Gemeinderat und Stadtrat
Recht: Öffentliche oder nicht öffentliche Sitzung
Öffentlich oder nicht öffentlich - die Kriterien
Das öffentliche Wohl spricht vor allem die Interessen der Gemeinde und anderer öffentlicher Stellen an, wenn diese durch eine öffentliche Sitzung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wesentlich oder nachteilig verletzt werden könnten. Zum Beispiel bei Kreditgeschäften der Gemeinde oder bei informationstechnischen Sicherheitsdetails. Berechtigte Interessen Einzelner sind rechtlich geschützte oder anderweitig schutzwürdige Interessen; etwa persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, deren Bekanntgabe an die Öffentlichkeit für den Einzelnen nachteilig sein kann und an deren Kenntnis kein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit besteht.
Ein solches schutzwürdiges berechtigtes Interesse eines Einzelnen liegt grundsätzlich bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und bei Personalangelegenheiten vor. Zwar sind Vergabeentscheidungen grundsätzlich geheim zu halten und nicht öffentlich zu beraten sowie zu entscheiden, wenn zu erwarten ist, dass in der Sitzung Geschäftsgeheimnisse Gegenstand einer Erörterung werden. Die Vergabeentscheidung an sich unterliegt hingegen dem Grundsatz der Öffentlichkeit, wenn keine Interessen Einzelner Gegenstand sind. Es bedarf einer Abwägung im Einzelfall.
Wann muss nicht öffentlich getagt werden?
Die Frage, ob und inwieweit ein Ausschlussgrund im Einzelfall angenommen werden kann, ist nicht ganz einfach zu beantworten. Denn nicht immer liegt die Annahme eines Ausschlussgrundes auf der Hand; stets bedarf es einer Einzelfallabwägung.
Erforderlich dafür ist, dass Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährdung des öffentlichen Wohls oder berechtigter Interessen Einzelner durch die öffentliche Sitzung schließen lassen. Bei dieser Prüfung, ob sich die Gefahr einer Beeinträchtigung individueller oder öffentlicher Belange tatsächlich verwirklichen könnte, besteht ein gewisser Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum. Der Ausschluss der Öffentlichkeit muss sich aber auf nachprüfbare Tatsachen für eine Gefährdung stützen. Dabei ist klar, dass der Verlauf einer Sitzung nicht zuverlässig prognostiziert werden kann. Deswegen kann sich die Prognose, ob geheimhaltungsbedürftige Dinge erörtert werden könnten wegen des thematischen Zusammenhangs und der Unvorhersehbarkeit der einzelnen Wortbeiträge grundsätzlich nur auf das gesamte Beratungsthema insgesamt beziehen.
Soweit sich (erst) im Laufe der Beratung eines Tagesordnungspunktes zeigt, dass die Voraussetzungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit vorliegen, ist die Öffentlichkeit sodann auszuschließen. In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, die Beratung teilweise in öffentlicher und teilweise in nicht öffentlicher Sitzung durchzuführen.
Wenn Unterlagen nicht öffentlich sind
Mitteilungsvorlagen und andere verwaltungsinterne Dokumente sind regelmäßig nicht öffentliche Unterlagen. Stellt die Verwaltung den Gemeindevertretern in ihrer amtlichen Funktion solche verwaltungsinternen Dokumente zur Unterrichtung zur Verfügung, so sind diese Dokumente als nicht öffentlich einzuordnen, gleich ob ihr Inhalt oder der dazugehörige Tagesordnungspunkt öffentlich oder nicht öffentlich ist. Gemeindevertreter dürfen sich über die Entscheidung, wonach bestimmte Unterlagen nur intern verwendet werden sollen, nicht eigenmächtig hinwegsetzen.
Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht
Eng mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit ist die Verschwiegenheitspflicht verbunden, gegen die insbesondere bei nicht öffentlichen Angelegenheiten verstoßen werden kann. Gemeindevertreter sind nach dem Kommunalrecht der Länder dazu verpflichtet, über die ihnen durch und in ihrer Tätigkeit als Mitglieder der Vertretung bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich, besonders vorgeschrieben oder von der Gemeindevertretung oder einem Ausschuss angeordnet ist, Verschwiegenheit zu wahren. Die Pflicht zur Verschwiegenheit folgt aus dem besonderen Treueverhältnis, in dem Gemeinde und Gemeindevertreter zueinanderstehen.
Grundsätzlich dürfen Umstände so lange nicht offenbart werden, wie die Gemeindevertretung oder ein Ausschuss die Angelegenheit nicht in öffentlicher Sitzung behandelt hat, es sei denn, es ist offenkundig, dass die Umstände keiner Vertraulichkeit unterliegen. Die Geheimhaltung von Angelegenheiten ist ihrer Natur nach erforderlich, wenn eine Offenbarung dem Gemeinwohl oder dem berechtigten Interesse Einzelner zuwiderlaufen würde. So sind vor allem Angelegenheiten, die in nicht öffentlicher Sitzung zu behandeln wären oder behandelt wurden, geheimhaltungsbedürftig. Die Pflicht zur Geheimhaltung besteht dabei selbst dann, wenn die Öffentlichkeit rechtswidrig ausgeschlossen worden ist. Es reicht aus, dass eine Angelegenheit für den nicht öffentlichen Teil vorgesehen und dementsprechend auf der Tagesordnung diesem Teil der Sitzung zugeordnet ist, unabhängig davon, ob diese Zuordnung richtig ist. Mit anderen Worten: die Überzeugung, dass eine Angelegenheit nicht geheimhaltungsbedürftig sei, entbindet nicht von der Verschwiegenheitspflicht.
Stellt die Verwaltung verwaltungsinterne Dokumente zur Verfügung, so unterliegen diese Dokumente aus der Natur der Sache heraus der Verschwiegenheitspflicht unabhängig davon, ob ihr Inhalt geheimhaltungsbedürftig ist oder nicht. Denn Gemeindevertreter dürfen sich über die Entscheidung, wonach bestimmte Unterlagen nur intern verwendet werden sollen, nicht eigenmächtig hinwegsetzen.
Flucht der Gemeindevertreter in die Öffentlichkeit
Nur ganz ausnahmsweise soll sich ein Gemeindevertreter „in die Öffentlichkeit flüchten“ dürfen, wenn der Öffentlichkeitsgrundsatz von einer Mehrheit der Gemeindevertretung rechtswidrig verletzt worden ist und er zuvor alle Mittel – verwaltungsgerichtlicher Eilrechtsschutz, Anrufung der Kommunalaufsichtsbehörde – ausgeschöpft hat, um diesem Umstand abzuhelfen. Einem Gemeindevertreter ist es allerdings zumutbar, sich an die Rechtsaufsichtsbehörde zu wenden, um ein Einschreiten gegen, seiner Auffassung nach, unrechtmäßige Ausschlüsse der Öffentlichkeit zu erreichen.
Sanktionierung bei Verstoß gegen Verschwiegenheitspflicht
Die schuldhafte Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann durch die Gemeindevertretung mit einem Ordnungsgeld geahndet werden. Hierüber ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ausfluss dieser Ermessensausübung ist es, dass unterhalb der Schwelle der Verhängung eines Ordnungsgeldes die Pflichtverletzung durch schlichten Beschluss festgestellt und damit das Verhalten eines Gemeindevertreters missbilligt und gerügt werden kann. Bei einem rein formalen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht wäre es etwa unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft diesen Verstoß zu sanktionieren, wenn die Öffentlichkeit zu Unrecht ausgeschlossen worden ist.
Fazit: Grundsatz der Öffentlichkeit hohes Gut
Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist ein hohes Gut und Kernelement demokratischer Entscheidungsfindung. Die Öffentlichkeit darf nur ausgeschlossen werden, wenn eine Einzelfallabwägung der widerstreitenden Interessen ergibt, dass das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner nach einer Prognose aufgrund von Tatsachen gefährdet ist. Bloße Mitteilungs-/Informationsvorlagen der Verwaltung unterfallen nicht dem Grundsatz der Öffentlichkeit. Insoweit ist zwischen Tagesordnungspunkten und dazugehörigen Dokumenten sowie zwischen Beschluss- und Informationsvorlagen im Einzelfall zu trennen. Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht können geahndet werden. Aber auch hier bedarf es einer gründlichen Abwägung. All das stellt die kommunale Praxis vor Herausforderungen, die auch zukünftig eine besondere Aufmerksamkeit erfordern.
Tobias Schröter ist Anwalt bei DOMBERT Rechtsanwälte.

