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  3. Nachhaltiger Tourismus: So punkten Kommunen
Paar beim Spaziergang vor Fachwerkhäusern in Celle
Celle beeindruckt die Besucher mit ihrer intakten Altstadt.
© Celle Tourismus

Reisen

Nachhaltiger Tourismus: So punkten Kommunen

von Gudrun Mallwitz
Chefreporterin | KOMMUNAL
25. Juni 2023
Immer mehr Kommunen präsentieren sich inzwischen als nachhaltige Tourismus-Orte. Davon profitiert nicht nur die Umwelt, sondern auch die lokale Wirtschaft. Unsere Beispiele zeigen, wie schonendes Reisen geht. Dazu gibt es Tipps, wie Städte und Gemeinden eine Nachhaltigkeitsstrategie im Tourismus entwerfen können.

Um die zwei Millionen Tagesgäste kommen jedes Jahr nach Celle. Die niedersächsische Kommune lockt mit einer nahezu komplett erhaltenen Altstadt, 500 Fachwerkhäuser bilden den pittoresken Rahmen für einen stimmungsvollen Spaziergang durch die Innenstadt. Das Welfenschloss ist ein weiterer Anziehungspunkt. Auf der Aller, einem Nebenfluss der Weser, können Touristen die Stadt vom Kanu aus betrachten. Und wer die weitläufige Natur und viel Ruhe sucht, der macht sich auf in die Lüneburger Heide, die sich direkt vor der Stadt ausbreitet.  „Wir haben hier alles vor Ort, außer Berge“, sagt Khai-Nhon Behre vom Tourismusmarketing der Stadt. Was Celle auch noch hat und die 70.000-Einwohner-Kommune seit Jahren auszeichnet, ist ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept für den örtlichen Tourismus.  „Als erste Stadt in Norddeutschland haben wir uns 2017 als nachhaltige Destination zertifizieren lassen“, berichtet der Projektleiter "Nachhaltigkeit". Er stellt fest:  „Auch wenn Nachhaltigkeit noch nicht das entscheidende Kriterium für eine Buchung ist, so spielt das Thema doch eine immer größere Rolle bei unseren Gästen.“

Nachhaltiger Tourismus - Celle zeigt, wie es geht

Umfragen belegen, dass über die Hälfte der Deutschen nachhaltig reisen möchte. Das Bewusstsein dafür wächst, allerdings zeigt die Erfahrung von Touristikern, dass Nachhaltigkeit für die Reisenden in der Realität dann doch nur eine untergeordnete Rolle bei der Wahl ihres Urlaubs spielt. Anspruch und Wirklichkeit klaffen offenbar noch auseinander.

Hotels und Restaurants verwenden vor allem regionale Produkte

Celle hat schon 2016 damit begonnen, den Tourismus sichtbar nachhaltiger zu gestalten. So bot sie schon damals eine Geocaching-Tour an, bei der die Teilnehmer an zehn Stationen Rätsel lösen sollten, die mit dem Thema zu tun haben.  „Celle hat seit 2016 einen Nachhaltigkeitsrat“, erläutert Behre. „Das Gremium sorgt dafür, dass die Stadt in ihren Bemühungen nicht stehenbleibt, sondern dranbleibt und sich auf dem Gebiet weiterentwickelt.“   Doch was bedeutet nachhaltiger Tourismus in Celle konkret? Die Hotels und Restaurants verwenden vor allem regionale Produkte. Die Brötchen im Hotel kommen vom örtlichen Bäcker, das Gemüse aus der Region. Damit werden lange Transportwege möglichst vermieden und lokale Erzeuger unterstützt. „Essen und Getränke sollen mindestens zu 60 Prozent aus der Region kommen. Die Wäsche wird nicht im Ausland gereinigt, sondern im Ort“, erzählt Behre. Besucher bekommen Hinweise, wie sie die historische Altstadt, aber auch Heidelandschaften, Flussauen, Moore und Wälder schonen.

Celle Schloss
Das Schloss in Celle zieht das ganze Jahr über Besucher an.

Schwimmbäder nachhaltig betrieben

Ein Blockheizkraftwerk versorgt die örtlichen Schwimmbäder komplett mit Strom, die Anlage liefert auch einen Großteil der Wärme. Die Stadtwerke verkaufen ausschließlich Öko-Strom und betreiben mehrere Photovoltaik-Anlagen sowie ein Wasserkraftwerk. Ihren Ökostrom bieten sie auch in kostenlosen E-Tankstellen in drei Celler Parkhäusern an. Nicht nur Autos, auch E-Bikes können hier geladen werden. Der Tourismusexperte erläutert: „Wir lassen bereits seit 2016 alle unsere Printprodukte klimaneutral drucken. Beim Material nutzen wir ausschließlich Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft.“ Im Laufe der Zeit haben sich immer mehr Unternehmen dem wichtigen Ziel verschrieben. „Sie stellen bei der Beleuchtung sukzessive auf LED-Technik um“, so Behre.“ Sie lassen sich auch nachhaltig zertifizieren. Nach Celle kommt man klimafreundlich mit der Bahn. Nachhaltiger Tourismus definiert sich aus drei Komponenten: Ökologisch, ökonomisch und sozial.Doch was bedeutet der soziale Aspekt?  Dabei geht es vor allem um Fachkräftebindung, gerechte Bezahlung und die Akzeptanz der Bedürfnisse der Besucher, aber auch der Bevölkerung.  Tourismus trägt auch zur Verschönerung des Stadtbildes bei, zu mehr medizinischer Versorgung und zu mehr Freizeitangeboten.

Leitfaden für nachhaltige Veranstaltungen

„Nachhaltigkeit darf keine leere Worthülse sein, die man sich als Button ans Revers heftet“, betont Celles Oberbürgermeister Jörg Nigge. „Sie muss im Alltag selbstverständlich sein.“ Celle sei auf dem Weg: als nachhaltige Tourismus-Destination, Ökostromproduzent und mit dem Erhalt des historischen Erbes in der Altstadt.  So hat die Kommune für nachhaltige Veranstaltungen in der Altstadt einen Leitfaden entworfen. Er enthält Tipps für Veranstalter, wie sie ihre Events klimafreundlich durchführen können. Über das EU-Sofortprogramm „Perspektive Innenstadt“ hat sich die Stadt jetzt ein nachhaltiges Veranstaltungsequipment angeschafft, das zusammen mit dem Leitfaden interessierten Veranstaltern, Vereinen und Schulen zur Verfügung gestellt werden soll. „Dazu zählen 100 Stapelstühle, mobile Mülltrennsysteme, elektrische Transportwagen, aber auch 100 Funkkopfhörer für sogenannte Silent-Events, sagt Jan-Peter Hohls vom Tourismusmarketing. „Eine Reise nach Celle ist eine Reise ohne schlechtes Gewissen“, lautet einer der Slogans der Stadt. 

Oberbürgermeister von Celle, Jörg Nigge

Nachhaltigkeit darf keine leere Worthülse sein, die man sich als Button ans Revers heftet."

Jörg Nigge, Oberbürgermeister von Celle

Anders als bei Reisen ins Ausland kann beim Urlaub im eigenen Land immerhin auf Flüge verzichtet werden. Doch was ist mit dem Alpentourismus? Schneekanonen im Winter und Massen von Touristen, die in touristischen Hotspots Natur und Bewohnern zusetzen?  Nachhaltiger Tourismus ist langfristig die einzige Alternative zum konventionellen Alpentourismus, um den Lebensraum für Natur und Mensch zu sichern, plädieren Experten vom Umweltbundesamt. Auch die einheimische Bevölkerung muss teilweise vor einem Massenansturm geschützt werden. Während der Corona-Krise gingen Bürger vielerorts fast auf die Barrikaden, weil die Autokolonnen die Orte regelrecht verstopften, Rehe flüchteten aus dem Wald auf die Straßen und bezahlten die Flucht mit dem Leben. An Ostsee und Nordsee mussten Bürgermeister Parkplätze und Strände sperren lassen, weil der Besucherandrang zu groß wurde.  

Tourismusverband lobt Bundeswettbewerb aus

„Immer mehr Kommunen und lokale Tourismus-Akteure haben inzwischen Nachhaltigkeitskonzepte“, bilanziert Dirk Dunkelberg, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes. „Der nachhaltige Tourismus ist in Deutschland nicht erst seit Corona ein großes Thema, sanfter Tourismus war schon vor knapp 30 Jahren ein erstrebenswertes Ziel.“ Damals startete der Tourismusverband den Bundeswettbewerb „Umweltfreundliche Fremdenverkehrsorte in Deutschland“.  In diesem Jahr beteiligten sich 44 Städte, Gemeinden und Regionen am Wettbewerb „Nachhaltige Tourismusdestinationen in Deutschland“.  In  der Kategorie Starter hat Oberstdorf den 1. Preis geholt. Hier finden Sie alle Preisträger!

Oberstdorf
Oberstdorf - hohe Berge, saftige Wiesen.

Oberstdorf will Natur bewahren

Oberstdorf ist als Tourismusort sehr gefragt. Jedes Jahr übernachten in der südlichsten Gemeinde Deutschlands mehr als 2,6 Millionen Gäste. In Oberstdorf findet jedes Jahr das Auftaktspringen der Vierschanzentournee statt. Die WM-Skisprung-Arena ist mit ihren fünf Schanzen weit über Deutschland hinaus bekannt. Wer einmal in der Gemeinde im Landkreis Oberallgäu war, kennt aber auch die stillen Ecken und die grandiosen Ausblicke und vergisst die schmackhafte einheimische Küche nicht so schnell wieder. „In unserer Kommunikation setzen wir nicht auf den Begriff Nachhaltigkeit, sondern auf einen bewussten Umgang mit unseren Ressourcen“, erläutert Marketingchefin Beatrice Fröhlich die regionale Strategie. „Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, die Natur zu bewahren und zu schützen.“ 

Keule mit dem Begriff Nachhaltigkeit

Das geht schon los bei der Anreise. Wer mit dem Zug nach Oberstdorf kommt, bekommt bei ausgewählten Gastgebern einen zehnprozentigen Preisnachlass. Busfahren im Ort ist für die Übernachtungsgäste mit Gästekarte kostenlos. Und es gibt jede Menge Tipps für die Besucher. Ihnen wird eine Vielzahl an Wanderwegen vorgeschlagen, damit sie sich verteilen. „Wir tun alles, um die Gäste zu sensibilisieren“, sagt Fröhlich. Die Initiative „Zämed duss“ – zusammen draußen – soll dazu animieren, Rücksicht zu nehmen – auch gegenseitig. Konfliktpotenzial zwischen Mountainbikern und Wanderern gibt es genug. Die Kurbetriebe Oberstdorf gehen das Thema Nachhaltigkeit bewusst nicht frontal an: „Die Keule mit dem Begriff Nachhaltigkeit lehnen die meisten Menschen mittlerweile ab“, sagt Beatrice Fröhlich. „Wir setzen daher nicht auf diese Bezeichnung, verfolgen das Ziel aber nachdrücklich.“

So wird ihre Kommune ein nachhaltiger Tourismus-Ort

  • Analysieren Sie Chancen und Risiken des Tourismus in Ihrer Region.
  • Entwickeln Sie eine nachhaltige Tourismusstrategie.
  • Integrieren Sie die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit in den Leitlinien: Ökonomische Sicherung, ökologischer Schutz von Natur und Landschaft, Soziales wie Gemeinwohl und Lebensqualität.
  • Binden Sie alle wichtigen Akteure ein.
  • Führen Sie freiwillige Selbstverpflichtungen ein.
  • Befragen Sie Gäste zu den Nachhaltigkeitsangeboten und schärfen damit das Bewusstsein.
  • Klären Sie die Besucher möglichst unterhaltsam und sanft darüber auf, wie sie sich zum Schutz der Natur verhalten können.
  • Erkennen Sie Interessenskonflikte!
  • Führen Sie ein Besuchermanagement ein, um so Konflikte zu vermeiden oder zu minimieren.
  • Schulen Sie Reiseleiter und Gästeführer in nachhaltigem Qualitätstourismus.

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