Recht aktuell
Konnexitätsfalle: Wer bestellt, bezahlt auch?!
Konnexitätsprinzip und der Streit ums Geld
Das wird dann interessant, wenn nicht der Regelfall einer Aufgabenübertragung durch Landesgesetz auf die Kommunen gegeben ist. Was ist etwa, wenn die Kommunen eine Aufgabe seit Jahrzehnten bereits aufgrund eines älteren Landesgesetzes wahrnehmen, der Inhalt der Aufgabe sich aber nun durch ein neues Bundesgesetz verändert und die Umsetzung dieser Änderungen Mehrkosten verursacht? Wollen sich Kommunen hiergegen wehren, bleibt ihnen nur der Gang vor das jeweilige Landesverfassungsgericht – binnen Jahresfrist. Angesichts der vielfältigen juristischen Fragestellungen ist kommunalen Entscheidungsträgern häufig nicht klar, wann es sich für ihre Kommune lohnt, genauer hinzusehen.
Wann wird das Konnexitätsprinzip ausgelöst?
Auch wenn die einzelnen Regelungen in den Landesverfassungen im Wortlaut leicht voneinander abweichen, lassen sich doch überblicksartig einheitliche Voraussetzungen anführen, die das Konnexitätsprinzip auslösen. Zunächst geht es beim Konnexitätsprinzip immer um den Fall einer Aufgabenübertragung, also die Zuweisung einer Zuständigkeit für eine Aufgabe, des Landes auf seine Kommunen, etwa die Wahrnehmung des örtlichen Trägers der Kinder- und Jugendhilfe.
Eine Aufgabenübertragung des Bundes auf die Kommunen ist seit der Föderalismusreform I verfassungsrechtlich verboten. Eine damit angesprochene Aufgabe meint eine oder mehrere Verwaltungsangelegenheiten, die die Kommunen nach außen wahrnimmt (etwa Jugendsozialarbeit). Nicht gemeint sind hingegen organisatorische Vorgaben, die sich nur intern in der Verwaltung auswirken (zum Beispiel Vorgabe zur Einrichtung eines Jugendamtes). Die Aufgabe, die das Land seinen Kommunen überträgt, muss nicht neu im Sinne von erstmalig sein. Denn anerkannt ist, dass auch die spätere Änderung oder Erweiterung einer Aufgabe wie inhaltliche Vorgaben zur Jugendsozialarbeit erfasst sind. Das ist nur konsequent, schließlich kann eine erweitere Aufgabe erfordern, dass mehr Personal benötigt wird (beispielweise mehr Jugendsozialarbeiter), wodurch der Kommune Mehrkosten entstehen, die sie nicht zu verantworten hat.
Streitfall Kinder- und Jugendstärkungsgesetz
Aktuellster Streitfall ist das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG), mit dem der Bund die inhaltlichen Anforderungen in der Kinder- und Jugendhilfe erheblich verändert und erweitert hat. Diese neuen Anforderungen führen absehbar dazu, dass auf die zuständigen örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe, zumeist werden dies die Landkreise und kreisfreien Städte sein, ebenso erhebliche Mehrkosten für zusätzliches Fachpersonal zukommen.
Die Besonderheit dieser Konstellation liegt also darin, dass die Kommunen bereits seit Jahren örtliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe sind. Eine neue Aufgabenübertragung muss das Land gar nicht veranlassen, denn die Kommunen sind seit langem zuständig. Aber auch die spätere Erweiterung der Aufgabe Kinder- und Jugendhilfe hat nicht das Land vorgenommen, sondern geht auf den Bund zurück. Mit dem Argument, die damit verbundenen Mehrkosten gar nicht verursacht zu haben, machen sich die Länder nun einen „schlanken Fuß“ – zu Lasten ihrer Kommunen. Denn die bleiben auf den Kosten sitzen, weil der Bund wiederum den Kommunen keine Finanzmittel unmittelbar zuweisen darf. Die Kommunen sitzen damit in der sogenannten Konnexitätsfalle.

Das Konnexitätsprinzip muss deshalb auch in solchen Sachverhalten anwendbar sein. Die Zuständigkeit der Kommunen für die Kinder- und Jugendhilfe geht schließlich nach wie vor auf eine zurückliegende Aufgabenübertragung des Landes zurück. Würde diese alte Aufgabenübertragung nicht auch den durch den Bund veränderten Inhalt der Aufgabe – wie eine Art Sammelgefäß – umfassen, so müssten die Kommunen die Änderungen auch nicht umsetzen. Weil sie dazu aber durch das Land verpflichtet sind, ist das Land auch seinerseits verpflichtet, die Mehrkosten auszugleichen.
Das Konnexitätsprinzip ist keine Einbahnstraße. Für die Länder ist das nicht ungerecht. Sie könnten durch ihre Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung im Bundesrat dafür sorgen, dass der Bund sie finanziell unterstützt. Sie könnten die Aufgabe aber auch auf ihre eigenen Kosten selbst durch die Landesverwaltung wahrnehmen. Anders gewendet: Es kommt auf die Zuständigkeitsregelung und nicht die Sachregelung selbst an. Für die Zuständigkeitsregelung ist aber allein das Land verantwortlich.
Der Kostenausgleich
Kommt man zu dem Ergebnis, dass das Konnexitätsprinzip Anwendung findet, muss das Land die finanzielle Mehrbelastung ausgleichen, die den Kommunen durch die Erfüllung der zugewiesenen Aufgabe entsteht. Andernfalls würde sich ihr finanzieller Spielraum unzulässigerweise verringern. Die Mehrbelastung wird durch einen Vergleich zwischen den Kosten vor und nach der Übertragung für die Kommune berechnet. Umfasst sind Sach-, Personal- und Verwaltungskosten. Liegt eine finanzielle Mehrbelastung vor, muss das Land eine Kostendeckungsregelung erlassen – und zwar gleichzeitig mit der Aufgabenübertragung. Die Kommunen müssen nicht in Vorleistung gehen und sich auch nicht um eine nachträgliche Erstattung bemühen. Der Höhe nach erfolgt der Kostenausgleich nicht als Spitzabrechnung.
Die Länder dürfen pauschalieren. Grundsätzlich müssen die Pauschalen aber so sein, dass jede Kommune einen vollständigen Kostenausgleich erreichen kann. Das Land muss hierfür eine nachvollziehbare und belastbare Prognose anstellen. Der Kostenausgleich zum Schutz der Kommunen ist dabei keine einmalige Sache. Vielmehr handelt es sich um eine fortlaufende Pflicht des Landes. Es muss die Kostenentwicklung daher beobachten und gegebenenfalls auch bei der Höhe des Kostenausgleichs nachbessern.
Fazit: Keinen Bären aufbinden lassen
Freilich ist in den juristischen Einzelheiten manches umstritten. Klar ist aber, dass das Konnexitätsprinzip die Kommunen vor einer Aushöhlung ihrer Finanzen durch das Land schützen soll. Kommt eine Anwendung des Konnexitätsprinzips jedenfalls in Betracht, lohnt es sich für kommunale Entscheidungsträger ganz genau hinzusehen und sich vom Land „keinen Bären aufbinden zu lassen“. Im Zweifel müssen die Kommunen ihr Recht durchsetzen – frei nach dem Motto: „Wer die Musik bestellt hat, muss auch die Rechnung bezahlen."


