Neue Studie
Wie Kommunen Open Data betreiben können
Hemmnis für Open Data: Zersplitterte Gesetzgebung
Einer neuen Studie des Instituts für Innovation und Technik im Auftrag des Bundeswirtschaftsministerium zufolge, die KOMMUNAL vorliegt, erschwert zum einen die derzeit bestehende zersplitterte Gesetzgebung die Nutzung von Open-Public-Data in Deutschland deutlich. Denn je nach Bundesland unterscheiden sich Art und Umfang der Veröffentlichungspflichten deutlich.
"Die Effektivität von bestehenden Open-Data-Regelungen fällt sehr unterschiedlich aus und hängt nicht zuletzt davon ab, ob gesetzlich vorgegebene Veröffentlichungspflichten auch umgesetzt werden", heißt es in der Studie. Eine Schlussfolgerung daraus: Gewährt das jeweilige Gesetz kein subjektives und gegebenenfalls einklagbares Recht auf Datenbereitstellung, bestehe die Gefahr, dass die transparenzpflichtigen Stellen ihre Verpflichtungen nicht im vollem Umfang erfüllen.
Verwaltung mit Open-Public-Data überfordert
Dazu kommen aber ganz praktische Probleme vor Ort: Denn eine breitere Offenlegung und Nutzung von Open Public Data verlangt umfangreiche Ressourcen. Und genau daran fehlt es in den meisten Verwaltungen.
"Vor allem für kleinere öffentliche Verwaltungen ist es eine technische und personelle Herausforderung, diese Datenbestände umfassend bereitzustellen", benennen die Autoren der Studie die nicht ausreichenden Kapazitäten als Problem.
Open Data: Anteil der Kommunen liegt bei unter einem Prozent
Bislang sind die Kommunen weitgehend von der Pflicht ausgenommen, Daten öffentlich bereit zu stellen. Im Rahmen von Transparenzsatzungen verpflichten sich dennoch einige Kommunen freiwillig dazu, ihre Informationen offen zu legen. Insgesamt beseht noch jede Menge Potenzial: Bei rund 11.000 Gemeinden in Deutschland liegt der Anteil der Kommunen, die offene Daten bereitstellen, bei unter einem Prozent, heißt es in der Studie.

Nur wenige Kommunen in Deutschland stellen bislang Open-Data bereit. Quelle: Krabina und Wiedemann 2019
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sehr aktiv
Während Hamburg und Berlin als gute Praxisbeispiele gelten könnten, werden in den Flächenländlern weniger Daten veröffentlicht. Nur Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pflalz seien bereits sehr aktiv. Die meisten anderen Bundesländer dagegen weisen der Studie zufolge teils erheblichen Aufholbedarf auf. Speziell im Bereich der amtlichen Geoinformation sei die Verfügbarkeit von Daten stark eingeschränkt.
Die Zahl und die Qualität der bereits verfügbaren Datensätze variiert im Vergleich der veröffentlichenden Stellen stark: Während in manchen Portalen mehrere 1000 Datensätze verfügbar sind und Daten in Echtzeit automatisiert abrufbar sind, finden sich laut der Studie in anderen Portalen nur wenige Datensätze und das oft lediglich als statische PDF-Formate.
Wie können weitere Hemmnisse beseitigt werden?
Die Autoren verweisen darauf, dass es für die Bereitstellung von Open- Data oder Open Public Data bisher keine festgelegten Standards oder Normen in organisatorischer und technologischer Hinsicht gibt. Das sollte sich ändern. Vor allem fehlten Kommunen klare Maßgaben, die etwa definieren, welche Daten der Öffentlichkeit in welcher Form und wie bereitgestellt werden sollten. Öffentliche Stellen sollten daher mehr informiert werden und ein Erfahrungsaustusch zwischen Verwaltungen initiiert werden.
Ihr Appell: Über geförderte Weiterbildungsmaßnahmen sollten Verwaltungen dazu in die Lage versetzt werden, Open- Data zu betreiben. Angestellte in öffentlichen Verwaltungen sollten im kommunalen Digitalisierungs- und Datenmanagement geschult werden.
Bund und Land sollen Kommunen bei Open-Data unterstützen
Und was ist mit der praktischen technischen, finanziellen und personellen Umsetzung? Hier sehen die Autoren ebenfalls klaren Unterstützungsbedarf. Die Bundes-und Landesebene könnten etwa planerische Arbeiten der Kommunen fördern: Denn nur so können sie die Nutzungspotenziale von Open-Public-Data vor Ort ermitteln. Auch sollte die Implementierung von Strategie- und Organisationsmodellen unterstützt werden.
Für die Verfasser der Studie ist aber auch eins klar: Die größte Herausforderung bestehe im Aufbau einer tatsächlich gelebten Datenkultur innerhalb der Verwaltung und insbesondere innerhalb der Unternehmen der öffentlichen Hand: "Der hier notwendige Kulturwandel wird dabei vor allem durch organisationspolitisches Kalkül erschwert", schreiben sie und werden dabei ziemlich deutlich: "Der Zugriff auf und die Kontrolle von bestimmten Datensätzen bedeutet Macht, die zur Verbesserung der eigenen Position innerhalb eines Verwaltungsapparats oder zur Kaschierung etwaiger Fehler einzelner Organisationseinheiten genutzt werden kann."
Erfolgreiche Beispiele für Open-Data-Projekte:
Das gilt sicherlich nicht generell für die Kommunen. Die Gründe, warum es so schleppend vorangeht, sind vielfältig. Die Studie enthält zahlreiche Beispiele, in denen Städte, Gemeinden und Landkreise engagiert Open-Data betreiben.
- Als Pilotprojekt eines Open-Data-Portals für 21 Gemeinden des ländlichen Raums gilt die kommunalen Datenverarbeitungszentrale (kdvz) Rhein-Erft-Rur. Bertrieben wird sie von einem dafür gegründeten kommunalen Zweckverband.
- Der Kreis Lippe bietet einen Lebenslagenatlas in Verbindung mit seinem Geoportal. Bürger finden dort Informationen zu 150 Alltagsthemen. Das Angebot basiert auf einer Kombination der Geoinformationsdaten des Kreises sowie der zugehörigen Städte. Von der Information über einheitlichen Behördenrufnummer werden Fragen um die Themen Tourismus, Infrastruktureinrichtungen, Ordnung, Verkehr, Verbraucherschutz, Jugend, Familie und Gesundheit beantwortet.
Die jährlichen Zugriffe auf den Lebenslagenatlas liegen ungefähr im fünfstelligen Bereich. Am häufigsten werden die Daten des Sektors Bauleitplanung abgerufen. Im Interview zeigte sich, dass im Hinblick auf Kartenanwendungen die Nachfrage nach Liegenschaftskarten bzw. Katastern, 3-D-Modellen und Bebauungsplänen am höchsten ist. Die Daten des Liegenschaftskatasters werden hier kostenfrei zur Verfügung gestellt.
- Im November 2019 wurde der Metropolatlas Rhein-Neckar veröffentlicht. Darin werden Daten für regionalplanerische Aufgaben bereitgestellt. Integriert sind amtliche Statistiken, community-basierte Daten und projektbezogene Ergebnisse. Diese werden wiederum in Karten und Grafiken visualisiert.
Daneben beinhaltet der Metropolatlas Themenkarten zu Mobilität, Infrastruktur, Bildung, Wirtschaft, Gesundheit und Lebensqualität. Somit verbessert er die evidenzbasierte Planungsgrundlage für die Verwaltungen in der Region. Der Regionalatlas zentralisiert die Daten aus drei statistischen Landesämtern und ergänzt sie um community-generierte und kommerziell erworbene Datensätze - etwa von Bundesagenturen, Bundesämtern, Verkehrsverbünden, Mobilitätsdienstleistern und OpenStreetMap in einer Datenbank.
- Dass offene Geodaten im Tourismus neue Möglichkeiten zur Verbesserung von Services und zur Zusammenarbeit von Unternehmen zeigt ein weiteres Projekt. Der Landkreis Cham hat in Verbindung mit seinem Geoinformationssystem eine Anwendung über die Geoinformationssoftware-Plattform ArcGIS Desktop bereitgestellt. Sie gilt mittlerweile als eine der meistgenutzten Wanderkarten Deutschlands.
Der Kartendienst des Naturparks Oberer Bayerischer Wald bietet zusätzlich genaue Informationen rund um Wander-, Fahrrad- und Motorradtourismus. Die Kartenanwendung macht es möglich, sich Standorte von Ausflugszielen unterschiedlicher Kategorien anzeigen zu lassen, Naturinformationen abzurufen, schnell zu öffentlichen Gebäuden wie Behörden oder Krankenhäusern zu navigieren und sich Gewerbeniederlassungen vieler Branchen anzeigen zu lassen. Über die Karte werden Verbindungen zu den Websites von Gewerbetreibenden hergestellt, wodurch deren Sichtbarkeit erhöht wird. Auch Elektrotankstellen werden aufgeführt.
Die frei zur Verfügung gestellten Daten werden mittlerweile von Wanderkartenverlagen für ihre Produkte weiterverwertet. Auch regionale Planungsbüros, Forstwirte oder Jäger nutzen zunehmend die hochwertigen Geoinformationen, berichtete der Ressortverantwortliche des Landkreises in einem Interview.
- Open-Data kann auch im Zuge von Anwendungen genutzt werden, die barrierefreie Mobilität in städtischen Quartieren zu befördern: In Heidelberg wird das Projekt über eine App umgesetzt, durch die Stadt und den Fachbereich Geoinformatik der Universität Heidelberg. In diesem Jahr sollen die Anwendung des Hürdenlos-Nacis auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet werden, bis dahin war sie auf die Altstadt begrenzt.
- Ein anderes Beispiel: Die App der Stadt Moers, genannt Mein Moers, erinnert Bürger an Müllabfuhrtermine, zeigt in Echtzeit freie Parkplätze an, integriert einen Veranstaltungskalender und ermöglicht virtuelle Stadtrundgänge. Die in dieser Anwendung dargestellten Daten stammen zu nennenswerten Anteilen aus dem Open-Data-Portal der Stadt. Innerhalb der App werden virtuelle Stadtrundgänge möglich gemacht, sogar einige Geschäfte können auf diese Weise erkundet werden.

Die Entwicklung wird durch hochauflösende Panoramabilder ermöglicht, die von einer lokalen Digital- und Werbeagentur erstellt und ebenfalls über das Open-Data-Portal der Kommune frei verfügbar gemacht wurden Informationen zu Sehenswürdigkeiten und Öffnungszeiten sind innerhalb der Anwendung ebenfalls abrufbar.
Neben den Ortsansässigen können auch Touristen von der App als Orientierungshilfe profitieren. Gewerbetreibende erhalten die Möglichkeit, sich über die App potenziellen Kunden zu präsentieren. Anhand der App wird deutlich, wie durch das Zusammenspiel eines jungen App-Entwicklers - dem Schüler Lennart Fischer, Mitglied der Gruppe Code for Niederrhein – Teil des Open Knowledge Foundation e. V.- , einer Internetagentur, einer engagierten Kommune und der Gewerbetreibenden einer Stadt eine Anwendung entsteht, in der Open Public Data zusammengeführt und aufgewertet wird. Bewohner und Touristen erhalten Informationen rund um das Leben in der Stadt.
- ÖPNV-Unternehmen sowie Kommunen stellen immer häufiger ihre Fahr- und Linienpläne auf Open-Data-Portalen online. So auch die Stadt Leipzig. Mobilitätsdaten werden auch für die App „Leipzig mobil“ verwertet werden. Die App deckt ein umfangreiches Funktionsspektrum ab, etwa den Ticketerwerb oder das Anmieten von Fahrrädern.
Für die Kurzstudie der wissenschaftlichen Begleitforschung des Technologieprogramms Smart Service Welt II wurden zahlreiche Quellen und Dokumente analysiert. Zudem wurden Experten aus Kommunen, öffentlichen Unternehmen und Dienstleistern interviewt, in einem Fachworkshop die Themen noch vertieft.
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