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  3. Tourismus in ehemaliger Bergbauregion
Ein Absinkweiher vor alten Kohlekraftwerk.
Der Bergbau hat neue Landschaften kreiert: Ein Absinkweiher vor einem alten Kohlekraftwerk
© Uli Heintz / LIK-Nord

Industriekultur

Tourismus in ehemaliger Bergbauregion

von Annette Lübbers
Reporterin
23. Juli 2024
Im kleinen Quierschied im Saarland kümmert man sich liebevoll um die Zeugen der Vergangenheit. Wie der Ort damit Touristen begeistern will.

Lutz Maurer, seit 2015 Bürgermeister im saarländischen Quierschied hat selbst viele Erinnerungen an die Bergbau-Vergangenheit im Saarland. Er wurde 1965 in der kleinen Gemeinde geboren und viele seiner Freunde und Kindheitsgefährten arbeiteten später im Bergwerk. 2012 wurde im nahen Ensdorf das letzte Saar-Bergwerk geschlossen. "Damals sind viele gut bezahlte Arbeitsplätze verschwunden und es gab keine langfristigen Planungen, um diese Entwicklung abzufedern", sagt der Bürgermeister. Bestes Zeichen dafür: Erst kurz zuvor war hier der höchste Förderturm der Welt gebaut worden. Viele Kumpel suchten sich einen neuen Job - etwa im weit entfernten Ibbenbüren, nahe Osnabrück. Andere gingen in einen sehr frühen Ruhestand. 

Bergbau: Die Vergangenheit bewahren

Gerade weil er hier aufgewachsen ist und weil das Berufsethos der Kumpel und ihr sprichwörtlicher Gemeinschaftssinn auch ihn geprägt haben, will Lutz Maurer das Erbe der Vergangenheit bewahren. Leicht ist das nicht. Der Bürgermeister erinnert sich: "Kurz nach meiner Wahl zum Bürgermeister ging es in einem Ideenwettbewerb um die Zukunft unseres Hammerkopfturms als wichtiges Denkmal deutscher Ingenieurskunst. Drei gute Ideen wurden prämiert - und dann geschah - nichts." Angeblich brauchte der Eigentümer, die RAG AG, die Fläche für eigene potenzielle Entwicklungen. "Bis heute ist das Gelände für Besucher weder zugänglich noch als Erlebnisraum für Einheimische und Touristen nutzbar", sagt der Bürgermeister bedauernd. 

Bergbaupfade und Haldenwege

Andere Projekte konnte die Kommune dagegen realisieren: Wanderwege oder besser Haldenwege oder Bergbaupfade von 14 beziehungsweise 25 Kilometern Länge durchziehen die vom Bergbau geprägte Landschaft und bieten eine Vielzahl von Attraktionen: der seinerzeit höchste Förderturm der Welt - der Weiße Riese - mit seiner Aussichtsplattform, sogenannte Stollenmundlöcher, Absinkweiher, die Grube Friedrichsthal, der Schacht Erkershöhe und das älteste Gewerkschaftsgebäude der Welt. Mit Hilfe von QR-Codes können zu jeder Besichtigung Informationen abgerufen werden. Damit verbunden: Naherholungskonzepte für Einheimische und Besucher - etwa auf der Halde Göttelborn - sowie das Naturschutzgroßprojekt LIK-Nord, an dem sich auch Kommunen wie Quierschied finanziell beteiligen.

Auch der Absinkweiher Kohlbach entstand durch den Bergbau.

Leuchtturmprojekt: Mountainbiken auf ehemaliger Halde

Derzeit zudem in Planung: eine Mountainbike-Halde, die auch eine überregionale Strahlkraft entwickeln soll. Bürgermeister Lutz Maurer unterstreicht: "An diesem Konzept sind Mountainbike-Experten aus der ganzen Welt beteiligt." Die Voraussetzung: Die Kommune muss das Gelände von der RAG kaufen und ist dazu auch bereit. Zuvor allerdings musste das Gelände auf mögliche Risiken aus der Vergangenheit untersucht werden. Der Bürgermeister stellt klar: "Solche industriell genutzten Flächen bergen oftmals gesundheitsgefährdende Altlasten - etwa durch Grubenöl oder weil die Gebiete jahrelang als Müllkippen genutzt wurden. Gründe, warum viele Kommunen sich scheuen, solche Flächen in ihre Planung mit einzubinden." In Quierschied konnte die RAG viele Bedenken zerstreuen - und auch die Finanzierung ist zum größten Teil bereits sichergestellt.

Überregionales Konzept fehlt

Mit der Trendsportart Mountainbiken eine alte Bergwerkshalde einer neuen Bestimmung zuführen, wäre für die Kommune ein echtes Leuchtturmprojekt und ein weiteres Beispiel, wie Kommunen kreativ mit Strukturumbrüchen und ihren Herausforderungen umgehen könnten. Generell, meint der Bürgermeister, habe das Ruhrgebiet deutlich umfangreicher und engagierter in seine Vergangenheit investiert als das Saarland. So einen Besuchermagneten wie die Zeche Zollverein wünscht er sich auch für seine vom Bergbau geprägten Heimat. "Auch wenn unser Einzugsgebiet natürlich sehr viel kleiner ist und unsere Region in Sachen Freizeitgestaltung Konkurrenz aus Luxemburg und Frankreich hat. Was aktuell allerdings noch fehlt, ist ein Konzept mit Erlebniskultur-Projekten und überregional wirksamen Tourismusstrategien. Ein solches Konzept müsste unsere Industriekultur dann natürlich mit einbeziehen." Gelingen könne das allerdings nur, wenn sich ehemalige Bergleute in großer Zahl dafür begeistern ließen. "Mehr touristische Projekte dieser Art brauchen das Mitwirken der zwischen 1960 und 1975 Geborenen. Menschen, die anschaulich erklären können, was eine Waschkaue ist und was es mit dem Steigerlied auf sich hat."       

Infos zum Mountainbike-Projekt finden Sie hier.     

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