Fit for life
Wahlpflichtfach: Vom Mietvertrag bis zur Steuererklärung:
„fit for life“ sorgt für mehr Praxis an Realschule und Gymnasium
„Mit dem Fach ‚fit for life‘ möchten wir den Schülern an der Realschule und am Gymnasium neben der Theorie auch ganz praktische Fähigkeiten beibringen“, sagt Svea Groß. Die Lehrerin für Arbeitslehre, Religion und Deutsch hat das Fach selbst entwickelt und trifft im Unterricht auf Schüler, die dankbar sind für die deutlich anderen Lerninhalte als in den sonstigen Fächern. Anlass für die Einführung des ungewöhnlichen Fachs war die Beobachtung, dass alltagsrelevante Fähigkeiten im Lehrplan der Realschule oder des Gymnasiums mitunter zu kurz kommen. „Pointiert formuliert kann man sagen: Nach Abschluss der Schule ist eine Gedichtsanalyse in vier Sprachen kein Problem, aber worauf man bei einem Mietvertrag oder einer Versicherung achten soll, haben die Schüler womöglich nie gelernt“, so Groß.
Reguläres Wahlpflichtfach
Die Taunusschule in Bad Camberg ist eine kooperative Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe. „fit for life“ wurde dort vor mittlerweile 4 Jahren als Angebot für die Schüler der 9. und 10. Klasse in der Realschule und im Gymnasium eingeführt, die das Fach zwei Jahre lang jeweils zwei Stunden pro Woche belegen. „‘fit for life‘ ist eines von verschiedenen Angeboten des normalen Wahlpflichtunterrichts bei uns an der Schule und wird wie die anderen Wahlpflichtfächer auch organisiert“, sagt Groß. Zur Kontrolle des gelernten Stoffs gibt es Prüfungen, schriftliche Arbeiten und eine mündliche Präsentation, wobei auch hier die Praxis im Vordergrund steht. Bei den Schülern der Taunusschule sind die zwei „fit for life“-Kurse überaus beliebt. „Die Nachfrage ist groß und wir könnten auch vier Kurse anbieten“, sagt Groß, doch angesichts des knappen Personals könne das Fach aktuell nur zweizügig angeboten werden.
Schüler bestimmen selbst die Themen
Welche Themen im Laufe der zwei Jahre behandelt werden und welche Lebensbereiche besprochen, bestimmen die Schüler zu Beginn des „fit for life“-Kurses selbst. „Anfangs habe ich selbst bestimmte Bereiche abgesteckt, aber mittlerweile frage ich die Schüler zu Schuljahresbeginn gezielt, was sie interessiert und welche Themen sie sich wünschen“, erzählt Groß. In Folge würden sie und ihre Kollegin die entsprechenden Einheiten dazu vorbereiten. Die groben Themenbereiche, die sich herauskristallisieren, ähneln sich gleichwohl seit Einführung des Kurses. Immer auf dem Programm stehen Finanz-Kompetenzen. Wie etwa tätigt man eine Überweisung? Wie investiert man in Aktien? Und wie macht man die Steuererklärung? Antworten auf diese Fragen liefern Groß und ihre Kollegin. Ein weiterer, oft gewählter Schwerpunkt läuft unter dem Titel „Mein erster eigener Haushalt“. Das reicht vom Abschließen eines Mietvertrags über die Relevanz von Versicherungen bis hin zu einer Textileinheit, bei der es unter anderem um das korrekte Wäschewaschen und Socken stopfen geht.
Raus in die Praxis
„Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir“ – diese altbekannte Aussage wird im Wahlpflichtfach „fit for life“ aus Erfahrung von Svea Groß tatsächlich Realität. So würden die Schüler viel mitnehmen für die Bewältigung der verschiedenen Herausforderungen des Alltags und das neue Fach dankbar annehmen. „Die Schüler sollen zu selbstständigeren Menschen heranwachsen, die vorbereitet sind auf das Leben“, so formuliert die Lehrerin das Ziel des Wahlpflichtfachs. Für die Einführung eines solchen Fachs inmitten der traditionellen Kernfächer brauche es vor allem Mut und Offenheit. „Einfach mal ausprobieren“ rät Groß allen Schulen, die Ähnliches planen – die Gestaltung des Faches selbst ergebe sich dann ohnehin aus der Nachfrage der Schüler.
Selbstständige Erwachsene und mündige Bürger
Seit vier Jahren schon unterrichtet Svea Groß an der Taunusschule „fit for life“ und es sind besonders die Rückmeldungen der Schüler wie Eltern, die sie bestärken. Dann etwa, wenn der große Bruder auf Wohnungssuche von seiner kleinen Schwester begleitet wird, die ihm erklären kann, worauf er beim Mietvertrag alles achten muss. Oder wenn eine Mutter berichtet, dass der Sohn zuhause auf einmal beim Thema gesunde Ernährung mitreden möchte. „Für mich ist es der größte Erfolg, wenn die Schüler durch das Fach „fit for life“ dabei unterstützt werden, dass sie zu mündigen, selbstständigen Erwachsenen heranwachsen. Sie gewinnen Sicherheit dadurch und fordern zunehmend Mitspracherecht ein“, sagt Groß.

