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  3. Tarifabschluss: Millionen Mehrkosten für Kommunen
Der Einsatz der Gewerkschaft: Für die kommunalen Mitarbeitenden hat er sich gelohnt.
Mehr Geld im privaten Portemonnaie- weniger Geld in den öffentlichen Haushalten
© 123rf.com

Finanzen

Tarifabschluss: Millionen Mehrkosten für Kommunen

von Annette Lübbers
Reporterin
24. April 2023
Nun ist sie da: die Einigung im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes. KOMMUNAL hat nachgefragt, was dieser "teuerste Tarifabschluss aller Zeiten" für einzelne Kommunen wie etwa Kaiserslautern bedeutet.

Der am Wochenende erfolgreich verhandelte Kompromiss im Einzelnen: Die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst erhalten eine steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung von 3.000 Euro. Ab März 2024 wird ein monatlicher Sockelbetrag von 200 Euro brutto aufgeschlagen. Dazu kommt anschließend eine Tariferhöhung von 5,5 Prozent. Erreichen Beschäftigte damit keine Erhöhung von mindestens 340 Euro brutto, wird die Erhöhung automatisch auf diesen Betrag angehoben. Weitere Details des Abschlusses finden Sie hier.

Zahlen, die laut der Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Katrin Welge, den Abschluss zum "teuersten aller Zeiten" machen. "Die kommunalen Arbeitgeber sind bis an die finanzielle Belastungsgrenze gegangen mit diesem Kompromiss", sagte Welge nach Abschluss der Verhandlungen. Diese dürfte - für nicht wenige Kommunen - bereits erheblich überschritten sein.

Tarifabschluss: eine Kommune überschlägt die Mehrkosten

Kaiserslautern mit seinen knapp 100.000 Einwohnern ist eine kreisfreie Industrie- und Universitätsstadt am nordwestlichen Rand des Pfälzerwalds im Süden von Rheinland-Pfalz. Die Kommune hat für KOMMUNAL die Mehrkosten grob überschlagen. Durch die steuer- und sozialversicherungsfreien Bestandteile fällt die Steigerung höchst unterschiedlich aus, je nachdem ob man die Steigerung der Arbeitgeberkosten oder der Bruttobeträge oder der Nettobeträge betrachtet. Ebenfalls wichtig zu beachten: Der Tarifabschluss gilt nur für die Tarifbeschäftigten. Die städtischen Beamtinnen und Beamten werden nach Landesbesoldungsgesetz bezahlt, welches sich in der Regel am Tarifvertrag der Länder (TV-L) orientiert. Hier werden voraussichtlich erst gegen Jahreswechsel 2023/2024 wieder Tarifverhandlungen stattfinden. Die jetzt genannten Zahlen bilden also nur die vorläufigen Mehrkosten ab:

  • 2023: Gesamt rund 3,1 Millionen Euro  Mehrkosten (ca. 4,2 Prozent  im Vergleich zu den Personalkosten für die Tarifbeschäftigten 2022)
  • 2024: Gesamt rund. 7,5 Millionen Euro Mehrkosten (ca. 10 Prozent im Vergleich zu den Personalkosten für die Tarifbeschäftigten 2022)
  • 2025: Gesamt rund 8,5 Millionen Euro Mehrkosten (ca. 11,5 Prozent im Vergleich zu den Personalkosten für die Tarifbeschäftigten 2022)

Es sei offenkundig, heißt es aus dem Rathaus, dass dieser Abschluss eine immense Mehrbelastung für die kommunalen Haushalte bedeute. "Gerade für eine hochverschuldete Stadt wie Kaiserslautern, die seit vielen Jahren jeden Cent zweimal umdrehen muss und der es 2021 zum ersten Mal überhaupt seit 30 Jahren gelungen ist, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen."  

Erhöhung von Abgaben und Steuern? In der Schwebe

Im rheinlandpfälzischen Pirmasens zeigt sich der stellvertretende Kämmerer Andreas Mühlbauer von der Höhe des Abschlusses nicht überrascht. Mit ähnlichen Zahlen habe man gerechnet und deshalb in den aktuellen Haushalt auch deutlich höhere Mittel eingestellt. 

  • 2023: Gesamt rund 3,1 Millionen Euro Mehrkosten
  • 2024: Gesamt rund 4,5 Millionen Euro Mehrkosten
  • 2025: Gesamt fast 5 Millionen Euro Mehrkosten

Immerhin profitiert die Kommune davon, dass das Bundesland Rheinland-Pfalz, anders als in anderen Bundesländern, für die Übernahme der Altschulden der Kommunen drei Milliarden Euro zugesagt hat. "Für Pirmasens ergibt sich daraus eine Summe von derzeit 287 Millionen Euro, das sind immerhin über 80 Prozent unserer Altschulden. Damit verbleiben bei uns noch etwa 60 Millionen Euro - Stand 2020 -, die wir innerhalb von 30 Jahren zurückzahlen müssen", erklärt Andreas Mühlbauer und fügt an: "Ohne diese Übernahme sähe es bei uns nach diesem Tarifabschluss noch schlechter aus." Ob man ohne Steuer- und Abgabenerhöhungen auskommen werde, sei aber noch völlig in der Schwebe.  

Die Herausforderung: Haushaltssperren vermeiden

Mülheim an der Ruhr: die Stadt zwischen Duisburg und Essen ist seit Jahrzehnten unterfinanziert. Für 2023 und 2024 rechnet die Kommune mit einer Mehrbelastung von rund 20 Millionen Euro. Der Tarifabschluss für die Bediensteten im Öffentlichen Dienst ist für uns ein großer Kraftakt." Darin waren sich zu Wochenbeginn Mülheims Personaldezernentin Anja Franke und Stadtkämmerer Frank Mendack einig. Gleichzeitig sei es sehr zu begrüßen, dass es nun eine Einigung gibt, in der unsere Mitarbeitenden einen wirtschaftlichen Ausgleich für die gestiegenen Lebenshaltungskosten erhalten und die Arbeitsplätze so attraktiv bleiben", unterstreicht Anja Franke. Weniger glücklich zeigt sich der Stadtkämmerer: "Zusammen mit den allgemeinen Preissteigerungen, insbesondere im Schulbau, wirkt sich der Tarifabschluss deutlich negativ auf die Haushaltsplanung aus. Dazu kommt noch der erhebliche Zinsschaden, der dadurch entstanden ist, dass nach wie vor eine Altschuldenlösung in Bund und Land fehlt." Daher sei es nun eine besondere Herausforderung, eine Haushaltssperre zu vermeiden. 

Trotz Tarifbeschluss: keine Erhöhung von Steuern und Gebühren

Hessen geht seit einigen Jahren eigenständige Wege und hat den Tarifabschluss für die Beschäftigten des Landes aus der Bindung herausgenommen. Der Tarifabschluss vom Wochenende gilt aber für die nicht-verbeamteten Mitarbeitenden der hessischen Kommunen. Axel Imholz, Kämmerer in Wiesbaden, geht  davon aus, dass Wiesbaden zahlen muss, was Wiesbaden eigentlich nicht hat. Trotz Rekordeinnahmen  verzeichnete die Kommune am Ende des Jahres 2022 bei einem Gesamthaushalt von 1,4 Milliarden ein Minus von immerhin 23 Millionen Euro. "Wir haben die drohenden Mehrausgaben noch nicht abschließend kalkuliert, aber wir gehen von Summen aus, die uns als Kommune schon weh tun werden", erklärt Axel Imholz. Dabei habe er persönlich, sagt der Kämmerer mit 34 Jahren Erfahrung in der Kommunalpolitik, durchaus Verständnis für den Abschluss und die Differenzierung in Sockelbetrag und anschließender Erhöhung mache auch Sinn.

Generell sieht der Kämmerer, der im Sommer 2023 sein Amt zur Verfügung stellen wird, aber auch für die Kommune Positives: "Höhere Gehälter haben sicherlich ihren Vorteil, wenn es darum geht, qualifiziertes Personal zu finden. In den letzten Jahren ist uns das auch in Wiesbaden immer schwerer gefallen." Unabhängig von der Ausgestaltung des Tarifvertrags in Hessen werde es, fügt er an, in Wiesbaden keine Steuer- oder Abgabenerhöhung geben. Was an Geld fehle, werde bei der Stadt eingespart. "Bestimmte Leistungsangebote müssen wir dann zurückfahren und Sonderwünsche abschlägig bescheiden."  

Immerhin: Ein weiterer Streik konnte mit dem Abschluss vom Wochenende abgewendet werden.  

Tarifabschluss - eine Kraftanstrengung

Der Vorsitzende des Städtetags NRW und Oberbürgermeister Thomas Kufen erklärte gegenüber der Funke-Medien-Gruppe: "Es ist gut, dass die Verhandlungen nun zu einem Abschluss gekommen sind. Das Ergebnis zeigt, dass es sich alle Seiten nicht einfach gemacht haben. Es wird in 2023 eine Kraftanstrengung sein, dies im laufenden Haushaltsjahr umzusetzen." Deutlich entspannter wird als in Kaiserslautern oder Wiesbaden wird man in Mainz den Tarifabschluss zur Kenntnis genommen haben. Der über viele Jahre klammen Kommune spülte der Erfolg des Unternehmens BioNTech während der Corona-Pandemie einen Überschuss von mehr als einer Milliarde Euro in die Kassen.   

 

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