Zwangsvollstreckung von Grundsteuerschulden

Mit Beschluss vom 21. Mai 2013 hatte das Amtsgericht Burgwedel die Zwangsversteigerung angeordnet. Der dagegen gerichteten Erinnerung der Schuldnerin hatte es nicht abgeholfen. Das Landgericht Hannover wies die sofortige Beschwerde zurück. Mit der vom Landgericht zum Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsbeschwerde wollte die Schuldnerin erreichen, dass die Anordnung der Zwangsversteigerung aufgehoben und der Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch gelöscht wird. Sie argumentierte, dass eine Einzelzwangsvollstreckung von Gläubigern nach Verfahrenseröffnung nach französischem Recht nicht vorgesehen ist und vertrat die Auffassung, dass die von der Gemeinde Wedemark angestrengte Zwangsversteigerung nach deutschem Recht, nämlich nach § 12 GrStG i. V. m. § 77 AO, unzulässig sei. Der Bundesgerichtshof nahm die Rechtsbeschwerde an und führte dazu aus, dass nach deutschem Recht Grundsteuerforderungen, die zu der Anordnung der Zwangsversteigerung geführt haben, öffentliche Lasten gemäß § 12 GrStG sind. Sie sind dingliche Verwertungsrechte, die zu einer Haftung des Grundstücks führen, die bei dessen Veräußerung bestehen bleiben, Dritten entgegengehalten werden können und in der Insolvenz ein Absonderungsrecht begründen. Der Eigentümer muss gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AO die Zwangsvollstreckung in das Grundstück dulden.
Zwangsvollstreckung - Der Europäische Gerichtshof soll entscheiden
Der Bundesgerichtshof vertrat jedoch die Auffassung, dass es der Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf, ob § 12 GrStG mit EU-Recht vereinbar ist, und legte ihm die Frage zur Vorabentscheidung vor, „ob der Begriff des dinglichen Rechts gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG 2000 Nr. L 160 S. 1) eine nationale Regelung erfasst, wie sie in § 12 Grundsteuergesetz i. V. m. § 77 Abs.2 Satz 1 der Abgabenordnung enthalten ist, wonach Grundsteuerforderungen kraft Gesetzes als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen und der Eigentümer insoweit die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz dulden muss“.

Am 26. Oktober des vergangenen Jahres erging in der Rechtssache C-195/15 des Europäischen Gerichtshofes nun das Urteil, wonach eine zugunsten der Steuerverwaltung auf einem Grundstück ruhende öffentliche Last i. S. des § 12 GrStG unter den Begriff des Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren fällt und somit mit EU-Recht vereinbar ist. Damit ist eine Zwangsvollstreckung für Kommunen in Grundstücke wegen rückständiger Grundsteuern auch bei französischen Unternehmen, die sich in einem Betriebssanierungsverfahren befinden, in Deutschland möglich. Das Urteil hat bundesweite Auswirkungen auf die Kommunen. Schuldner aus anderen Mitgliedsstaaten, die Grundstücke in der Bundesrepublik besitzen, können Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von deutschen Kommunen unter Hinweis auf entgegenstehendes nationales Insolvenzrecht künftig nicht mehr abwenden. Nun folgt der Rücklauf vom EuGH zum BGH, und dann kann Wedemark die Zwangsvollstreckung endlich durchsetzen. Dieser Artikel erscheint auch in der aktuellen Print-Ausgabe der KOMMUNAL. Ab dem 24. März liegt die Ausgabe wieder in den Briefkästen unserer rund 100.000 Abonnenten und ist auch am Kiosk wieder verfügbar.