Ressourcenschutz
Materialkataster: Hier zählt jede Schraube
Materialkataster: Kleiner Aufwand
Um die notwendigen Daten für die Einstellung in eine Datenbank,in diesem Fall aufgebaut vom deutschen Architekten Thomas Rau, zu gewinnen, musste Alexandra Niedenhoff alte Archive, Grundsteuerbescheide und zum Teil auch regionale Historiker bemühen, weil die entsprechenden Bau-Unterlagen gar nicht mehr zu finden waren, berichtet sie. Zu den teils sehr alten kommunalen Liegenschaften brauchte sie folgende Angaben, um sie in das Kataster einzutragen: Baujahr, Fläche, Nutzung und Adresse. Ein hinter der Eingabemaske verborgener sogenannter "Urban Mining Screener" listet anhand dieser Angaben die aller Wahrscheinlichkeit nach verbauten Materialen auf und schätzt ihren Wert.
Alexandra Niedenhoff erläutert: "Bei den bereits bestehenden Gebäuden kann das Programm natürlich nur Schätzungen anbieten. Wenn es sich beispielsweise um eine Schule aus den 1950er Jahren handelt, dann weiß das Programm in etwa, was in dieser oder jener Region in diesen Jahrzehnten verbaut wurde." Bereits jetzt gebe es die Möglichkeit, die Materialien direkt aus dem Building Information Modeling (BIM) zu ziehen; eine Datenbank, die sowohl dreidimensionale Planungen des Gebäudes als auch Material-, Hersteller- und Kosten-Informationen enthält und dauerhaft speichert. Ein Gewinn für alle Beteiligten der Immobilienwirtschaft, die dann keine Schätzungen und Annahmen mehr treffen müssen, sondern bequem alle Informationen im System ablesen können.
Kein direkter Nutzen, aber Erkenntnisgewinne
Insgesamt ergab sich für alle 20 kommunalen Gebäude in Hebertshausen mit einer Bruttogrundfläche von 11.628 Quadratmetern eine interessante Datensammlung. 56 Kilotonnen wurden verbaut: Beton, Ton, Metall, Holz, anorganische Materialien, Kunststoffe und Kautschuk, Füllstoffe, Kalk, Zement, Bindemittel, Mörtel und Bitumen. Demontierbarkeit und Zirkularität. Künftig werden diese Wertstoffe mit in die Vermögenswerte einbezogen. Die Summe kann man derzeit nicht als Vermögenswert in die Bücher schreiben. Warum ist es trotzdem gut, diese Werte zu kennen? Alexandra Niedenhoff erklärt: "Derzeit interessieren bei Gebäuden nur der Sachwert, der Ertragswert, wenn es um Mieten geht, der Buch- beziehungsweise Abschreibungswert sowie der Verkehrswert beim Verkauf. Wir brauchen dringend auch die Angabe des Materialwerts. Erstens: Weil es sich hier tatsächlich um taxierbare Werte handelt. Zweitens: Weil wir es uns nicht mehr leisten können, das verbaute Material so achtlos und wenig wertschätzend zu behandeln wie bisher."
Materialkataster: Warum das die Zukunft ist
Denn Rohstoffe, sagt die Betriebswirtin, werden zunehmend knapper und knapper. Die zu erwartenden Folgen: Verteilungskämpfe. Umso wichtiger sei es, Sekundärrohstoffe, also bereits verwendete, wieder zurück in den Kreislauf zu bringen. Eine sehr wichtige Funktion käme dabei den Kommunen zu. "Die öffentliche Beschaffung macht 15 Prozent des BIP aus, davon wiederum liegen 60 Prozent in der kommunalen Beschaffung. Die Kommunen halten folglich einen sehr großen Hebel in der Hand, wenn eine Kreislaufwirtschaft im Bau gelingen soll."
Ziel sei, die verwendeten Materialien nach einem Rückbau in eine höhere oder zumindest eine gleichwertige Nutzung zurückzubringen. Gelingen kann das aber nur, wenn ein Neubau keine schädlichen Materialien und keine Verbundmaterialien mehr enthält, die sortenrein nicht zu trennen sind. Für die alten Gebäude gilt das natürlich nicht. Allein schon die früher üblichen Asbestanteile müssen aufwendig entsorgt werden. Dies gilt für alle Gebäude in Deutschland mit Baujahren vor 1993, als der Einbau von asbesthaltigen Materialien gesetzlich verboten wurde.

Der Aufwand an Zeit und Geld ist überschaubar
Alexandra Niedenhoff hat die Angaben für die 20 kommunale Liegenschaften per Hand eingegeben. Das Programm, sagt sie, könne aber auch vorhandene Daten aus Tabellen automatisch einlesen. Für größere Kommunen mit einigen Hundert Gebäuden ist der Aufwand natürlich größer. "Aber das sind keine Arbeiten, die mit einer großen Expertise einhergehen. Das können auch Hospitanten oder Studentinnen und Studenten erledigen." Auch der finanzielle Aufwand sei gering: eine kleine Grundgebühr und eine jährliche Gebühr pro Gebäude.
Materialkataster: Die Vorteile zeigen sich erst später
Sie zeigt sich überzeugt davon, dass ein Materialkataster auf dem Weg zur „Stadt als Rohstofflager“ unumgänglich ist und schon bald Standard sein wird. Ebenso wie eine sogenannte Rückwärtslogistik, die es derzeit erst in Ansätzen gibt. In dieser Entwicklung sieht sie große Chancen - etwa für Start-ups und Existenzgründer. Kommunen könnten davon erheblich profitieren. Zum Beispiel, wenn es darum geht, neue Gewerbe anzuziehen und höhere Gewerbesteuern zu generieren: "Alles hängt mit allem zusammen und wer sich jetzt nicht bewegt, der wird von den Standortvorteilen weniger profitieren können als die Vorreiter", unterstreicht die Betriebswirtin.
In Hebertshausen ist man schon einen Schritt weiter
Neubauten in Hebertshausen? Die werden zukünftig einen Materialpass bekommen. Auf die Planungen für das neue Gesundheitshaus konnte Alexandra Niedenhoff - sie ist erst seit einem halben Jahr bei der Kommune beschäftigt - noch keinen Einfluss nehmen. Die seien, sagt sie, noch "in der alten Welt" erfolgt. Aber sie sitzt schon an einer Konzeption, wie zukünftige Neubauten so geplant werden können, dass sie den neuen Standards entsprechen, die sich die Kommune in Sachen Bauen selbst gesetzt hat: enkelfähig, rückbau- und recyclefähig. Bei Alexandra Niedenhoff klingt das so: "Ich habe Verantwortung über den Lebenszyklus eines Gebäudes und der will ich gerecht werden." Etwa durch die Verwendung von zementfreiem Beton.

Finanzielle Vorteile für Kommunen, die sich frühzeitig bewegen
Durch die umfangreichen Berichtspflichten und insbesondere die EU-Taxonomie wird zukünftig auch die Kommune als Bestandshalterin - wie Unternehmen auch - von Gebäuden ihre sogenannte „Green Asset Ratio“ ausweisen müssen. Der Bestand wird dann mehr oder weniger werthaltig sein, denn auf nicht rückbaubare Gebäude mit problematischem Materialmix kommen in Zukunft erhebliche Entsorgungskosten zu, die eines Tages auch zu einer schlechteren Bewertung seitens der Finanzierer führen werden.
Alexandra Niedenhoff bilanziert: "Im Moment gibt es noch keine Pflicht, diese Vorgänge in der Bilanz als einen drohenden Verlust auszuweisen, aber sobald es so weit ist, wird sich das auf den Immobilienwert erheblich auswirken. Meine Annahme ist, dass für geplante zirkuläre Gebäude die Finanzierer bessere Kreditkonditionen gewähren werden; das gibt es teilweise heute schon für energieoptimierte Gebäude." Außerdem könnten Kommunen zukünftig einen Kostenvorteil verbuchen, wenn sie Gebäude nicht auf Null abschreiben, denn ein zirkuläres Gebäude sei werthaltiger als ein lineares. "Da die Kommunen – anders als privatwirtschaftliche Akteure – kein Interesse daran haben, Vermögenswerte im Schnellverfahren herunterzurechnen, ist das ein erheblicher Vorteil gegenüber herkömmlichen Gebäuden."
Einen Marktplatz für gebrauchte Baumaterialien gibt es derzeit natürlich nur in Ansätzen. Eine Linksammlung zu Marktplätzen für gebrauchte Bauteile und Baustoffe sowie eine Themensammlung zum Materialkreislauf der Zukunft finden Sie hier.