vertreter der Laienrichter.
Denn nur in den Kommunalvertretungen könnte man die Bewerber noch persönlich kennen. „Der Schöffenwahlausschuss, der hinterher über die Kandidaten entscheidet, prüft nur noch, ob genügend Männer oder Frauen gewählt werden, welche Berufe am Gericht vertreten sind und ob die Altersverteilung stimmt.“ Eine genaue Prüfung könne nur vor Ort, in den Gemeinden stattfinden. Zum Beispiel auch danach, ob ein möglicher Schöffe mit einer extremistischen Partei sympathisiert oder in der Vergangenheit entsprechend aufgefallen ist. „Leute, die im rechten Spektrum aktiv sind, kann man in den Kommunen noch aussieben“, meint Höhne.
Drängen Mitglieder der AfD in die Schöffenämter?
Persönlich geht er fest davon aus, dass etwa Anhänger der AfD besonders stark in die Schöffenämter drängen werden, um hinterher Urteile in ihre Richtung zu beeinflussen. In Sachsen oder Sachsen-Anhalt, wo in manchen Gegenden 35 bis 40 Prozent der Bevölkerung bei Wahlen ihre Stimme der AfD geben, sei es fast nicht zu vermeiden, dass auch AfDVertreter in den Schöffenämtern landeten. Auch auf der Bundesebene ist das mittlerweile als Problem erkannt worden: Bundesjustizminister Marco Buschmann stellte Mitte Januar einen Referentenentwurf zur Änderung des „Deutschen Richtergesetzes“ vor: Künftig soll niemand zu einem ehrenamtlichen Richter berufen werden können, bei dem Zweifel an seiner Verfassungstreue bestehen. Sollten diese Zweifel während der Amtszeit eines Schöffen aufkommen, muss das Gericht neu besetzt werden.
Kommunen sollen Werbung für Schöffenamt machen
„Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist unverzichtbar“, so Buschmann. „Unter keinen Umständen dürfen wir zulassen, dass Extremisten in unserem Land Recht sprechen.“ Auch ehrenamtliche Richter müssten „die Gewähr dafür bieten, jederzeit für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten." Was sich der Schöffenvertreter Höhne von den Kommunen wünscht? „Die Kommunen sollten Werbung für das Schöffenamt machen und über die Bedeutung des Amtes aufklären – und zwar nicht nur jetzt, wenn die Wahlen vor der Tür stehen.“ Dort, wo Schöffen über ihre Tätigkeit sprechen oder wo etwa an Volkshochschulen für das Amt geworben wird, gibt es aus der Erfahrung des Verbandes heraus auch stets genügend Bewerber.

Eigene Webseite zur Schöffenwahl
Der Bundesverband der ehrenamtlichen Richter hat deswegen zusammen mit dem Bundesjustizministerium auch eine eigene Website zur Schöffenwahl aufgesetzt. Dort können sich Interessierte über alle Aspekte des Amtes und des Wahlverfahrens informieren. „Was wir auf gar keinen Fall wollen, ist dagegen, dass einfach aus dem Melderegister die Namen von Kandidaten gezogen werden“, warnt Höhne. Das müsse laut Gesetz geschehen, wenn sich nicht genügend Kandidaten für das Schöffenamt melden würden. „Aber dann werden Menschen Schöffen, die keinerlei Vorkenntnisse haben und die an dem Ehrenamt mutmaßlich auch kein Interesse haben: Dem Verfahren und dem Angeklagten hilft das sicher nicht“, sagt Höhne.
Arbeitgeber gefragt
Und dann ist da die Rolle der Kommunen als Arbeitgeber. Denn während es mit privaten Arbeitgebern so gut wie nie Probleme bei der gesetzlich vorgeschriebenen Freistellung von Schöffen für ihr Ehrenamt gebe, sei das bei öffentlichen Arbeitgebern anders. „Als Präsident des Bundesverbands bekomme ich ja nur von den ganz schlimmen Fällen etwas mit“, sagt Höhne. „Aber das sind dann ganz oft die Gemeinde- oder Kreisverwaltungen.“ Dort würde man alles dafür tun, dass ehrenamtliche Richter weiterarbeiteten, anstatt ihr Ehrenamt wahrzunehmen. „Gerade Kommunen und Kreisverwaltungen sollten aber eigentlich besonders vorbildlich im Umgang mit Menschen sein, die ein für die Rechtsprechung so wichtiges Ehrenamt wahrnehmen.“
Andreas Höhne ist gern Schöffe
Selbst will sich Andreas Höhne auf jeden Fall weiter als Schöffe engagieren. „Wenn man dieses Ehrenamt ausübt, schaut man anders auf die Gesellschaft“, so der Thüringer. Man käme mit Dingen in Berührung, an die normale Menschen nicht einmal zu denken wagten – von Diebstahl über Drogen bis zu schlimmeren Verbrechen. „Man versucht dann unbewusst, auch sein eigenes Leben noch stärker an den Gesetzen auszurichten. Man bekommt mit, wie Sachverständige arbeiten und wie die Justiz funktioniert – das bereichert auch das eigene Leben.“ Und was passiert nach einem Urteil?
Psychologische Betreuung von Schöffen gewünscht
Grübeln Schöffen dann, ob das alles richtig war? „Ich habe es bislang geschafft, die Verfahren nicht mit nach Hause zu nehmen“, sagt Höhne. „Aber ich bin auch nur beim Amtsgericht.“ An den Landgerichten, wo es um Mord und Totschlag gehe, sei die Situation grundlegend anders. Dort seien viele Verfahren auch für die ehrenamtlichen Richter belastend. „Unser Verband fordert deswegen schon lange, dass alle, die mit solchen Fällen befasst sind, eine Möglichkeit zur psychologischen Betreuung bekommen sollten“, weiß Höhne aus seinem Verband, der rund 1.500 Mitglieder hat. „Denn ehrenamtliche Richter und Berufsrichter haben schließlich eines gemeinsam: Sie arbeiten für unseren Rechtsstaat.“