Erfahrungen
Umsatzsteuerrecht: Was die Umstellung Kommunen kostet
Umsatzsteuer schon eingeführt
Die erneute Verschiebung bedeutet für jede einzelne Kommune erst einmal: Der gesamte Personalaufwand und die dabei entstandenen Kosten waren in den vergangenen Jahren zunächst für die Katz. Schon aus diesem Grund hat sich Pasewalk, eine amtsfreie Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern im Landkreis Vorpommern Greifswald dafür entschieden, ab Januar diesen Jahres Umsatzsteuer abzuführen. Nicole Hermann, Leiterin des Amtes für Finanzen, erklärt die Gründe: „Die ganze Umstellung hat uns erheblich Zeit und Mühen gekostet und wir waren im Dezember 2022 einfach startklar. Das Rad jetzt wieder zurückzudrehen, um den ganzen Prozess dann neu zu beginnen, hat für uns einfach keinen Sinn gemacht.“ Die Eigenbetriebe mussten auf Umsatzsteuerfähigkeit geprüft, Buchhaltungssoftware angepasst, neue Konten und Verknüpfungen angelegt, neue Verträge ausgestellt und die Gebührenordnung überarbeitet werden. „Für diesen Prozess haben wir extra eine Kraft angestellt, die qualifizierte Kenntnisse im Steuerrecht hat und die Arbeit der Sachbearbeiter abschließend prüfen konnte.“ Immerhin geht die Kommune Pasewalk davon aus, dass die neue Umsatzsteuerpflicht sie am Jahresende eines nicht kosten wird: zusätzliches Geld.
Neues Umsatzsteuerrecht - Umstellung kostet Stadt 1,7 Millionen Euro
Zu einem anderen Schluss kam man in Recklinghausen. In einer Sondersitzung wurde in der Ruhrgebietsstadt beschlossen, den Prozess erst einmal auszusetzen. Die Stadt kalkuliert, dass sie das neue Recht etwa 1,7 Millionen Euro im Jahr kosten wird. „Wir haben alle Bereiche durchgeprüft: Gebäudemanagement, Schulen, Kultur, Sozialamt, Abwasser, Bauhof. Nach unserer Rechnung können wir die Mehrkosten durch den Vosteuerabzug nicht in voller Höhe wieder hereinbekommen.“ Außerdem, so der Erste Beigeordneter und Stadtkämmerer, habe man in Zeiten der Inflation beschlossen, die Bürger nicht zusätzlich zu belasten – bei den Gebühren etwa. Wäre das neue Recht ab Januar dieses Jahres umgesetzt worden, dann wären in Recklinghausen die Gebühren gesenkt worden, um erst dann die Mehrwertsteuer aufzuschlagen. Ebenso wollte man bei sozialen Einrichtungen verfahren. Ekkehard Grunwald nennt ein Beispiel: „Die Weihnachtssterne, die unsere Jugendwerkstatt jedes Jahr auf einem Basar verkaufen, wären um 19 Prozent im Verkaufspreis gestiegen. Damit hätten wir nur den guten Zweck bestraft.“

Im baden-württembergischen Forchtenberg ist viel von Frustration die Rede, wenn es um das neue Gesetz geht. „Mindestens unglücklich“, nennt Bürgermeister Michael Foss die kurzfristige Entscheidung des Bundes und man ahnt, dass er sich auch drastischer ausdrücken könnte. Hier hofft man, dass das Gesetz weder ab dem Jahr 2025 noch irgendwann später zur Anwendung kommen wird. Auch wenn die Kommune in die Umsetzung viel investiert hat. Allein 50.000 Euro hat man in Forchtenberg in externes Beratungs-Know-how und Schulungen investiert.
Bürgermeister kritisiert Gesetz als sinnlos
Bürgermeister Michael Foss stellt klar: „Dieses Gesetz macht einfach keinen Sinn, weil es nur ein theoretisches Problem behandelt. Kommunen stehen kaum jemals in Konkurrenz zu Unternehmen und haben auch gar kein Interesse daran, in Konkurrenz zu treten. Zudem ist für die Bürgerschaft absolut kein Mehrwert erkennbar.“ Hier werden nur völlig unnötig Steuergelder des Bürgers von einem Säckel in das andere geschoben. Wie hinreichend bekannt, hätten die Kommunen schon jetzt genug damit zu tun, die stetig wachsenden Zusatzaufgaben – etwa die Unterbringung von Flüchtlingen – zu stemmen. Das sehen viele Kommunen ähnlich. Die Mehrheit der Kommunen hat die Optionsregelung daher genutzt, noch keine Umsatzsteuer einzuführen. Stattdessen, meint Michael Foss, solle die Politik sich endlich mit aller Kraft jenen Themen widmen, die wirklich drängend seien: Entbürokratisierung, Lichtung des kommunalen Aufgabendschungels, Energiewende und eine zukunftsfähige Mobilität.

