Baustandards einfach ignorieren
Das Finanz-Geheimnis von Wallmerod
Erfolgreich wirtschaften, das heißt auch: klug investieren
"Unterirdisch" nennt Klaus Lütkefedder die kommunale Finanzausstattung des Landes Rheinland-Pfalz. Aber er sagt das lachend und wenig beeindruckt. Dafür steht seine Verbandsgemeinde einfach zu gut da. "Unser Erfolgskonzept lässt sich in wenigen Punkten zusammenfassen: den gesunden Menschenverstand walten lassen, unnötige Ausgaben konsequent vermeiden und nur dort investieren, wo es auch wirklich auf lange Sicht etwas bringt", sagt er und nennt auch gleich ein Beispiel: Die Verbandsgemeinde hat alle kommunalen Liegenschaften energetisch saniert und - wo immer es möglich war - mit Photovoltaik zugepflastert. Ein Nahwärmenetz und ein Blockheizkraftwerk produzieren saubere Energie. Das Ergebnis: In zehn Jahren wurde ein Drittel an Energie eingespart. Die Verbandsgemeinde Wallmerod produziert heute 50 Prozent mehr Strom als sie verbraucht. "Durch die Einspeisungsvergütung landen so jedes Jahr zusätzliche 85.000 Euro in unserer Haushaltskasse", bilanziert der Bürgermeister.
Outsourcen von Leistungen? Nicht in Wallmerod
Lange galt es als en vogue, Dienstleistungen auszulagern. In Wallmerod ist man den gegenteiligen Weg gegangen. Mindestens fünf Leute hat die Verbandgemeinde alleine im Gebäudemanagement seit 2010 neu eingestellt. Ihre Aufgabe: Bauüberwachung. Die Folge: Den Bauherren wird akribisch auf die Finger gesehen. Das neue Schwimmbad? Wurde innerhalb des Kostenrahmens gebaut. Das neue Schulgebäude? Wurde 100.000 Euro billiger als es der Finanzplan vorsah. Eine Seltenheit in einem Land, in dem die Kosten gerne während der Bauzeit explodieren. Klaus Lütkefedder: "Wir gucken uns in Wallmerod gerne auch das Eingemachte an, weil Architekten oft teure Lösungen anbieten, einfach weil es so üblich ist. Jede Handwerkerstunde weniger ist für uns bares Geld. In der Schule haben wir zum Beispiel bei den Fenstern auf der Nordseite auf Jalousien verzichtet. Das machte einfach keinen Sinn. Allein damit haben wir 10.000 Euro eingespart."Er rechnet vor: 60.000 Euro koste die Verbandsgemeinde die Bauüberwachung im Jahr. Aber wenn die Stadt dadurch 100.000 Euro einspare, dann sei das gut investiertes Geld.
Fehlerkultur? Unbedingt
In Wallmerod weiß jeder: Der Bürgermeister hält für Fehler gerne den Kopf hin. Für das Schuldhaben werde er ja schließlich bezahlt. "Wenn was in die Bux geht, dann wissen meine Leute: Der Bürgermeister will durch den Verursacher informiert werden und zwar sofort. Denn erfahren wird er es sowieso", sagt Klaus Lütkefedder schmunzelnd. "Dazu gehört aber auch, dass ich meinen Leuten etwas zutraue und sie auch einfach mal machen lasse. Rechnungen unter 1.000 Euro lasse ich mir überhaupt nicht vorlegen. Das schafft Vertrauen und es schafft Identifikation. Kein unwesentlicher Punkt in einer Zeit, wo Kommunen oftmals Probleme haben, überhaupt Personal zu finden."
Kredite? Durchaus, aber nicht für die Liquidität
Nun ist es nicht so, dass Wallmerod gar keine Kredite bedienen müsste. Aber Kredite für Liquiditätsengpässe sind in der Verbandsgemeine tabu. Manchmal würden Schulden sogar Sinn machen, meint der Bürgermeister. Wenn es zum Beispiel um Investitionen gehe, um Wallmerod noch zukunftsfähiger zu machen. Langfristig, erklärt Klaus Lütkefedder, wolle man allerdings schuldenfrei dastehen. Wo andere Kommunen darüber nachdenken, kommunale Leistungen einzuschränken, abzubauen oder Steuern und Abgaben zu erhöhen, gibt es in Wallmerod dafür gar keinen Anlass.
Baustandards? In Wallmerod setzt man sich gerne darüber weg
Viele Kommunen in Rheinland-Pfalz ächzen unter Schuldenbergen. Mit ein Grund dafür sind für Klaus Lütkefedder die teilweise unsinnig hohen Baustandards. Standards über die sich seine Verbandsgemeinde gerne mal hinwegsetzt. Weil sie die Investitionskosten, aber auch die laufenden Kosten unsinnig in die Höhe treiben. Er nennt ein Beispiel, hat aber Dutzende im Kopf. "Normalerweise haben Sportarenen vier Laufbahnen. Das ist Standard. Wir haben nur zwei gebaut, weil die anderen gar nicht benutzt worden wären. Die anderen beiden haben wir asphaltiert, da fahren jetzt die Inlineskater. Für solche Entscheidungen lasse ich mich höheren Orts gerne verbal verprügeln." Wenn es um Baustandards geht, spricht der Bürgermeister gerne mal persönlich mit den Handwerkern. Frage: Würdest Du das auch zuhause machen? "Sie werden sich wundern, wie oft das verneint wird." Ein weiterer Grund, warum in Deutschland gerne Geld in den Sand gesetzt wird: die Vergabe von Fördermitteln. Klaus Lütkefedder schüttelt den Kopf: "Wenn in Deutschland Standards nicht eingehalten werden, dann müssen die Fördergelder zurückbezahlt werden. Das ist Unsinn erster Güte. Wir müssten stattdessen die Kommunen belohnen, die Geld eingespart haben, weil sie unsinnige oder nicht benötigte Standards gestrichen haben."

Schuldenschnitt für Kommunen? Ändert nicht unbedingt etwas
Den von vielen Kommunen geforderten Schuldenschnitt sieht Klaus Lütkefedder eher skeptisch: "Generell muss man als Kommune finanziell Land sehen. Wenn man das nicht tut, ist die Höhe der Verschuldung irgendwann auch egal. Generell ändert ein Schuldenschnitt nichts an schlechten Strukturen in manchen Regionen. Ohne langfristig tragbare Konzepte und Strategien, Kreativität und den Mut, Gewohntes immer wieder zu hinterfragen, wird sich daran auch nur wenig ändern."
Hier finden Sie die neuesten Zahlen über die Verschuldung unserer Kommunen.
