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Gewalt gegen Kommunalpolitikerinnen nimmt dramatisch zu - was können Kommunen tun?
© Adobe Stock

Gewalt gegen Frauen

Gewalt gegen Kommunalpolitikerinnen nimmt drastisch zu

20. November 2025
Politische Gewalt gegen Frauen in Kommunen nimmt dramatisch zu: 38 Prozent der Bürgermeisterinnen erlebten 2024 Angriffe. Unsere Gastautorinnen Kathrin Mahler Walther und Sarah Robinson warnen vor gravierenden Folgen für die demokratische Teilhabe und den politischen Nachwuchs. Wie Kommunen jetzt gegensteuern können.

Politische Gewalt nimmt zu: Allein in 2024 hat das Bundeskriminalamt 7.568 Vorfälle gegen Amts- und Mandatsträger verzeichnet. Hass und Hetze sind mittlerweile in Deutschland für viele zum Alltag geworden: 38 Prozent der Bürgermeisterinnen und Landrätinnen gaben im letzten kommunalen Monitoring des Verbundprojekts MOTRA an, in den letzten sechs Monaten Gewalt oder Aggression erlebt zu haben – männliche Amtskollegen haben für diesen Zeitraum mit 28 Prozent eine signifikant geringere Betroffenheit angegeben. In den 77 größten Städten Deutschlands haben 2022 nahezu 60 Prozent der Kommunen Gewalt gegen Kommunalpolitikerinnen gemeldet.

Besondere Verwundbarkeit durch lokale Nähe

Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker stehen im unmittelbaren Kontakt mit den Bürgern, ihre Adresse, ihr Arbeitgeber, auch die Schule der Kinder sind vielen vor Ort bekannt. Diese Vertrautheit ist Stärke und Schwäche zugleich, denn sie erhöht auch die Verwundbarkeit. 

Kathrin Mahler Walther über Gewalt gegen Kommunalpolitikerinnen
Kathrin Mahler Walther ist geschäftsführende Vorsitzende der EAF Berlin.

Wenn Frauen und andere marginalisierte Gruppen sich bedroht fühlen, hat das direkte Auswirkungen auf Demokratie und Teilhabe - auf die Gewinnung politischen Nachwuchses, die Sichtbarkeit und Wirksamkeit von Frauen in der Politik sowie die Repräsentation der Vielfalt von Perspektiven und Bedarfen vor Ort. So passen viele ihr Verhalten an, ändern ihre Kommunikation, beschränken die eigene öffentliche Sichtbarkeit zumindest zeitweise oder ziehen sich sogar vollständig aus der Politik zurück.

Gewalt gegen Kommunalpolitikerinnen hält von Teilhabe ab

Neben all den Barrieren, die interessierte Frauen von einer Kandidatur abhalten, spielt auch das Thema Anfeindungen eine große Rolle.  Damit steht die politische Nachwuchsgewinnung auf der Kippe – bereits jetzt haben viele Kommunen Probleme damit, Kandidatinnen oder Kandidaten für kommunalpolitische Ämter und Mandate zu finden.  Durch den Mangel an vielfältigen Perspektiven schwindet das Vertrauen in lokale Institutionen und staatliche Stellen. 

Sarah Robinson über Gewalt gegen Kommunalpolitikerinnen
Sarah Robinson ist Menschenrechtsexpertin und bei der EAF Berlin als Senior Expert Gender & Politics tätig.

Geschlechtsspezifische Gewalt: Zahlen und Fakten

Die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V. (EAF) Berlin hat in ihrem aktuellen „Länderbericht zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen in der Politik“ klare geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der Betroffenheit von politischer Gewalt aufgezeigt: Frauen erleben häufiger geschlechtsbezogene Diskriminierung, sexuelle Belästigung bis hin zu Vergewaltigungsandrohungen. Das BKA verzeichnet bei frauenfeindlichen Hassdelikten einen beachtlichen Anstieg um 73,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 

Gewaltformen: Von Online-Hass bis Stalking

Am häufigsten erfahren Frauen psychische Gewalt, etwa durch Beleidigungen oder Verleumdung. Dabei geht Gewalt im Netz oft mit analogen Angriffen einher – über 70  Prozent der in einer Umfrage dazu befragten Frauen gaben an, beide Formen zu erleben. Zudem berichten Politikerinnen öfter als Männer davon, dass sich Drohungen auch gegen ihre Familien richten. Selbst Stalking haben 8 Prozent der Politikerinnen laut dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen schon erlebt.

Gesellschaftliche Folgen: Wenn Frauen zum Schweigen gebracht werden

Neben Stress, Angstzuständen und Depressionen sind die Folgen von geschlechtsspezifischer Gewalt in der Politik nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für uns als Gesellschaft verheerend. Denn Ziel solcher Angriffe ist es, Frauen und andere marginalisierte Gruppen langfristig zum Schweigen zu bringen und damit aus der politischen Entscheidungsfindung zu verdrängen. 

Was Kommunen jetzt tun können

Kommunalpolitik gilt zu Recht als Basis unserer Demokratie – hier entscheidet sich, ob Teilhabe und Vielfalt wirklich gelebt werden. Gewalt gegen Frauen in der Politik steht dem im Wege und darf nicht hingenommen werden. Prävention und Schutz sind Aufgabe sowohl des Bundes und der Länder als auch der Landkreise, Städte und Gemeinden. Sie können unmittelbar vor Ort wirken und passgenaue Angebote machen, etwa durch Schulungsangebote, Notfallkontaktlisten oder eigene Ansprech- und Ombudsstellen.

Handlungsempfehlungen für Kommunen

  1. Erstellung von Leitfäden und Kontaktlisten zum Schutz von Amts- und Mandatsträgerinnen mit Notfallkontakten (zum Beispiel lokale und spezialisierte polizeiliche Dienststellen, psychosoziale Beratung, Anlaufstellen für IT-Sicherheit)
  2. Aufbau kommunaler Schutzstrukturen durch Benennung von Ansprechpersonen und Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und der Polizei
  3. Sensibilisierung von Verwaltung, Räten und Parteien durch Fortbildungen zum Umgang mit Hass und Einschüchterung, wie auch zu eng verbundenen Themen wie Sexismus und unbewusste Denkmuster (wie sie die EAF Berlin anbietet)
  4. Schulung der lokalen polizeilichen Dienststellen und Einrichtung mindestens einer sensibilisierten Kontaktstelle im Landkreis, möglichst in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Initiativen (zum Beispiel mobilen Beratungen)
  5. Einrichtung überparteilicher Ombuds- und Beschwerdemechanismen, die Betroffene gegebenenfalls auch anonym nutzen können
  6. Schulung von Lokaljournalisten zur Sensibilisierung für Sexismus und Hass und Hetze gegenüber Politikern
  7. Schutz persönlicher Daten, etwa Privatadressen und Arbeitgeberdaten kommunalpolitisch Engagierter und Kandidaten von Wahllisten und Webseiten der Räte, Parteien und Wählervereinigungen entfernen
  8. Entwicklung verbindlicher Verhaltenskodizes, um das Klima in Rats- und Ausschusssitzungen zu verbessern und Anfeindungen innerhalb der kommunalen Strukturen zu reduzieren
  9. Präventions- und Stärkungsangebote zur Schulung von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern zu Deeskalationsstrategien, Gegenrede und Datensicherheit im Netz sowie zum Austausch von Erfahrungen in Peer-Netzwerken
  10. Stärkung von Frauennetzwerken, in denen betroffene Frauen Strategien teilen und Solidarität erfahren können sowie von Gleichstellungsarbeit vor Ort
  11. Angebot von Mentoring-Programmen für Frauen und marginalisierte sowie mehrfachdiskriminierte Gruppen zur Förderung ihrer politischen Teilhabe

Sensibilisieren und Hemmschwellen abbauen – das sind die Ziele des Fachforums gegen häusliche Gewalt im Kreis Herford

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