Klimaneutralität
Ein Bürgermeister eigens für den Klimaschutz
Raoul Schmidt-Lamontain: Darüber kann ich nur spekulieren, weil ich in die Entscheidungsfindung ja nicht eingebunden war. Angesichts der Dringlichkeit der Aufgaben ging es wahrscheinlich darum, die einzelnen Bereiche zu bündeln sowie Prioritäten zu benennen. Da der Klimaschutz bei uns in der Verwaltung so hoch angesiedelt ist, können wir auch auf dieser Ebene Entscheidungen und deren Umsetzungen mit einer anderen Durchsetzungskraft angehen als das anderswo der Fall ist. Das Dezernat bündelt vier Ämter: das klassische Umweltamt mit Klimaschutz- und Energieabteilung, das Landschafts- und Forstamt, die Abfallwirtschaft und – das ist, glaube ich, nirgendwo so – das Amt für Mobilität. Der Baubereich als dritter großer CO₂-Emittent ist weiterhin ein eigenes Dezernat, hier kooperieren wir eng.
KOMMUNAL: Was genau sind Ihre Aufgaben als Klimaschutz-Bürgermeister?
An mir ist es, die konsequente Verfolgung aller Maßnahmen voranzutreiben, die wir uns als Stadt in Sachen Klimaschutz gesetzt haben, und auch die Voraussetzungen für die Ämter zu schaffen, damit wir unsere Ziele bestmöglich erreichen können. Ein ganz wesentlicher Aspekt meiner Arbeit ist die politische Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Natürlich bin ich als Bürgermeister nur punktuell in die praktische Umsetzung von Klimaschutzprojekten involviert. Das unterscheidet meine Arbeit von den eher praktisch ausgerichteten Klimaschutzmanagerinnen und -managern.
KOMMUNAL: Gibt es konkrete Zielsetzungen, an denen Sie sich und Ihre Arbeit messen lassen wollen?
Heidelberg ist Teil der EU-Mission „100 klimaneutrale und smarte Städte“. Als Modellstadt verfolgen diese Städte das Ziel der Klimaneutralität bis 2030. Das ist sehr ambitioniert und sicherlich nicht in allen Bereichen zu schaffen. In der Energie- und Wärmeversorgung sind wir aber schon auf einem guten Weg. Im Bereich Mobilität sieht es schlechter aus, weil wir hier als Kommune natürlich nicht auf alle Komponenten Einfluss haben. Dafür brauchen wir die Heidelberger Bürgerinnen und Bürger und setzen dabei auch auf Beratung und Anreize für einen Umstieg – etwa auf vergünstigte ÖPNV-Angebote. Große Hoffnung macht uns, dass wir eine Bürgerschaft haben, in der die Notwendigkeiten im Klimaschutz längst so etwas wie common sense ist. Das erleben wir immer wieder. Zum Beispiel bei unseren Landwirten, die sich extrem für mehr Biodiversität engagieren.
KOMMUNAL: Wie würden Sie die Herausforderungen – speziell in Heidelberg – beschreiben?
Da gibt es einige. Zum Beispiel sind wir in Sachen Photovoltaik noch nicht da, wo wir hinwollen. Der weitgehend intakt gebliebene Altbaubestand in der Altstadt lässt sich weder ganz einfach mit PV-Anlagen bestücken, noch sind energetische Sanierung einfach umzusetzen. Außerdem setzt uns die Topografie Grenzen. Neben vielen ebenen Flächen gibt es auch Hanglagen, welche den schnellen Ausbau des Fernwärmenetzes behindern. Im Bereich Mobilität müssen wir damit umgehen, dass es in Heidelberg sehr viele Pendler gibt: Sowohl Menschen, die hier leben, aber woanders arbeiten, als auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Heidelberg arbeiten und auswärts wohnen. Um diese Menschen für den ÖPNV zu gewinnen, bedarf es auch der Kooperation mit Nachbarkommunen. An entsprechenden Konzepten arbeiten wir gemeinsam.
KOMMUNAL: Klimaschutz braucht Investitionen. Was lässt sich Ihre Kommune Klimaschutz kosten, gemessen am Gesamthaushalt?
Genaue Zahlen zu nennen, gestaltet sich sehr schwierig, weil ein großer Teil unserer Projekte gar nicht Teil des kommunalen Haushaltes ist, sondern bei städtischen Tochterfirmen – zum Beispiel bei den Stadtwerken – in den Büchern stehen. Da werden teilweise sehr große Summen bewegt, die wir als Kommune zum Teil mit Bürgschaften absichern, etwa für eine Flusswasser-Wärmepumpe und diverse Windkraftanlagen. Solche Projekte werden es uns in einigen Jahren ermöglichen, große CO₂-Einsparungen vorzunehmen. Generell kann man sagen: Wir geben derzeit sehr viel Geld aus. Mehrere Dutzend Millionen Euro im Jahr.

KOMMUNAL: Bürgermeister mit dem Schwerpunkt Klimaschutz sind in deutschen Großstädten noch die Ausnahme. Was spricht aus Ihrer Sicht dafür?
Meines Wissens gibt es dieses Amt – jedenfalls mit diesem Titel – bislang sonst nur in Würzburg. Die Vorteile, die ich sehe: Ein Bürgermeister, eine Bürgermeisterin, mit diesem speziellen Themenschwerpunkt bringt eine andere Konzentration, einen anderen Fokus und ein anderes Zeitkontingent ein. Natürlich kann man sagen: Klimaschutz ist ein Querschnittsthema in allen Bereichen kommunalen Handelns. Dann muss man allerdings auch damit leben, dass dieses wesentliche Zukunftsthema mehr als einmal in den Hintergrund gerät. In meinem Team profitieren wir zudem davon, dass wir eine gemeinsame Haltung zu diesem Thema haben und wir viel in unsere Führungs- und Fehlerkultur investiert haben. Bei uns dürfen auch Entscheidungen auf niedrigeren Ebenen gefällt werden. Wenn dann Fehler passieren – lernen wir alle daraus.
KOMMUNAL: Klimaschutzmaßnahmen stehen aktuell nicht mehr ganz oben auf der politischen Agenda. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung – speziell aus kommunaler Sicht?
Zum Teil habe ich Verständnis dafür, weil der Krisen weltweit einfach zu viele sind. Allerdings müssen wir immer wieder klarmachen: Wenn wir den Klimawandel nicht mit vereinten Kräften aufhalten, wird das Einfluss auf alle anderen Themen haben: Ernährung, Migration, Krieg oder Frieden. Es geht nicht nur darum, wie viel CO₂ wir zukünftig einsparen. Es geht auch um die globale Stabilität. Je unabhängiger wir in allen wichtigen Bereichen der Daseinsvorsorge werden, desto resilienter werden wir auch und das zahlt wiederum auf den Klimaschutz ein. Daran müssen wir in der Europäischen Union arbeiten, ebenso wie auf Bundes- und Länderebene. Ohne entsprechende Rahmenbedingungen können wir als Kommunen zu wenig bewegen.
KOMMUNAL: Im Februar 2025 wird in Heidelberg ein Doppelhaushalt 2025/2026 beraten. Was erwarten Sie als Ergebnis? Mehr oder eher weniger Geld für den Klimaschutz in Heidelberg?

Bis zur endgültigen Genehmigung durch die uns übergeordneten Behörden wird es vermutlich Herbst 2025 werden. Generell sind unsere wesentlichen Maßnahmen finanziell abgesichert. Der Haushalt wird auf jeden Fall ein schwieriger werden und mein Team wird noch einmal in Klausur gehen, um auch bei den Investitionen in den Klimaschutz Einsparpotentiale auszumachen. Bei unserer Förderkulisse für energetische Sanierungen haben wir beispielsweise Bausteine entdeckt, die auch durch den Bund gut gefördert werden und wo unsere Förderung wohl eher mitgenommen wird, aber nicht die Investition auslöst. Auch im ÖPNV denken wir zum Beispiel darüber nach, Buslinien effizienter miteinander zu verzahnen. Grundsätzlich denke ich: Krisen, auch Haushaltskrisen, bieten immer auch Chancen, besser zu werden und effizienter.

