Bildung
Privatschulen: Mehr als ein Lückenfüller
Es entstand die „Freie Realschule Hümmling“, eine von einer gemeinnützigen Schulgesellschaft getragene Schule in freier Trägerschaft. Heute hat die Schule 155 Schüler, die einzügig von der fünften bis zur zehnten Klasse unterrichtet werden. Die Kommune vermietete ein gemeindeeigenes Gebäude an die Schulgründer, „und zwar gern“. Immer noch unterstützt die Gemeinde die Schule in freier Trägerschaft dort, wo es rechtlich möglich ist – was erst seit der staatlichen Anerkennung der Schule möglich ist. Schüler, die die freie Schule besuchen, erhalten zum Beispiel Unterstützung bei den Kosten für die Schülerbeförderung. „Wenn es die freie Schule nicht gäbe, hätten wir ja keine weiterführende Schule mehr bei uns“, sagt Bürgermeister Ermes.
Privatschule für die Gemeinde die Rettung
„Für eine Gemeinde ist eine Privatschule ein Geschenk“, sagt Bernd Dietrich. Er ist Vorsitzender des Verbands Bayerischer Privatschulen: „Im Alltag ist es doch so: Die Kommune ist der Sachkostenträger für die öffentlichen Schulen“, sagt Dietrich. „Die Gebäude, das Sekretariat, der Sportplatz – das erbringen alles die Kommunen.“ Privatschulen erhielten diese Leistungen von den Kommunen in aller Regel nicht: Gründet sich irgendwo im Land eine neue freie Schule, entstünden neue Schulplätze, die dem kommunalen Haushalt aber nicht zu Last fielen. „Man hat keine Baukosten, muss keinen Hausmeister einstellen und kein Sekretariat besetzen“, sagt Dietrich. „Für eine Kommune kann es eine große finanzielle Entlastung sein, wenn sie solch eine Schule vor Ort hat.“

Zuschüsse für freie Schulen
Öffentliche Gelder erhalten die bundesweit knapp 3.700 allgemeinbildenden Schulen in freier Trägerschaft von den Ländern: Sie erstatten ihnen Anteile an den Personal-und Sachkosten einer vergleichbaren öffentlichen Schule. Die Höhe dieser Beiträge schwankt zwischen den Bundesländern. Im Durchschnitt, so der Verband der Privatschulen in Sachsen und Thüringen, erhalten sie zwei Drittel der Kosten erstattet, die ein Schüler an einer vergleichbaren staatlichen Schule verursacht. Das Land Berlin erstattet aber beispielsweise nur 93 Prozent der vergleichbaren Personalkosten, Sachkosten gar nicht. Deshalb müssen die Eltern von Kindern, die eine Schule in freier Trägerschaft besuchen, ein Schulgeld entrichten. Je nach Schulträger und Typ der Schule schwankt es beträchtlich und kann von einigen tausend Euro an exklusiven Internaten bis zu einer völligen Schulgeldfreiheit für bedürftige Schüler an Schulen reichen, die von den Kirchen oder von Wohlfahrtsverbänden getragen werden.
Unterschiedlich sind auch die Regelungen, ab wann eine neu gegründete Schule staatliche Unterstützung erhält: In Brandenburg soll die Wartezeit für neue Gründungsinitiativen künftig nur noch zwei Jahre betragen, bislang waren es drei Jahre. So ist es auch in Sachsen, zusätzlich können sächsische Schulen aber für die Dauer der Wartefrist bereits 80 Prozent der Zuschüsse bestehender freier Schulen erhalten.
Standortvorteil durch Vielfalt
Doch das Engagement für die Schulen in freier Trägerschaft kann sich lohnen. „Für eine Gemeinde könnten Privatschulen indes auch ein Standortvorteil sein“, sagt Dietrich. Denn sie seien pädagogisch oft anders ausgerichtet als die staatlichen Schulen. „Es gibt zum Beispiel konfessionelle oder internationale Schulen“, sagt Dietrich. Dazu kämen Waldorfchulen oder Montessori-Schulen. Im städtischen Bereich seien indes vor allem Schulen beliebt, die auch einen ausländischen Abschluss anbieten: Sie würden das Interesse von Mitarbeitern internationaler Unternehmen wecken, für deren Nachwuchs auch ein späterer Umzug ins Ausland kein Problem werde. „Auch beim Recruiting von Mitarbeitern für die ortsansässigen Unternehmen und auch für die Kommune sind Schulen in freier Trägerschaft ein Vorteil“, sagt Dietrich. „Die Kommunen werden attraktiver, wenn die Eltern wählen können, welche Schule ihre Kinder besuchen sollen – das ist so wie bei den Kindergärten, wo es auch ein Vorteil ist, wenn man mehrere Anbieter vor Ort hat.“

Privatschule darf staatliche Schule nicht gefährden
Es gibt auch skeptischere Stimmen: Etwas anders als der Vertreter des Privatschulverbands sieht das Thema Schulen in freier Trägerschaft der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg, Jens Graf. Auch aus seiner Sicht können die Schulen für manche Gemeinde ein Segen sein: „In Zeiten von Schulschließungswellen war die Sicherung einer Privatschule eine wichtige Sicherung einer Infrastruktur.“ Heute gebe es deswegen in der Tat Gemeinden, die freie Schulen als Teil des Bildungspluralismus begrüßen. Und ganz aktuell könnten die Schulen in freier Trägerschaft auch dabei helfen, dass ein Mangel an Schulplätzen, der etwa durch Kinder und Jugendliche aus Syrien oder der Ukraine entstanden ist, abgebaut werde. „Es kann aber auch sein, dass gemeindliche Strukturen gefährdet werden, wenn eine staatliche Schule wegen einer parallelen freien Schule nicht mehr genug Anmeldungen hat“, gibt Graf zu bedenken. „Wichtig ist in erster Linie, dass überall im Land ein sicheres und erreichbares Netz an öffentlichen Schulen da ist.“ Der Staat habe einen Bildungsauftrag, der gewährleistet werden müsse. „Der Staat hat ein Bildungsprimat, das Privatschulwesen ist ergänzend.“
