Vorbeugen gegen Blackout und Co
Katastrophenschutz : Für den Notfall gerüstet
Heute besteht der „Dippser Sicherheitskreis“ weiter. Und Kai Ritter-Kittelmann hält ihn für vorbildlich. Der Amtsleiter für Katastrophenschutz im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, der bis vor kurzem der Landesleitung des Roten Kreuzes in Sachsen angehörte, verweist darauf, dass es im Katastrophenfall ein Netzwerk von denen braucht, die sich auskennen, „die wissen, wo es was gibt, und wer wie helfen kann.“ „Es geht darum: Was kann der Eine, was kann der Andere“, sagt Ritter-Kittelmann. „Warum soll eine Kommune beispielsweise Notstromaggregate auf Vorrat lagern, wenn sie weiß, dass es in ihrem Ort eine Firma gibt, die damit handelt – nur, sie muss davon wissen.“ Das Gegenseitige voneinander Wissen sei jedenfalls eines der wichtigsten Prinzipien des Katastrophenschutzes.
In Dippoldiswalde handelt man genau nach diesem Prinzip. „Wir haben eine Organisation aufgebaut, die 72 Stunden lang selbständig arbeiten kann“, sagt die Bürgermeisterin. Zum Beispiel, falls es einen großen Stromausfall, einen „Blackout“, gibt. „Wir haben ein System aufgebaut, bei dem ein Melder im Fall des Falles alle 21 Ortsteile abfährt, um ohne Funk und Telefon die Feuerwehren und die Rettungswagen alarmieren zu können“, sagt Körner. Die erste Feuertaufe hat der „Dippser Sicherheitskreis“ schon bestanden. „Im Februar ist ein Abwasserrohr neben unserer Talsperre geplatzt – da liefen dann die ungeklärten Fäkalien von 10.000 Einwohnern in das Gewässer“, erinnert sich die Bürgermeisterin. „Da habe ich das Netzwerk alarmiert – und am Sonntag früh um 8 Uhr waren alle da.“

Vom Buch "Blackout" zur Realität im Katastrophenschutz
Am Ende bekam die Gemeinde die Angelegenheit selbst geklärt. „Der Landrat musste keinen Katastrophenfall ausrufen“, so Körner. Ohne die enge und eingespielte Zusammenarbeit der Katastrophenschützer vor Ort in Dippoldiswalde wäre das wohl nicht gelungen. „Wir müssen uns auch noch auf andere Szenarien vorbereiten. Denn wir haben in einem Waldgebiet, der Dippser Heide, noch sehr viel Muniton aus dem Zweiten Weltkrieg liegen.“ Wenn es dort zu einem Waldbrand kommt, besteht Explosionsgefahr. Dann müssen benachbarte Wohngebiete und ein Krankenhaus evakuiert werden. „Wir versuchen da, uns auf alle Eventualitäten vorzubereiten.“
Wieso sich die Dippoldiswalder Oberbürgermeisterin so sehr für den Katastrophenschutz engagiert?„Als ich 2019 gewählt worden bin, habe ich von meinen Feuerwehrchefs das Buch „Blackout“ geschenkt bekommen“, erinnert sich Körner. Im Ort gebe es sehr aktive Feuerwehren und einen sehr aktiven THW-Ortsverband. „Aber wenn was passiert, steht man schnell alleine da – deswegen ist es wichtig, dass ich weiß, auf wen ich mich verlassen kann, und wer welches Wissen mitbringt.“ Im „Dippser Sicherheitskreis“ habe sie gemerkt: „Mit all dem versammelten Fachwissen ist immer jemand da, der jemanden kennt, der wieder jemanden kennt und der am Ende zur Lösung des Problems beiträgt.“
Doch die engagierte Kommunalpolitikerin wünscht sich auch mehr Unterstützung von der Landesseite. Die Engagierten bei Feuerwehr und THW müssten spüren, dass ihr Dienst wichtig sei und von der Gesellschaft unterstützt werde. „Es wäre zum Beispiel gut, wenn ein Ehrenamt bei Feuerwehren und Technischem Hilfswerk Auswirkungen auf die Rentenvorsorge der dort Engagierten hätte“, meint Körner. Hilfreich wäre auch die Änderung mancher rechtlicher Rahmenbedingungen. „Wer einen Kuhstall betreibt, ist zur Anschaffung eines Notstromaggregats verpflichtet – wer ein Pflegeheim betreibt, muss das nicht haben.“ Und die Kommunen sollten bei der Anschaffung von Fahrzeugen besser zusammenarbeiten, findet Körner. „Die Feuerwehren sollten so ausgerüstet werden, dass die Kameraden aller Wehren auf jedem im Landkreis vorhandenen Fahrzeug zum Einsatz kommen könnten.“
Katastrophenschutz wird auch in Brandenburg immer wichtiger
Auch im nördlich von Berlin gelegenen Wandlitz hat der Katastrophenschutz einen hohen Stellenwert.„Wir haben uns frühzeitig um das Thema Versorgung der Bevölkerung gekümmert“, sagt Bürgermeister Oliver Borchert. Die Gemeinde ist amtsfrei und hat rund 20.000 Einwohner. „Letztlich hatten wir die ganzen letzten drei Jahre über eine Krise.“ Auch in Wandlitz ist das Thema Stromausfall das Thema, das die Kommune derzeit angeht. Dabei orientiert man sich an Plänen des Landes, so genannte Leuchttürme zur Versorgung der Bevölkerung zu schaffen: „Wir haben in allen neun Ortsteilen entsprechende Orte bestimmt, Sporthallen oder Gemeindezentren.“ Dort sollen im Fall des Falles Notstromaggregate betrieben werden. Außerdem plant die Kommune die Bevorratung von Gasflaschen und Kochern, um die Bevölkerung versorgen zu können. „Und wir verhandeln mit einer Tankstelle vor Ort über die Bevorratung von Diesel – das Notstromaggregat und die Fahrzeuge der Hilfsorganisationen müssen ja auch betrieben werden können.“ Dazu seien derzeit eine Abnahmeverpflichtung seitens der Gemeinde und eine finanzielle Unterstützung der Tankstelle als Ausgleich für die Kosten, die durch die Bevorratung entstehen, im Gespräch.
Auch in Wandlitz ist es den Kommunalvertretern wichtig, dass es einen Krisenstab gibt, der intensiv zusammenarbeitet. „Viele Dinge macht auch unser technisches Immobilienmanagement, denn da haben wir einen Sanitärmeister und einen Elektriker“, sagt Borchert. Auch hier geht es also darum, zu wissen, wer welche Kompetenzen hat, und wie man sie nutzbar machen kann. Denn fertig ist man mit den Planungen für den hoffentlich nie eintretenden Katastrophenfall noch lange nicht: „Für einen Waldbrand beispielsweise müssen wir noch ganz andere Maßnahmen treffen, etwa in Fragen der Wasserversorgung“, sagt Borchert. „Da ist im Land Brandenburg noch einiges zu tun.“ Und auch das Thema Kommunikation ist in Wandlitz noch nicht so gut geklärt, wie in Dippoldiswalde. „Da müssen wir noch Strukturen aufbauen“, sagt Borchert. „Denn klar ist, dass sich beispielsweise ein Digitalfunkmast nach einer gewissen Zeit ohne Stromversorgung schlicht verabschiedet.“ Im Katastrophenfall sei passgenaue Kommunikation aber das A und O.
Doch die letzten drei Jahre haben aus Sicht des Wandlitzer Bürgermeisters gezeigt, dass man sich auch in Deutschland nie in falscher Sicherheit wiegen sollte. Es sei wichtig, mit internationalen Partnern gut und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. „Aber wir müssen lernen, dass das kein Recht auf Dauerhaftigkeit hat“, warnt Borchert. „Im Fall des Falles müssen wir in der Lage sein, uns unabhängig zu versorgen.“ Und zwar bis hinab zur Ebene der Kommune.
