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Robotaxis
Robotaxis auf der Straße in Grafing am Bahnhof (Simulation)
© Adobe Stock

Autonomes Fahren

Robotaxis - Mobilität der Zukunft

von Annette Lübbers
Reporterin
24. September 2024
Johannes Weyer, Soziologe und Seniorprofessor an der Technischen Universität in Dortmund, forscht in einem Pilotprojekt über die Mobilität der Zukunft – speziell im ländlichen Raum. Seine Vision: Ein schwarmähnliches Mobilitätssystem, das die öffentlichen Verkehrsträger ergänzt und verbindet.

KOMMUNAL: Herr Weyer, wie sieht unsere Mobilität in 30 Jahren aus?

Dr. Johannes Weyer: Prognosen über einen langen Zeitraum sind immer schwierig. Passend wären die Begriffe: individuell, flexibel und auf Zuruf. Ich hoffe auf eine Entwicklung, wie wir sie in den vergangenen Jahren im Bereich Musik gesehen haben: Der Besitz von LPs und CDs ist abgelöst worden von ständig verfügbarer Musik bei Streamingdiensten. Wenn man bedenkt, dass unsere Autos 23 von 24 Stunden sinnfrei herumstehen, dann macht eine solche Entwicklung auch im Bereich Mobilität Sinn.

Wie unterscheiden sich dabei der urbane Raum und die ländlichen Regionen?

In Ballungsräumen ist das Auto wenig sinnvoll. Für die einmalige Fahrt mit Kindern und schwerem Gepäck sind Car-Sharing-Angebote schon heute eine gute Wahl. Auf dem Land sieht es natürlich anders aus. Das ÖPNV-System ist mangelhaft, durch die Stunden-Taktung wenig attraktiv und in der jetzigen Form weder dauerhaft finanzierbar, noch wirtschaftlich vertretbar. Auf dem Land brauchen wir flexible Bedarfsverkehre.

Genau in diesem Bereich setzt Ihr Forschungsprojekt „Neue Mobilität“ an. Was sind die Eckpfeiler des Projektes?

Zusammen mit Ingenieuren der Universität Paderborn und Industrie-Unternehmen arbeiten wir an sogenannten autonomen Robotaxis, die mit Strom aus regenerativer Produktion betrieben und per App bestellt werden können. Auf den ersten ein bis drei Kilometern fahren die Taxis alleine und schließen sich an Knotenpunkten zu einem längeren Zug zusammen. Den Antrieb übernimmt eine Zugmaschine. Sobald ein Taxi seinen Bestimmungsort erreicht hat, schert es aus dem Konvoi wieder aus. Diese Robotaxis stellen auf dem Land und in den Randlagen von Großstädten die Verbindung zum öffentlichen Nah- und Fernverkehr her. Ziel ist ein schwarmfähiges Mobilitätssystem ohne CO₂-Emissionen für den ländlichen Raum und die urbanen Ränder.

Was ist das Besondere an diesen Robotaxis?

Zunächst einmal sind sie sehr leicht – weniger als 300 Kilogramm. Und sie kommen auch mit leichten Batterien aus, die im Konvoi-Verkehr durch die Zugmaschine wieder geladen werden. Angedacht sind vier Sitze, bei nur zwei Sitzen können auch Rollis mitfahren. In der Benutzer-App sollen dann aber auch die individuellen Bedürfnisse der Nutzer und Nutzerinnen eine Rolle spielen. Wenn jemand grundsätzlich lieber alleine fährt – zum Beispiel als Frau mitten in der Nacht –, dann soll auch das bei der Bestellung des Taxis berücksichtigt werden können.

Was ist Ihre Aufgabe als Soziologe in diesem spannenden Projekt?

Genau das. Herauszufinden, was die Menschen wirklich wollen und wie die verschiedenen Verkehrsteilnehmer ticken. Mein Bestreben ist es nicht, alle Autofans von den Straßen zu vertreiben. Da bin ich Pragmatiker und nicht Dogmatiker. Unseren Beobachtungen zufolge ist der Prozentsatz derer, die weiterhin ein Auto besitzen und dafür viel Geld zahlen wollen, aber gar nicht so groß. Befragungen haben gezeigt, das sind gerade einmal 15 Prozent. Der überwiegende Teil der Menschen möchte einfach ohne großen Zeitverlust von A nach B kommen. Das Projekt zielt auf diese oftmals genervten Auto-Zwangsnutzer ab, die es sowohl in der Großstadt als auch auf dem Land gibt. Wenn die dann nicht mehr mit ihren privaten PKWs auf den Straßen unterwegs sind, haben auch die Autofreaks wieder mehr Spaß am Fahren.

Prof.Dr. Johannes Weyer

Das Projekt zielt auf diese oftmals genervten Auto-Zwangsnutzer ab, die es sowohl in der Großstadt als auch auf dem Land gibt."

Prof. Dr. Johannes Weyer

Geht es Ihnen nicht nur um die Mobilität der Zukunft, sondern auch um mehr Lebensqualität für den Einzelnen?

Richtig. Weniger Autos im öffentlichen Raum bedeuten auch mehr Lebensqualität. Außerdem gewinnen wir Flächen in den Städten zurück, die nicht mehr als Parkplätze für Millionen Pkws benötigt werden, sondern für das urbane Leben genutzt werden können.

Was waren bislang die größten Herausforderungen?

Zunächst einmal die Datenlage im Bereich Mobilität. Durch eine Befragung der Angehörigen der drei großen Ruhrgebietsuniversitäten haben wir mittlerweile gute Daten. Eine Herausforderung bildet auch die Geschwindigkeit, mit der die Robotaxis unterwegs sein sollen, damit sie den sonstigen Verkehr nicht behindern. Derzeit gehen wir von 30 bis 50 km/h im Soloverkehr und bis zu 80 km/h im gekoppelten Zustand aus. Besonders spannend ist die Arbeit mit sogenannten Software-Agenten. Das sind digitale Menschen, die wir in Simulationen einsetzen. Die Agenten werden mit den mobilen Gewohnheiten echter Menschen gefüttert und geben uns wertvolle Hinweise darauf, wie das neue Mobilitätssystem gestaltet sein muss, damit die Menschen es nutzen.

Wann sollen die ersten Robotaxis im Echt-Betrieb getestet werden?

Ab Ende 2025, zunächst in Paderborn. Für den operativen Einsatz der Konvoi-Technologie rechnen wir nochmals einige Jahre Entwicklungszeit. Es wird eine Weile brauchen, um eine ausgereifte Technologie am Start zu haben. 

Sie haben das Projekt auch in Ihrer sauerländischen Heimatstadt Menden vorgestellt. Mit welchem Erfolg?

Durchweg viel Begeisterung und nur wenige kritische Stimmen. Abgesehen von den Schülerfahrten morgens und am Nachmittag sind die großen Busse überwiegend leer unterwegs. Derzeit beträgt der Anteil des ÖPNV im ländlichen Raum gerade einmal 3 Prozent. Auch in der Nachbarstadt Arnsberg habe ich viel positive Resonanz bekommen. Eine Teststrecke Menden – Arnsberg kann ich mir Stand jetzt gut vorstellen.

Warum, glauben Sie, ist die Zeit reif für ein solches Projekt?

In den vergangenen Jahrzehnten hat die traditionelle deutsche Autoindustrie viele Trends verschlafen. In den 1970er Jahren stand VW zum Beispiel kurz vor dem Aus, weil man zu lange am VW-Käfer mit seiner Wasserkühlung festgehalten hat. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird die Zukunft der Mobilität in Kalifornien oder in China entwickelt. Auch die Zulieferindustrie muss in neue Technologien investieren, wenn sie Zukunft haben will. Fehler der Vergangenheit – auch die Vertreibung der Solartechnologie aus Deutschland war ein solcher Fehler – sollten wir nicht noch einmal machen. Das gilt auch für die geplante Rolle rückwärts in Bezug auf das Aus der Verbrenner.

Ein großer deutscher Autobauer ist nicht mit im Boot. Absicht oder Zufall?

Im Moment setzen wir auf echten Pioniergeist, der häufiger in kleinen Unternehmen und Start-ups als in Großkonzernen anzutreffen ist.

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