Grundstücksnutzerverband
Grundsteuerreform - Problem sind die Länder
Jochen Brückmann: Wir erleben neben dem hohen bürokratischen Aufwand und der Notwendigkeit, an der Steuer strukturell etwas zu ändern, vor allem die Reaktionen unserer Mitglieder. Und die sind mit den Formularen oft überfordert. Und wir sehen, dass in bestimmten Regionen die Grundsteuer eben doch deutlich steigen wird. Diese Mehrbelastungen müssen abgefedert werden.
Was kann das gerade für ältere Menschen bedeuten? Müssen Leute wegen der Grundsteuer ihr Haus verkaufen?
Bevor jemand etwas verkauft, wird er Kredite aufnehmen. Aber auch das wollen wir vermeiden. Das Bundesverfassungsgericht hat bemängelt, dass wir viel zu alte Werte für die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer hatten. Das konnte so nicht bleiben – aber die neue Grundsteuer führt dazu, dass es in bestimmten Ortslagen zu einer Verdoppelung oder Verdreifachung der Grundsteuerbelastung kommen wird. Das allein wird sicher nicht der Grund sein, warum jemand wirklich Existenzängste haben muss. Aber es kommen ja viele Dinge zusammen: Die Entwicklung bei den Strom- und Gaspreisen, die Inflation. Da haben schon viele unserer Mitglieder Sorgen. Vor allem in den neuen Ländern haben die Menschen oft kein großes, über Jahrzehnte angespartes Vermögen in der Hinterhand. Man hat sein Eigenheim, und das war es dann aber auch.

Wir würden uns tatsächlich noch mehr Transparenz bei der Grundsteuerreform wünschen"
Können die Kommunen mit ihren Hebesätzen den Menschen entgegenkommen?
Die Grundsteuer ruht ja auf drei Säulen: Da ist erst einmal der Wert der Grundstücke. Der wird jetzt in einem neuen System ermittelt. Dann gibt es die sogenannte Steuermesszahl. Mit der wird dieser Wert multipliziert und dann kommt am Ende der Hebesatz noch mal als Multiplikator dazu, und dann hat man die tatsächliche Höhe seiner Grundsteuer für sein Grundstück. Natürlich können die Kommunen am Ende mit dem Hebesatz noch die Höhe der Grundsteuer regulieren. Und es gibt ja auch das Versprechen der Länderfinanzminister, dass die Änderung nicht zu Mehreinnahmen in den kommunalen Haushalten führen soll. Aber das heißt nicht, dass nicht einzelne Gruppen schlechter gestellt sein können. Beispielsweise wird es in einer Stadt wie Berlin große Unterschiede bei der Grundsteuerlast geben, je nachdem, ob Sie im Zentrum oder in einer Randlage wohnen.
Wäre es denn sinnvoll, das Steuerrecht so zu ändern, dass der Hebesatz innerhalb der Kommune unterschiedlich sein kann?
Es wäre gut, wenn man in größeren Kommunen unterschiedliche Hebesätze für einzelne Stadt- oder Ortsteile ansetzen könnte. Damit bekäme man dann auch die sozialen Unterschiede besser in die Grundsteuer hinein. Der Bundesgesetzgeber hatte auch festgelegt, dass Sozialwohnungen über die Steuermesszahl entlastet werden sollten. Es würde sicher den Kommunen helfen, hier etwas flexibler zu sein – durch geringere Hebesätze für schlechtere Wohnlagen oder durch Ermäßigungen für kleine und mittlere Betriebe beispielsweise.
Viele Kommunen haben sich in der Umsetzung der Reform sehr engagiert. Was war da Ihr Eindruck? Das kann ich nur bestätigen. Es gibt viele Kommunen, die sich da sehr engagiert haben, auch sehr transparent waren, die Bürger proaktiv selber informiert haben. Aber beispielsweise in Berlin haben die Finanzämter die Grundstückseigentümer vor Start der Erklärungsabgabe überhaupt nicht informiert. Das war eine Katastrophe. In vielen anderen Orten haben wir dagegen erlebt, dass die Kommunalverwaltungen sich wirklich Mühe gegeben haben. Es gab keine Kommune, die da irgendwie nicht bürgerfreundlich agiert hätte. Dazu muss man den Kommunen auch zu Gute halten, dass sie auch selbst am Ende der Nahrungskette stehen. Das Problem beim Thema Grundsteuer sind die Länder, nicht die Kommunen.
Inwiefern sind die Länder das Problem?
Die Länder hätten auch eigene, einfachere Regelungen zur Bemessung der Grundsteuer treffen können. Das hat der Bundestag über die Länderöffnungsklausel ausdrücklich möglich gemacht. In Bayern geht es ganz einfach nach dem Flächenprinzip. Bei dem werteorientierten Bundesmodell, das die meisten Länder anwenden, gibt es dagegen immer wieder Probleme, zum Beispiel bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte und den Eigentumsverhältnissen. Beispielsweise bei Erbengemeinschaften in der Landwirtschaft: Bisher hat die Grundsteuer oft der Pächter gezahlt. Der jetzt aufgeforderte Eigentümer hat nie etwas davon gelesen oder gehört. Nun gibt es da teilweise ein dramatisches Chaos.
Das heißt aber auch, Sie plädieren für ein möglichst einfaches Modell nach bayerischem Vorbild?
Ja, das tun wir. Und wir würden uns in der Tat freuen, wenn auch die Lage des Grundstücks eine etwas stärkere Rolle dabei bekäme. Aber im Grunde ist das bayerische Modell ein sehr einfaches, und wir sind auf jeden Fall für ein möglichst einfaches Modell. Übrigens die Wirtschaft auch. Die Unternehmen, die mit Steuerberatern arbeiten, sind wieder sehr stark belastet.
Gibt es etwas, was Sie den Kommunen zum weiteren Vorgehen raten würden?
Wir würden uns tatsächlich noch mehr Transparenz wünschen und haben daher unter www.vdgn.de/petition/ eine Petition gestartet für ein Transparenzregister über die Grundsteuereinnahmen und die dazugehörigen Hebesätze für alle Bürger. Als Verband verstehen wir, dass die Kommunen auf die Grundsteuer angewiesen sind. Und wir wollen, dass es den Kommunen gut geht: Denn wenn es einer Kommune gut geht, geht es meist auch ihren Bürgern gut. Aber wir erleben, dass viele Menschen überhaupt nicht über die Grundsteuer informiert sind und darüber, wofür sie verwendet wird. Wenn besser erklärt werden würde, was alles mit diesen Mitteln finanziert wird und wurde, hätten viele Menschen auch mehr Verständnis dafür.



