Verdichtung
Wohnen über der Garage - ein Pilotprojekt!
Garagenaufbauten als Pilotprojekt
Schauplatz der ersten Garagenaufbauten in Karlsruhe ist die Wohnsiedlung Rintheimer Feld. „Wir haben im Rintheimer Feld in den vergangenen Jahren schrittweise behutsam nachverdichtet“, sagt Katharina Helleckes, die als Architektin bei der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Volkswohnung arbeitet. Die gängigen Verdichtungsvarianten aber seien schließlich erschöpft gewesen und keine Fläche mehr übrig. Allerdings gibt es im Rintheimer Feld einige massiv gebaute Garagenzüge aus den 60er Jahren. So entstand die Idee dazu, diese Garagenhöfe als bauliche Basis zu verwenden für einen Wohnungsaufbau, also „bereits bestehenden Baubestand um 12 Wohnungen zu ergänzen und umzuwandeln“, wie Helleckes sagt.
Kreislaufgerechtigkeit im Fokus
Geplant wurden die Aufbauten durch den Architekten Falk Schneemann, der mit seiner Studie den vom Architekturschaufenster e.V., der K3 Kultur- und Kreativwirtschaft Karlsruhe und der Architektenkammer Baden-Württemberg ausgeschriebenen Ideenwettbewerb „hier wohnen wir!“ gewonnen hatte. Wissenschaftlich eng begleitet, werden die Garagenaufbauten zudem als innovatives Projekt im Sinne der Kreislaufgerechtigkeit durchgeführt. Dies bedeutet konkret, dass die Aufbauten leicht wieder demontierbar und ihre Bestandteile wiederverwertbar sind. So wurden für die Holzböden zum Beispiel neu aufbereitete Bodendielen aus Bestandsbauten der Volkswohnung verwendet und die fertig angelieferten Wand- und Fensterelemente nicht verklebt, sondern festgesteckt.
Geförderter Wohnraum für Menschen in Übergangsphasen
Die neu entstandenen Wohnungen richten sich laut Helleckes an „Menschen in Übergangsphasen“, etwa Studenten oder Alleinerziehende, und sind größtenteils als geförderter Wohnungsbau eingestuft. Konkret sind mittlerweile 9 Einzimmer-Apartments, 2 Zweizimmer-Apartments sowie ein Dreizimmer-Apartment entstanden, die zu sozial verträglichen Preisen vermietet werden sollen, allerdings zwangsläufig nicht barrierefrei sind. Neben der höheren Nutzung bereits versiegelter Fläche sollen die Garagenaufbauten laut Helleckes noch Weiteres leisten. „Dadurch, dass wir im Zuge der Aufstockung auch die Außenanlagen und das Umfeld aufwerten, haben auch die bereits dort lebenden Bewohner einen Mehrwert von den baulichen Veränderungen“, so Helleckes. Außerdem könnten die neu bezogenen Wohnungen zu einer sozialen Durchmischung in gewachsenen Vierteln beitragen, in denen die Altersstruktur tendenziell älter ist.

Nur wenige Garagen geeignet
Wie ist der statische Zustand der jeweiligen Garage? Welche Genehmigungen sind denkbar? Ist überhaupt ein Aufbau möglich und welche Vorarbeiten braucht es gegebenenfalls dazu? Dies waren die Fragen, die zu Beginn der Bauplanung im Raum standen. Dabei hat sich laut Helleckes zum einen herausgestellt, dass kaum eine Garage mit der anderen vergleichbar sei. „Jede Garage ist ein Individuum“, so die Architektin, und entsprechend müsste auch die Planung angepasst werden. Zum anderen wurde offensichtlich, dass nur ein relativ kleiner Bestand der Garagen überhaupt für Aufbauten geeignet ist. „Bei unseren Untersuchungen hat sich gezeigt, dass vor allem der Bestand aus den 60er und 70er als Basis für Aufbauten verwendet werden kann“, so Helleckes. Garagen aus früheren Jahrzehnten seien meist zu nah an den Grundstücksgrenzen, um darauf aufzubauen, Garagen aus jüngerer Zeit wiederum zu leicht gebaut, um ein weiteres Geschoss zu tragen. Ohnehin sei die Tragfähigkeit auch bei massiv gebauten Garagen begrenzt und müssten entsprechend verstärkt werden, um dann einen Aufbau in leichter Holzkonstruktion zu tragen.
Fördergelder fürs Pilotprojekt
Gefördert im Rahmen des Programms „Innovativ Wohnen Baden-Württemberg – beispielgebende Projekte“ und durchgeführt als Forschungs- und Pilotprojekt. Die Garagenaufbauten in Karlsruhe sind ein Projekt mit nur wenigen Einheiten, bei dem die Kosten nicht auf ähnliche Vorhaben übertragbar und wenig repräsentativ sind, betont die Architektin bei der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Volkswohnung. Sie betont, dass nicht die kompletten Gelder in die Aufbauten selbst fließen, sondern rund ein Viertel davon auch in die Stabilisierung der Garagen, die Aufwertung der Außenanlagen und die versorgungstechnische Anschließung an den Bestand.
Außergewöhnliche Baustelle erfordert besondere Kommunikation
Da es sich bei den Garagenaufbauten um Bauarbeiten auf bereits versiegelter Fläche handelt, sind diese zwangsläufig nahe am Bestand und den Bewohnern. „Dies macht die Aufbauten definitiv zu einer besonderen Baustelle und man muss hier sehr sensibel vorgehen“, so Helleckes. Ohnehin sei es ihrer Erfahrung nach so, dass jede Baustelle und jede Nachverdichtung den dort lebenden Bewohnern erst einmal Angst mache – im Falle der Garagenaufbauten täten sich viele zusätzliche Fragen auf, da das bauliche Vorgehen ja sehr ungewöhnlich sei. Was hier hilft: „Möglichst frühzeitige Visualisierung, offene Kommunikation und eine intensive Einbindung der Nachbarschaft“, so Helleckes. In Rintheim habe das gut funktioniert und würden sich die meisten Bewohner sehr neugierig und interessiert zeigen. Um allen Interessierten auch einen konkreten Eindruck der Aufbauten zu vermitteln, werden Besichtigungen für die Nachbarschaft organisiert, die gut angenommen werden.
Kleiner Beitrag zur Wohnraumverdichtung
Aus Sicht von Helleckes sind die Garagenaufbauten ein zwar kleiner, aber lohnender Beitrag zur Wohnraumverdichtung. So sagt sie: „Garagenaufbauten sind natürlich kein Heilmittel für das Thema Wohnraumschaffung, dazu sind die relevanten Flächen zu klein und es kommen auch zu wenige Garagen für eine bauliche Ergänzung in Frage“. Für einzelne Straßenzüge oder eine bauliche Übergangszeit könnten die Aufbauten aber auf jeden Fall einen Gewinn darstellen und zudem ja auch jederzeit zurückgebaut werden, wenn eine andere Nutzung der Fläche städtebaulich mehr Sinn macht. Darüber hinaus könne ein solches Projekt eine lohnenswerte Initialzündung für die Quartiersentwicklung sein und dazu beitragen, dass Bürger wie Kommune sich damit auseinandersetzen, wie das Wohnungsumfeld noch weiter verbessert werden kann. In Rintheim werden aktuell noch die letzten Bauarbeiten abgeschlossen, der Vermietungsprozess hat bereits begonnen und ab Herbst sind die ersten Bezüge geplant.


