Dänemark
Vorbild Kopenhagen: Hauptstadt der Radfahrer
Kopenhagen mit ambitionierter Fahrradstrategie
Seit dem Jahr 2011 verfügt Kopenhagen über eine eigene Fahrradstrategie. Und alle zwei Jahre erstellt die Kommune einen Rechenschaftsbericht über die Entwicklung des Radverkehrs in der Stadt. Denn die Residenzstadt am Öresund hat ein hehres Ziel: Schon bis 2025 will man als Stadt Co2-neutral werden. Der Umstieg möglichst vieler Bürger auf das Fahrrad und die Priorisierung des Radverkehrs sind zum Erreichen dieses Zieles essenziell. „In Kopenhagen arbeiten wir daran, das Fahrrad zur natürlichen Wahl zu machen“, schreibt Kopenhagens Technik- und Umweltbürgermeisterin Line Barfod im Vorwort zum letzten, 2022 erschienenen Rechenschaftsbericht zum Radverkehr. Und das Zauberwort dafür heißt „Investitionen“.
„Wir bauen neue Radwege und modernisieren die Existierenden.“ Allein im Jahr 2022 seien fünf neue Radschnellwege in Betrieb genommen worden: Sie verbinden, meist auf eigener Trasse, die Hauptstadt nun mit Umlandkommunen wie Gentofte, Roskilde, Avedøre oder der in den letzten Jahren neu entstandenen Ørestad. Bis nach Frederikssund am über 40 Kilometer vom Kopenhagener Stadtzentrum entfernten Roskildefjord reichen mittlerweile die Fahrradautobahnen, 244 Kilometer lang ist ihr gesamtes Netz. Und bis 2045 soll es auf 850 Kilometer Strecke ausgebaut werden.

Folgt man Meinungsumfragen, sind die Kopenhagener mit dem Verkehrsmittel Fahrrad glückliche Dänen: 97 Prozent der Bevölkerung sind mit der städtischen Fahrradpolitik zufrieden. Für 48 Prozent ist das Fahrrad am Meisten gebrauchte Verkehrsmittel. Und 62 Prozent benutzen das Fahrrad wenigstens einige Male pro Woche. Zum Vergleich: Auch in Berlin hat der Anteil derjenigen, die das Fahrrad für ihre Wegstrecken benutzen, zuletzt zugenommen. Aber bislang liegt der Anteil des Radverkehrs in der deutschen Hauptstadt bei weniger als 20 Prozent.
Autoverkehr soll aus der historischen Innenstadt verschwinden
Die Kehrseite der Medaille: In Kopenhagen verschwindet der Autoverkehr zunehmend aus der historischen Innenstadt. Ende 2023 kündigte die Stadt an, 600 der 1.050 öffentlichen Parkplätze in den Strassen des historischen Stadtzentrums abschaffen zu wollen. Großen Protest gab es aber nicht, da die Zahl der Autofahrer und somit der benötigten Parkplätze erheblich gesunken ist. „Bewohner und Besucher können sich auf eine sehr viel friedlichere Stadt freuen, wo es mehr Platz gibt, um sich auf dem Fahrrad oder zu Fuß fortzubewegen, ohne dass überall Autos geparkt sind”, sagt Barfod. „Gleichzeitig schaffen wir mehr freien Raum auf den historischen Plätzen, etwa auf dem Nikolaj Plads und auf Vandkunsten, so dass die Plätze wieder atmen können.”

Parallel dazu wurden im gleichen Stadtquartier 1.000 neue Fahrradständer und 80 Stellplätze für Lastenfahrräder neu errichtet. Doch es ist nicht nur die dänische Hauptstadt, es sind auch die Umlandkommunen, die mit voller Kraft auf das Fahrrad setzen. In zehn Vorstädten von Kopenhagen wurden Anfang September 2024 insgesamt 2.000 per App buchbare Elektrofahrräder aufgestellt. Das Ziel dahinter: Mehr Bürger sollen die „letzte Meile“ ihrer Pendlerstrecke statt mit Auto oder Bus umweltfreundlich mit dem Fahrrad zurücklegen. „Ein paar Kilometer zur Bushaltestelle oder der nächstgelegenen Station können genau der Hinderungsgrund sein, der jemanden davon abhält, den Bus oder den Zug zu nehmen“, sagt der Regionsratsvorsitzende der Hauptstadtregion, Lars Gaardhøj. „Und dagegen wollen wir etwas unternehmen, denn es sollen mehr Menschen den öffentlichen Transport nutzen.” Die Elektrofahrräder seien ein neues Angebot, dass es attraktiver macht, den kollektiven Transport zu benutzen und das Auto stehenzulassen.
Immer mehr Kommunen in Dänemark setzen auf Fahrräder
In Dänemark breitet sich das Modell der Hauptstadt unterdessen aus. Auch andere Kommunen setzen immer stärker auf das Verkehrsmittel Fahrrad. Ein Netzwerk dänischer Kommunen und Vereine, die sich mit dem Fahrradverkehr beschäftigen, die „Cycling Embassy of Denmark”, empfiehlt ihnen, nach insgesamt neun Prinzipien vorzugehen.
Die 9 Prinzipien für Städte und Gemeinden, um den Radverkehr zu fördern:
1. Radfahren muss sicher sein
Sicherheit hat oberste Priorität. Radfahrer sollen sich auf sicheren Radwegen bewegen können, die von motorisiertem Verkehr getrennt sind.
2. Radfahren muss bequem sein
Die Infrastruktur soll so gestaltet sein, dass das Fahrrad als einfachstes und schnellstes Verkehrsmittel wahrgenommen wird.
3. Radverkehr muss zusammenhängend sein
Es muss ein zusammenhängendes Netz an Radwegen geben, das die wichtigsten Ziele der Stadt verbindet.
4. Radfahren muss komfortabel sein
Der Radweg muss so gestaltet sein, dass er angenehm zu befahren ist, ohne große Hindernisse wie unebene Oberflächen oder starke Steigungen.
5. Radfahren muss attraktiv sein
Städte sollen das Radfahren durch ansprechende Infrastruktur, wie grüne Routen oder angenehme Radfahrumgebungen, fördern.
6. Radfahren muss sichtbar sein
Radfahrer sollten in der Stadt präsent sein und an wichtigen Verkehrsknotenpunkten ausreichend Platz und Vorrang haben.
7. Radverkehr muss zugänglich sein
Der Zugang zu Fahrradinfrastruktur muss für alle Bürger leicht und barrierefrei gestaltet sein.
8. Radverkehr muss flexibel sein
Radverkehrssysteme sollen dynamisch auf Veränderungen reagieren können und anpassungsfähig sein, z. B. durch flexible Lösungen für temporäre Radwege.
9. Radverkehr muss integriert sein
Radverkehr muss in die Gesamtplanung der Verkehrsinfrastruktur integriert werden, sodass das Fahrrad mit anderen Verkehrsmitteln kombiniert werden kann, beispielsweise durch Bike+Ride-Angebote.

