Energiepolitik
Auf dem Weg zur kommunalen Wärmeplanung
Alte Anlagen austauschen oder gleich wechseln? Was zur Entscheidung führte
Die Idee für die Fernwärmeleitung nach Premnitz ist ursprünglich beim Bier entstanden. Das sagt der technische Geschäftsführer der Stadtwerke, Gunter Haase. Denn das wichtigste Heizkraftwerk der Stadt sei in die Jahre gekommen. „Wir standen vor der Frage: Tauschen wir die Anlagen aus, machen wir weiter wie bisher, oder machen wir was Anderes?“, so Haase. „Und da fiel uns auf: In Premnitz gibt es Abwärme ohne Ende – und wir verbrennen weiter Gas, um Wärme zu verbrennen.“ Da könnte man doch eine Leitung bauen. Zunächst wurde Haase für seine Idee ausgelacht. Doch dann sah man an einem Beispiel aus Rheinland-Pfalz: Es könnte klappen. Am Ende werden es zwar rund 43 Millionen Euro sein, die das Projekt die Stadtwerke kostete. Aber dank der Wärmeversorgung aus Premnitz können die Stadtwerke in Brandenburg (Havel) die Fernwärme perspektivisch für 95 Euro pro Megawattstunde anbieten. Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei 147 Euro.
Freilich, auf das ganze Land übertragbar ist das Projekt aus Brandenburg (Havel) nicht. Nicht überall gibt es Müllverbrennungsanlagen, die man für die Wärmeversorgung mitnutzen kann. Nicht überall gibt es Stahlwerke oder Industriebetriebe, deren Abwärme man nutzen kann. Das gilt selbst für die kreisfreie Stadt in Brandenburg: In einigen Ortsteilen werde man künftig eher auf Wärmepumpen oder auf strombetriebene Heizungen setzen, so Haase. „Es wird nicht die eine Lösung für die ganze Stadt geben“. In einer engen, historischen gewachsenen Innenstadt sind Fernwärmeleitungen nicht ohne Weiteres verlegbar. „Dort kommen sofort die Archäologen“, warnt der Geschäftsführer der Stadtwerke. „Und dann kann das Verlegen einer Leitung richtig lange dauern.“ Dazu kommt, dass das Errichten einer Fernwärmeleitung heute nicht mehr ohne Weiteres möglich ist: „Die Baufirmen würden gerne bauen, ihnen fehlt aber das dafür nötige Personal.“
Deswegen setzt auch Brandenburg an der Havel auf die Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung, die in Deutschland seit diesem Jahr verpflichtend ist: Für Gemeindegebiete mit mehr als 100.000 Einwohnern muss nach dem neuen Wärmeplanungsgesetz bis zum 30. Juni 2026 ein Wärmeplan erstellt werden. Für alle Gemeindegebiete mit weniger Einwohnern besteht Zeit bis zum 30. Juni 2028. Nach Angaben des Bundesbauministeriums ist bereits jede fünfte Stadt mit einer kommunalen Wärmeplanung beschäftigt. Und mancherorts werden dabei sogar Grenzen überschritten: Die Doppelstädte Straßburg und Kehl sowie Görlitz und Zgorzelec zeigten, dass eine grenzüberschreitende Wärmeversorgung möglich sei: An der deutsch-französischen Grenze werde voraussichtlich ab 2027 die unvermeidbare Abwärme des lokalen Stahlwerkes tausende Haushalte auf beiden Seiten des Rheins mit Wärme versorgen. Und an der deutsch-polnischen Grenze sei eine klimaneutrale Fernwärmeerzeugung ab dem Jahr 2030 vorgesehen.
Die kommunale Wärmeplanung ist nicht nur in Großstädten ein Thema - auch kleine Kommunen müssen sich kümmern
Auch viele kleine Gemeinden haben sich in Sachen Wärmeplanung schon auf den Weg gemacht: In Körle, einem 3000 Einwohner Dorf in der Nähe von Kassel etwa. Als vor einigen Jahren das Neubaugebiet „Auf dem Hollunder“ entstand, hatte sich die hessische Gemeinde dazu entschlossen, dort ein mit Holzhackschnitzeln betriebenes Heizkraftwerk zur Nahwärmeversorgung zu installieren. „Wir haben damals festgelegt, dass in diesem Baugebiet verbindlich Nahwärme bezogen werden muss“, erinnert sich Bürgermeister Mario Gerhold. Als dann einige Jahre später eine Schule eine neue Heizungsanlage benötigte, entstand ein zweites Kraftwerk. Doch statt damit nur öffentliche Gebäude zu beheizen, ging die Gemeinde auch hier auf Anlieger zu. Das zweite Nahwärmenetz „Am alten Schulgarten“ enstand. Heute werden in Körle immerhin 120 Gebäude mit Nahwärme versorgt. Doch über 70 Prozent der Häuser des Ortes verfeuern immer noch Heizöl über eine Ölzentralheizug.
Die Gemeinde will deswegen prüfen lassen, welche weiteren Möglichkeiten sie zur Wärmeerzeugung hat. Mit dem Gutachten war man früh dran, „das war unser Glück“, freut sich Gerhold. Denn als Körle die kommunale Wärmeplanung ausgeschrieben habe, gab es noch mehrere Büros mit freien Kapazitäten, die sich auf die Ausschreibung meldeten. Dass es nicht bei den beiden Nahwärmenetzen bleiben kann, ist der Gemeinde dabei klar: „Denn auch die Nahwärme aus den Heizkraftwerken ist ja begrenzt - „auch weil die zur Verfügung stehende Holzmenge, die man dort verheizen kann, nicht unendlich ist.“ Gerade für einzeln stehende Einfamilienhäuser werde wohl nur die Wärmepumpe übrig bleiben, schätzt Gerhold ein. Doch die Gemeinde lässt auch die Nutzung von Geothermie sowie des Flusses Fulda für die Wärmeversorgung überprüfen. „Dass wir die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren müssen, ist ja nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine offensichtlich geworden.“
