Nachhaltiges Bauen
Das Recycling-Feuerwehrhaus
Recyclingfähige Bauweise: Cradle to Cradle
Die Prinzipien der neuen Produktions- und Bauweise sind schnell erklärt: Cradle to Cradle heißt übersetzt "von der Wiege zurück zur Wiege". Gemeint ist eine Produktionsweise, in der alles Verwendete zurück in den Wirtschaftskreislauf gelangt. Entwickelt wurde es bereits Ende der 90er Jahre von Prof. Michael Braungart und dem amerikanischen Architekten William McDonough. Für die Zukunft des Bauens heißt das:
- Keine Verwendung von gesundheitsschädlichen Stoffen wie Aldehyde oder Lösungsmittel.
- Beim Abbruch darf kein ressourcenvernichtender Bauschrott entstehen.
- Stattdessen dienen Gebäude als wertvolle Materiallager.
- Es werden ausschließlich Materialien verwendet, die chemisch unbedenklich sind.
- Alle Materialien sind kreislauffähig und können ohne Qualitätsverlust zurückgewonnen werden.
- Jedes Gebäude bekommt einen digitalen Gebäuderessourcenpass.
- Das Gebäude behält seinen Materialwert, eine Abschreibung auf Null erfolgt nicht.
Auf die Materialien kommt es an
Im neuen Feuerwehrhaus in Straubenhardt wurden folglich überwiegend Materialien verbaut, die sortenrein sind: Holz, Metall und Sichtbeton. Jedes einzelne Material - etwa 250 - wurde von den Architekten, einer Ingenieurin sowie von Experten eines Umweltberatungsinstituts auf Herz und Nieren überprüft: CO2-Emissionen bei Produktion und Transport, bauchemische Zusammensetzung, Schadstoffe, Emissionsabgabe an die Innenluft, Materialgüte, Trennbarkeit der einzelnen Komponenten sowie Recyclingfähigkeit. Auf die derzeit noch üblichen Klebstoffe und Montageschäume wurde weitgehend verzichtet, so dass das Feuerwehrhaus am Ende seiner "Laufzeit" recht einfach in seine – wieder verwendbaren – Bestandteile zerlegt werden kann.
Gebäude soll länger genutzt werden können
Die detaillierten deutschen Ausschreibungs- und Vergaberichtlinien haben den Prozess in Straubenhardt spannend gemacht. Als Beispiel nennt der Bürgermeister die Benennung von besonderen Spezifikationen sowie die Abweichungen von so mancher DIN-Norm. Bezüglich der Finanzierung hält Helge Viehweg eine direkte Gegenüberstellung der Kosten im Vergleich zu konventionellen Bauweisen für wenig seriös: "Wir haben zum Beispiel ein Zwischengeschoss für Parkflächen eingezogen, damit die nachbarschaftlichen Obstbäume gerettet werden konnten. Allein das hat uns Mehrkosten von etwa einer halben Million Euro beschert. Aber das war es uns wert." Günstiger werde in Zukunft die Wartung des Gebäudes und auch von einer deutlichen längeren Nutzungsdauer könne ausgegangen werden. Der Bürgermeister lacht: "Außerdem haben uns Besucher immer wieder bestätigt: Dieses Gebäude stinkt – anders als andere Neubauten – nicht. Wir haben unseren Bürgerinnen und Bürgern also nicht nur ein nachhaltiges Gebäude errichtet, sondern auch ein gesundes."
Neues Ausschreibungsrecht gefordert
Für Helge Viehweg bietet eine Wirtschaft nach dem Cradle to Cradle-Prinzip auch abseits des Bausektors viele weitere ökologische Möglichkeiten: "Warum sollten wir in Zukunft zum Beispiel noch Waschmaschinen kaufen? Viel sinnvoller wäre es, stattdessen 10.000 Waschvorgänge zu buchen." Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Unternehmen erhält nach Erreichen der Waschvorgänge die Maschine zurück und kann diese entweder neu vermieten oder die verbauten Materialien einer neuen Nutzung zuführen. Der Ressourcenverbrauch wäre minimalisiert und die Unternehmer sähen endlich wieder Sinn darin, möglichst langlebige Geräte zu bauen und darauf zu achten, nur trennbare und wieder verwendbare Materialien zu verarbeiten. Noch sieht Helge Viehweg auf dem Weg zu dieser nachhaltigen Form des Wirtschaftens einige Hürden. "Was wir definitiv brauchen ist eine Gesetzgebung, die eine solche Umstellung fördert und die richtigen Anreize setzt. Außerdem braucht es ein neues Ausschreibungsrecht."
Investitionsleitfaden für Gewerbetreibende
Warten auf die politische Kehrtwende will man in Straubenhardt allerdings nicht. Helge Viehweg und sein Stadtrat wollen das C-2-C-Prinzip weiter verfolgen. „Derzeit arbeiten wir an einem Investorenleitfaden für Gewerbetreibende. Denn auch unsere neuen Gewerbegebiete sollen bevorzugt nach diesem Prinzip errichtet werden", erklärt der Bürgermeister. Einen ersten Erfolg kann die Kommune schon verbuchen. Ein Start-Up-Unternehmen habe man nur deshalb für die eigene Kommune als Standort gewinnen können, weil die kommunalen Entscheidungsträger das Cradle to Cradle-Prinzip favorisieren. "Wenn dieses Bauprinzip bald Standard in Deutschland wird, dann mache ich persönlich Luftsprünge", erklärt der Bürgermeister lachend. Für Luftsprünge ist Wilfried Kretschmann eher nicht bekannt. Aber gefreut über die Straubenhardter Bemühungen hat er sich nachweislich. Der grüne Landeschef von Baden-Württemberg lobte die Kommune bereits als nachhaltiges Vorbild für andere Gemeinden.
Helge Viehweg nimmt diese Rolle gerne an. Kommunen, die die frisch gewonnene C2C-Expertise der Straubenhardter für sich nutzen wollen, dürfen sich gerne an den Bürgermeister wenden. Helge Viehweg, Telefon: 07082 948-511, E-Mail: helge.viehweg@straubenhardt.de

