Mobilität
Wie Bahnhofvorplätze neu gestaltet werden
An wen kann sich eine Kommune wenden, um ihren Bahnhof attraktiver zu machen?
Wenn es ein DB-Bahnhof ist: An unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Erster Ansprechpartner sind die Bahnhofsmangerinnen und Bahnhofsmanager. Sie kümmern sich mit ihren Teams darum, die Bahnhöfe ordentlich in Schuss zu halten, zu pflegen, zu warten und instandzusetzen. Das ist immer wieder eine Herausforderung, weil wir es immer auch mit Vandalismus zu tun haben. Gleichzeitig sind wir in den Einnahmen und den verfügbaren Mitteln limitiert. Deswegen müssen wir oft Prioritäten setzen: Beseitigen wir Graffiti, erhöhen wir Reinigungsintervalle oder schaffen wir attraktive Sitzmöbel an? Klar ist aber auch: Bahnhöfe und ihr Umfeld sind immer auch Gemeinschaftsaufgabe zwischen DB und Kommune.
Geht es also nur um Finanzen?
Nein. Weil wir als Infrastruktursparte der DB gemeinwohlorientiert sind, spielt auch das Thema Kundenzufriedenheit eine große Rolle. Wir wollen unsere Stationen für unsere Kunden und Fahrgäste weiterentwickeln und modernisieren. Das machen wir oft im Schulterschluss mit den Ländern und den Aufgabenträgern.
Was verstehen Sie unter Bahnhofsmodernisierung?
Wir betreiben 5.400 Personenbahnhöfe deutschlandweit. Davon sind viele schon barrierefrei und mit neuer Ausstattung versehen, etwa Kundeninformationssystemen wie Monitoren, Lautsprechern oder Wartemobiliar. Es gibt aber auch noch Bahnhöfe mit sehr niedrigen Bahnsteighöhen, die wir alle nach und nach im Rahmen von Programmen modernisieren, damit mehr Menschen barrierefrei den Zug nutzen können. Diese Programme sind oft Mischfinanzierungen: Es gibt Bundesmittel, die wir für Bahnhofsmodernisierungen bekommen. Aber auch Landesgelder investieren wir überall dort, wo die Länder höhere Standards bzw. den Modernisierungsprozess beschleunigen wollen.
Wofür genau sind Sie als DB zuständig? Nur für die Bahnsteige?
Reisende sehen den Bahnhof als Ganzes. Und dazu gehören natürlich die Bahnsteige mit Zuwegung, ein Bahnhofsgebäude und ein Vorplatz sowie das städtebauliche Umfeld. Finanzierungstechnisch ist dieser Bahnhof aber in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt: Der Bund hat uns gut aufgestellt, was Bahnsteige, Zuwegung, Beleuchtung und Kundeninformation betrifft. Bei den Bahnhofsgebäuden ist man dagegen bei der Bahnreform in den 90er Jahren davon ausgegangen, dass diese im Rahmen von Investitionen entwickelbare und rentable Immobilien sind und daher keine Förderung benötigen. Es hat sich aber gezeigt, dass dieses Modell nicht trägt. Vielerorts waren die Bahnhofsgebäude überdimensioniert und teuer in der Unterhaltung. Deshalb hat man eine Reihe von Empfangsgebäude verkaufen müssen. Mancherorts haben Kommunen daraus Bürgerhäuser, Kulturhäuser oder eine Volkshochschule gemacht: Das sind Beispiele für gelungene Nachnutzungen. Aber in mindestens ebenso vielen Fällen sind die Empfangsgebäude an Immobilienfonds oder externe Betreiber gegangen, zu denen die Kommunen teilweise bis heute keinen Kontakt finden.

Wie viele Bahnhofsgebäude gehören denn noch der Bahn?
Wir haben heute noch rund 700 Bahnhofsgebäude in ganz Deutschland im Bestand. Neu ist, dass der Bund das Bundesschienenwegeausbaugesetz, kurz BSWAG, verabschiedet hat. Darin werden die Bahnhofsgebäude nun auch als Teil der Infrastruktur aufgefasst und es gibt für die Instandhaltung endlich eine angemessene Finanzierungsgrundlage. Das ist ein sehr wichtiges und positives Signal für viele Kommunen. Dort, wo wir noch im Besitz des Gebäudes sind, können wir auf dieser Grundlage nun tätig werden. Wir wollen mit den Kommunen ins Gespräch kommen: Denn jedes Nutzungskonzept für ein Gebäude muss in der Nachbarschaft abgestimmt werden. Es muss in den Gesamtkontext hineinpassen. Und nicht zuletzt: Wir wissen, dass wir die Kundenzufriedenheit nur steigern können, wenn der ganze Knotenpunkt Bahnhof für die Reisenden attraktiver wird. Deshalb bringen wir in Zusammenarbeit mit Kommunen auch kleine, nachhaltige Empfangsgebäude aus Holz an Stationen voran, wo es bisher kein Bahnhofsgebäude gab, so wie zuletzt in Haar oder Zorneding bei München. Wir hoffen, gemeinsam mit interessierten Kommunen weitere innovative Projekte im Sinne der Reisenden entwickeln zu können.
Also auch den Bahnhofsvorplatz?
Genau. Wir wollen mit den Kommunen möglichst auch die Vorplatzgestaltung, Anschlussmobilität und Randbebauung betrachten. Und wir wollen auf die rückseitigen Ausgänge der Bahnhöfe, die in benachbarte Orts- und Stadtteile führen schauen. Wir wollen den Bahnhof als Gelenkpunkt einer städtebaulichen Entwicklung weiter vorantreiben. Viele Aufgabenträger haben sich in den letzten Jahrzehnten in unterschiedlicher Intensität eigene Stellen geschaffen, die daran bereits arbeiten. Als DB haben wir kein eigenes Finanzierungsinstrument für die Bahnhofsvorplätze: Denn die liegen in kommunaler Hoheit. Aber wir können den Dialog fördern, den Austausch über Best-Practice-Modelle, die die Kommunen selbst nicht alle im Blick haben können. Wir sehen unsere Stärke darin, dass wir vernetzen können: Zum Beispiel regionale Projekte mit anderen regionalen Projekten, aus denen man lernen kann. Wir können also ein Stück weit Informationsdrehscheibe sein, Ansprechpartner vermitteln, aber auch zu Finanzierungsinstrumenten beraten. Deswegen haben wir nun die Kompetenzstelle Bahnhofsvorplatz geschaffen. Mit ihr wollen wir für Kommunen ansprechbar sein und auf die Kommunen zugehen, aber auch auf die Länder und Aufgabenträger, um unsere Bahnhöfe langfristig attraktiver zu machen. Denn nur an attraktiven Bahnhöfen haben wir zufriedene Fahrgäste.
Wie sieht aus Ihrer Sicht denn der ideale Bahnhofsvorplatz aus?
Es gibt in der Stadt- und Verkehrsplanung ein ewiges Ringen darum, ob der Bahnhofsvorplatz ein Verkehrsplatz ist oder ob er ein Platz mit Aufenthalts- und Verweilqualität sein soll. Dieses „Entweder-oder“ hilft niemandem. Ich glaube, mit zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels und im Sinne der Klimaresilienz ist es wichtig, einen begrünten Vorplatz zu haben, der Menschen Schatten spendet. Gerade, wenn Reisende dort an heißen Sommertagen auf den Zug oder den Bus warten. Der ideale Vorplatz bietet für mich außerdem eine optimale Verknüpfung aller Verkehrsträger – also Bus, Taxi, Elektromobilität und Fahrrad. Und je weiter Sie aus einer Metropole nach draußen in die Fläche gehen, desto enger und kürzer müssen die Wege sein, damit die Bahn eine überzeugende Alternative zum Auto darstellen kann. Ein gutes Beispiel ist der Bahnhof Bitterfeld: Hier bauen wir aktuell eines der nachhaltigsten Empfangsgebäude Deutschlands. Zusammen mit der Stadt Bitterfeld-Wolfen gestalten wir in diesem Zuge auch das Bahnhofsumfeld neu: Das Bäckereigeschäft bekommt Platz für Außengastronomie und neben dem begrünten Vorplatz wird es einen modernisierter ZOB sowie Parkplätze für Fahrräder und Pkw geben.

Wie wichtig sind Parkplätze?
Natürlich brauchen wir Flächen für den ruhenden Verkehr. Aber da die umweltfreundliche Reise ja am Besten schon an der Haustür anfängt, mit dem Fahrrad oder dem E-Scooter, müssen wir natürlich auch genau für diese Angebote entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten vorsehen. Neben einfachen Fahrradständern gehören dazu heute auch Fahrradboxen, weil Fahrräder inzwischen so hochwertig sind. Das ist ein Phänomen, dass man früher nur vom Auto kannte: Ihr Fahrrad möchten Sie gut behütet wissen während Ihrer Reise.
Was wünscht sich die DB von Kommunen?
Wir wünschen uns neue Kontakte. Wir wissen, dass wir in der Vergangenheit recht defensiv waren, wenn es um die Bahnhofsgebäude und die Bahnhofsvorplätze ging. Mit der neuen Kompetenzstelle Bahnhofsvorplatz wollen wir zeigen: Wir suchen den Kontakt, wir suchen den Dialog. Wir können nicht an allen 5.400 Bahnhöfen gleichzeitig beginnen. Aber wir wollen uns gerne gemeinsam mit den Kommunen an der Standortentwicklung beteiligen. Ich wünsche mir eine Offenheit unter den neuen Bedingungen neue Chancen zu suchen.
Gibt es schon Bahnhöfe, an denen Sie nach diesem Konzept arbeiten?
Einige Beispiele habe ich ja bereits genannt. Nehmen Sie etwa den Bahnhof Coburg. Oder die Stationen entlang der Riedbahn, wo wir gerade die erste Generalsanierung gestartet haben. Entlang der Strecke gibt es ja nicht nur die großen Bahnhöfe Frankfurt/Main und Mannheim, sondern auch viele kleine Stationen, die wir zu zukunftsfähigen Bahnhöfen entwickeln. Und wenn wir der Bevölkerung zumuten, für die Generalsanierung die Strecke über fünf Monate zu sperren, dann wollen wir für die Menschen vor Ort auch sichtbare Verbesserungen schaffen. Unser Ziel ist, dass am Ende die Menschen sagen: „Es hat sich gelohnt, die fünf Monate durchzuhalten“. Deswegen packen wir dort gerade eine Vielzahl kleiner Bahnhöfe an, um sie fit zu machen.
Nachgehakt: Künftig kann sich also eine Bürgermeisterin einer Kleinstadt oder der Bürgermeister eines Dorfes an Sie wenden und Sie stecken zumindest mal die Köpfe zusammen?
Unbedingt. Wir suchen bewusst diesen Dialog beziehungsweise wir bauen den Dialog gerne aus. Wir wollen bauliche und planerische Synergien herbeiführen. Wenn bei uns gebaut wird, ergeben sich vielerorts auch Chancen für die Kommunen. Wir wollen mit den Kommunen besprechen, welche Projekte wir gemeinsam angehen können und wann Denn nur attraktive Bahnhöfe ziehen Fahrgäste an – und sorgen so dafür, dass auch langfristig weiter Züge an den Stationen halten.

