Katastrophenschutz
Wenn der Starkregen kommt
Starkregen: Mit Karten vorbereitet sein
„Wir haben damals gesagt, wir brauchen das jetzt einfach“, sagt Steffen Layer, der als Mitarbeiter im städtischen Planungsamt für die Starkregenkonzeption verantwortlich zeichnete. Das Wichtigste dabei sei das Erstellen von Landkarten und 3-D-Modellen gewesen: Sie zeigen, wie sich Wasser im Stadtgebiet ausbreitet. „Jetzt kann jeder Bürger schauen, wie sich mögliche Überflutungen auf jedes Grundstück und jedes Gebäude auswirken“, so Layer. Eigentümer, Firmen und Unternehmer könnten sich informieren, woher das Wasser kommt, wie hoch es im Gefahrenfall steht und wohin es fließen wird. Und jeder Hauseigentümer kann Gegenmaßnahmen ergreifen. „Im Regelfall steht bei einem Starkregenereignis das Wasser nicht höher als zehn oder zwanzig Zentimeter“, erläutert der Starkregen-Experte. „Wenn man weiß, dass das eigene Grundstück oder das eigene Haus starkregengefährdet ist, wird man wertvolle Sachen nicht mehr im Keller aufbewahren.“ Und auch Heizungen oder elektrische Anlagen würden dann so erbaut, dass sie vor einem eventuellen Wassereinbruch geschützt sind – zum Beispiel, indem wichtige Stromverteiler nicht im Erdgeschoss oder Keller, sondern im Obergeschoss eines Gebäudes angebracht werden.
Starkregen-Konzepte - Kommunen erhalten Förderung
In Baden-Württemberg erhalten Kommunen, die eine Starkregenkonzeption erstellen, eine 70-Prozent-Förderung vom Land. Auch andere Bundesländer fördern diese Maßnahmen: In Hessen etwa ist ebenfalls eine 70-Prozent-Förderung möglich. Kommunen, die Mitglieder des Bündnisses „Hessen aktiv: Die Klima-Kommunen“ sind, erhalten Starkregenkarten sogar zu 90 Prozent gefördert. Doch die Landkarten, mit denen die Bevölkerung gewarnt wird, sind nur ein Teil der zum Schutz vor Starkregenereignissen nötigen Maßnahmen. Auch die Ableitung des Wassers spielt eine wichtige Rolle. Wenig hilfreich allerdings ist dabei das, woran der Laie wohl als Erstes denken würde, nämlich die Kanalisation: „Ein Kanal muss bestimmte Regenmengen aufnehmen können“, sagt Layer. „Das schaffen unsere Kanäle auch.“ Ein Ausbau der Kanalisation auf einem Level, dass auch Starkregenereignisse aufgefangen werden könnten, könne man allerdings dem Steuerzahler nicht zumuten. Eine gewisse Wassermenge werde immer oberflächlich abfließen müssen. Deswegen müsse es auch oberirdische Schutzmaßnahmen geben. Zum Beispiel in Einsingen: Dort plant die Stadt Ulm gegenwärtig die Anlage weiterer Gräben und Rückhaltebecken. Auch ein sechs Meter hoher Erdwall soll entstehen, um die Ortslage mittel- und langfristig zu schützen. „Das kostet Millionen, hilft aber dabei, größere Bereiche zu schützen“, sagt Layer.

Landkarten und
D-Modelle zeigen, wie sich das Wasser ausbreitet.“
Marl bereitet sich auf Starkregen vor
Ähnlich ist es im nordrhein-westfälischen Marl. Auch dort werden Regenwasser-Rückhaltebecken gebaut, um den Hochwasserschutz voranzutreiben. Neben der Feuerwehrwache im Ortsteil Alt-Marl etwa ist erst kürzlich ein 7.000 Kubikmeter fassendes Becken entstanden. Insgesamt verfügt die Stadt sogar über 84.000 Kubikmeter Raum, um im Notfall das Wasser zu sammeln und kontrolliert abfließen zu lassen. „Im Stadtgebiet betreiben wir zudem rund 380 Kilometer Abwasserkanäle und Abwasserleitungen“, berichtet der Technische Betriebsleiter des Zentralen Betriebshofs der Stadt Marl, Christoph Duschynski. Dabei zeigen digitale Sensoren die Füllstände der einzelnen Becken an: Die Stadt weiß also immer genau, wann etwas überzulaufen droht und kann entsprechend reagieren. Ist zu viel Regenwasser in den Kanalnetzen, fließt dieses dann ins nächste Rückhaltebecken. Doch bei wirklich großen Starkregenereignissen ist die Stadt noch nicht hinreichend geschützt. Weitere Neubauten werden gerade geplant. Denn der Chef des Betriebshofs betont: Zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehöre eben auch das Sammeln, Ableiten und Reinigen des Schmutz- und Regenwassers in der Kommune.

Sensoren zeigen den Füllstand der Regenwasser-Rückhaltebecken.“
In vielen Kommunen ist an dieser Stelle noch viel zu tun. „Wir schätzen, dass nicht einmal 15 Prozent der deutschen Kommunen über Starkregen-Gefahrenkarten verfügen“, sagt Christian Fechtig. Der Regionalgeschäftsführer des „Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandel“ ist zugleich Sprecher der vom Bundesverband getragenen „Initiative Verantwortung Wasser und Umwelt“. Auf einer eigens eingerichteten Webseite erhalten Kommunen Informationen darüber, wie sie sich am besten.
Vor Starkregenereignissen schützen können. „Die Frage ist: Hat die Kommune eine Risiko- und Gefahrenkarte und werden Beratungsgespräche zur Prävention für Gebäude und Grundstücke der Bürger angeboten?“, so Fechtig. „Die Antwort darauf zeigt, wie weit die Stadt oder Gemeinde beim Schutz vor Starkregen schon ist.“ Auch für den Sprecher der Initiative ist die Gefahrenkarte das A und O. „Die Starkregengefahrenkarte übersetzt mögliche Regenmengen in die konkrete lokale Gefahr einer Überflutung, Straße für Straße“, sagt Fechtig. „Die Risikokarte bewertet dann die individuelle Gefahr für jedes einzelne Gebäude.“ Ein nicht unterkellertes Gebäude sei im Falle einer Überflutung einem geringeren Schadensrisiko ausgesetzt als etwa ein Krankenhaus, das über Räume im Untergeschoss, Einfahrten und Aus- und Eingänge im Kellergeschoss verfügt. „Ein Immobilienbesitzer kann nur dann geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn das Risiko identifiziert und quantifiziert wird und er davon Kenntnis hat“, sagt Fechtig.

„Wir schätzen, dass nicht einmal 15 Prozent der deutschen Kommunen über Starkregen-Gefahrenkarten verfügen."
Künftig müssten auch Neubausiedlungen und Straßen stärker unter dem Gesichtspunkt der Entwässerung errichtet werden. Die „Entwässerung der Zukunft“ für Wohnsiedlungen und Verkehrswege müsse Engpässe im Kanalnetz vermeiden. „Darüber hinaus muss für die Vorbereitung auf ein Starkregenereignis ein 48-Stunden-Notfallplan erarbeitet werden, in dessen Erstellung Politik, Rettungskräfte und Grundstückseigentümer einzubinden seien“, sagt Fechtig. Und auch die bauliche Vorsorge steht natürlich auf der Agenda einer von Baustoffhändlern unterstützten Initiative. „Unsere Kanäle sind in der Lage, ein zwei- bis fünfjähriges Regenereignis aufzunehmen“, betont er. „Im Falle eines Starkregenereignisses sprechen wir aber von einer 30-jährigen Wiederkehr oder mehr.“ Wichtig seien deswegen wasserdurchlässige Straßenbeläge und Versickerungsmulden.
Was Kommunen beachten müssen
Auch Feuchtbiotope, unterirdische Zisternen und Rückhaltebecken seien hilfreich, um die Wassermassen aufzunehmen. Beim Objektschutz wiederum müsse die gesamte Gebäudehülle beachtet werden. „Oberflächenwasser kann durch Lichtschächte und Kellerfenster, durch Türöffnungen und im Kellereingang ins Gebäude eindringen“, sagt Fechtig. „Konstruktive Lösungen wie etwa die Überdachung des Kellereingangs, der Einbau von Schwellen, sowie Erhöhungen vor Lichtschächten können Abhilfe schaffen.“ Ansonsten wäre etwa bei einem Rathaus das oft im Keller untergebrachte Stadtarchiv mit seinen wertvollen Papierakten schnell überflutet.
Für den Ulmer Sachbearbeiter Steffen Layer indes ist entscheidend, dass mit einer Starkregenkonzeption erst einmal angefangen wird. „Ich wohne selbst in einem kleinen Dorf“, sagt Layer. „Ich habe dann auch unsere Gemeindevertreter auf die Möglichkeit hingewiesen.“ Denn die Landkarten und 3-D-Modelle würden am Ende jedem Häuslebauer nutzen. Sein Resümee: „Mit kleinen baulichen Maßnahmen, wie etwa erhöhten Randsteinen und auf Starkregenereignisse vorbereiteten Kellerfenstern, kann man als Hausbesitzer schon selbst einigen Schutz erreichen.“


