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  1. Praxis
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  3. Städte testen „Einfaches Bauen“
Schulbaustelle von oben
Hier soll das Modellprojekt „Erweiterungsbau der Grundschule Soldnerstraße“ in Fürth entstehen - im Idealfall mit vereinfachten Standards.
© Stadt Fürth

Umdenken am Bau

Städte testen „Einfaches Bauen“

von Dorothea Walchshäusl
Reporterin | KOMMUNAL
22. Juli 2024
Beim Pilotprojekt "Gebäudetyp e" werden in Bayern an verschiedenen Standorten die hohen Standards und Normen bei der Bauplanung hinterfragt. Mit dabei ist die Stadt Fürth. Das Bundesbauministerium hat jetzt eine Praxishilfe für "Einfaches Bauen" vorgelegt.

Geht es um kommunale Bauprojekte, hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verschärft. Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware, doch die Kosten für Neubauten sind enorm gestiegen. Zusätzlich erhöht werden diese durch die detailreichen Standards und Normen, die bei Neubauten gelten. Beim Pilotprojekt „Gebäudetyp e“ des Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr in Bayern wird nun getestet, ob es nicht auch einfacher geht. Eine der 19 beteiligten Bauherrinnen oder Modellpartner ist die Stadt Fürth mit einem „Erweiterungsbau der Grundschule Soldnerstraße“.

„Einfaches Bauen“ soll Kosten reduzieren

Der Auslöser für die Bewerbung Fürths als Pilotprojekt waren die explodierenden Kosten bei aktuellen Bauprojekten in der Stadt. So werden derzeit unter anderem das Heinrich-Schliemann-Gymnasium und das Helene-Lange-Gymnasium gleichzeitig neu gebaut, beide Projekte sind bislang die „größten und teuersten Bauprojekte in der Geschichte der Stadt Fürth“, wie Christine Lippert, Baureferentin der Stadt, sagt. Gleichzeitig stehen weitere umfangreiche Schulbauprojekte an, für die noch ausreichend Geld vorhanden sein muss. Ein Grund für die außerordentlich hohen Kosten seien die extremen Standards, die erfüllt werden müssten. Hier soll jetzt angesetzt werden. „Einfaches Bauen“ lautet der Titel der Modellprojekte des  „Gebäudetyps e“, der in Fürth bei dem Neubau zur Erweiterung der Grundschule an der Soldnerstraße im Westen der Stadt Fürth erprobt werden soll.

Christine Lippert

Oft kommen sich Standards in die Quere.

Christine Lippert, Baureferentin in Fürth

Seit elf Jahren arbeitet Christine Lippert für die Stadt Fürth, seit sieben Jahren ist sie Baureferentin. Alleine in dieser Zeit sei die Anzahl an Vorschriften und Normen deutlich gewachsen. „In den letzten Jahrzehnten sind immer mehr Gesetze, Vorschriften, DIN-Normen hinzugekommen. Es kostet extrem viel Zeit, diese erstmal alle zu kennen und dann zu beachten und umzusetzen“. Die Tatsache, dass jeder einzelne Bereich jedes Detail geregelt haben wolle, mache die Planung schwierig und aufwändig und steigere letztlich die Kosten eines Bauprojekts.

Zudem würden sich manche Standards auch widersprechen. Als Beispiel nennt sie Amokkonzepte, bei denen es darum geht, dass Schüler sich in jedem Klassenzimmer in Sicherheit bringen können. "Gleichzeitig aber sollen die Brandschutz- und Fluchtwegsvorgaben gelten“, so Lippert. Auch bei der Umsetzung der Barrierefreiheit würden sich Vorgaben in die Quere kommen. So benötigen Blinde Schwellen und Abgrenzungen, Rollstuhlfahrer wiederum möglichst glatte Böden. „Es ist ein ständiges Abwägen um jeden Zentimeter. Das ist natürlich alles wichtig und richtig, aber es geht um die Verhältnismäßigkeit und oft wird nicht mehr grundsätzlich die Frage gestellt, was eigentlich das Ziel ist“, sagt Lippert.

Standards beim Bauen hinterfragen

Geht es um die Einhaltung von Standards, stehen manche Bereiche nicht zur Diskussion. „Alles, wo es um Gefahr für Leib und Leben geht, steht natürlich außer Frage“, sagt Lippert, also Themen wie der Brandschutz und die Statik bei Gebäuden. Darüber hinaus aber gebe es viele Bereiche, in denen es sich lohnen könnte, die bisher geltenden Standards infrage zu stellen. Braucht zum Beispiel wirklich jedes Gebäude eine hochkomplexe Lüftungsanlage oder kann nicht auch einfach über ein geöffnetes Fenster gelüftet werden wie es bei denkmalgeschützten Gebäuden normal ist? Braucht wirklich jedes Gebäude einen im Bau und in der Wartung extrem teuren Aufzug oder gibt es nicht auch andere Möglichkeiten, um Barrierefreiheit zu gewähren? All das seien Fragen, die in Fürth nun gestellt werden, wie Lippert sagt. Das Ziel bei alledem sei es letztlich, „so einfach wie möglich zu bauen und Bauzeit und Baukosten zu sparen“.

Vorschriften: in Workshops diskutiert

"Müssen die Vorschriften wirklich alle in der geforderten Form umgesetzt werden? Was macht die Planung und den Bau so besonders aufwändig und teuer und auf was davon können wir verzichten?“ – diese Fragen werden in Fürth seit Beginn des Pilotprojekts in regelmäßigen Workshops behandelt. Das geschieht laut Lippert in enger Abstimmung mit dem Bayerischen Bau- und Justizministerium, worin die Baureferentin eine große Chance sieht. „So können wir die verschiedenen Entwicklungsschritte auch rechtlich absichern und im besten Falle Blaupausen entwickeln für zukünftige Projekttypen“.

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Keine Denkverbote bei Bauvorhaben

Während des Modellprojekts soll es in den Workshops rund um das Bauvorhaben „keinerlei Denkverbote“ geben, wie Lippert betont. „Wir bemühen uns, nochmal komplett von Anfang an neu zu denken und möglichst offen heranzugehen an die verschiedenen Bereiche“, so die Referentin. Dabei werde oft intensiv diskutiert. „Dinge, die lange Zeit über fest standen, werden nun wieder infrage gestellt. Das kostet erstmal mehr Zeit, langfristig könnte es aber Zeit ersparen“, so Lippert.

Bestandserhalt statt Neubau

Lippert erhofft sich viel von dem Modellprojekt. Im besten Falle könnten am Ende gemeinsam reduzierte Standards festgelegt werden, die dann auch für zukünftige Bauprojekte gelten. In Fürth sollen die ersten Grundlagen innerhalb eines Jahres entwickelt werden, der Bau der Schule ist dann für 2025/26 geplant. Nachdem die Planungen noch am Anfang stehen, sei aktuell auch noch offen, in welchen finanziellen Rahmen sich der Schulneubau bewegen wird.

Für mehr Nachhaltigkeit beim Bau

Etabliert sich der Gebäudetyp „Einfaches Bauen“, könnte dies laut Lippert für die Zukunft nicht nur Zeit und Kosten sparen, sondern darüber hinaus auch für mehr Nachhaltigkeit sorgen. So stellt die Referentin fest: „Bei denkmalgeschützen Gebäuden akzeptiert jeder, wenn manche Standards nicht ganz erfüllt sind und viele Gebäude dieser Art funktionieren hervorragend. Aber sobald es um Neubauten geht, werden extreme Standards verlangt“. Dies führe dazu, dass die Sanierung eines Bestandsgebäudes auf modernste Standards manchmal teurer sei als ein kompletter Neubau auf freier Fläche. Bei angepassten Standards könnte das in Zukunft manchmal anders aussehen und die eine oder andere Sanierung im Bestand wirtschaftlich und zukunftsfähig werden.

Praxishilfe für Einfaches Bauen mit dem Gebäudetyp E

Das Bundesbauministerium hat jetzt die Leitlinie und Prozessempfehlung für den Gebäudetyp E erarbeitet - ein 70-seitiges Praxisdokument. "Beim Gebäudetyp E können Vertragspartner beim Bauen von kostenintensiven Standards rechtssicher abweichen und zugleich die hohen Sicherheitsstandards beim Bauen beibehalten", sagte Bauministerin Klara Geywitz. Hier finden Sie die Leitlinie "Einfach Bauen- Gebäudetyp E" mit konkreten Empfehlungen.

Im Herbst dieses Jahres soll der Entwurf des "Gebäudetyp E-Gesetzes" im Bundeskabinett beschlossen werden. Die Bauministerin rechnet damit, dass das Gesetz Anfang 2025 in Kraft tritt.

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