Verkehrslenkung
Ampelphasen-Assistenten: Lösung für den Stau oder teurer Schnickschnack?
Ampelphasen-Assistent: Wie funktioniert das System?
Generell gilt: Verkehrsteilnehmer, die von einer "Grünen Welle" profitieren wollen, müssen eine entsprechende App auf ihr GPS-fähiges Smartphone laden. Die App muss mit dem Verkehrsmanagementsystem der Stadt kompatibel sein und das Managementsystem selbst um einen Ampelphasen-Assistenten erweitert werden. Zu dieser Erweiterung gehört etwa ein Modul zur Schaltzeitprognose. Eingesetzt werden kann das System nur bei Ampelanlagen, die bereits auf die Verkehrslage flexibel reagieren können und mit einer modernen Sensorik ausgerüstet sind. Mit Hilfe eines Algorithmus schätzt die App, wann die Ampel auf Rot oder Grün schalten wird. Dieser lernfähige Algorithmus arbeitet mit Hilfe von Daten aus
- dem Steuerungsprogramm der angefahrenen Ampel,
- den Echtzeitdaten, die der Verkehrsrechner anhand von Ampelsensoren und Detektorschleifen erhält, die in der Straße verlegt sind und größere Metallteile, zum Beispiel Fahrzeuge erkennen kann,
- Bus- oder Straßenbahn-Anmeldungen und Fußgänger-Ampelschaltern
- sowie historischen Verkehrsdaten.
Sofern die Anforderungen in der Verkehrszentrale und den entsprechenden Ampelanlagen erfüllt sind, erhält der Verkehrsteilnehmer durch die App Angaben über eine optimale Geschwindigkeit an, mit der die Ampel bei Grün erreicht werden kann. Vor einer roten Ampel stehend erfährt die Autofahrerin wie lange die Rotphase voraussichtlich anhalten wird.
Investitionen in die Digitalisierung sind unumgänglich
Die Investitionskosten können, abhängig vom Stand der Digitalisierung im Verkehrsmanagement und der Ampelanlagen selbst, sehr unterschiedlich ausfallen. In Kassel beliefen sich die Kosten für die Entwicklung und Installation der benötigten Software bei 230.000 Euro. Die Stadt selbst investierte einen Eigenanteil von 23.000 Euro. In Frankfurt am Main beliefen sich die Ausgaben für die Entwicklung der Schaltzeitprognose und deren Bereitstellung in einer bereits zur Verfügung stehenden App auf 256.000 Euro, die zur Hälfte von der Stadt getragen und durch den Bund gefördert wurden.
Deutlich teurer wurde es in Darmstadt. Allerdings musste in der hessischen Großstadt auch noch einmal von vorne begonnen werden. Der bereits im Jahr 2019 eingesetzte Ampelassistent eines US-Unternehmen kann nicht mehr verwendet werden, da das amerikanische Start-Up die Coronakrise nicht überlebt hat. Klaus Hunold von der Pressestelle erläutert: "Rückwirkend betrachtet war die App ihrer Zeit voraus und lieferte stadtweit zuverlässige Prognosen über die optimale Reisegeschwindigkeit und die Dauer bis zum Grünsignal. In den kommenden Monaten werden wir nun eine neue Teststrecke mit einem neuen Assistenten in Betrieb nehmen."
Was erhoffen sich die Kommunen von diesen Apps?
Die Liste der erhofften, positiven Einflüsse auf den Verkehr ist lang:
- Eine Verringerung der Umweltbelastungen durch die Reduzierung von verkehrsbedingten Stillständen,
- weniger Reifenabrieb und damit weniger Feinstaubbelastung durch geringere Beschleunigungs- und Bremsvorgänge an Lichtanlagen,
- eine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs,
- weniger Schadstoff- und Lärm-Emissionen,
- eine Verbesserung der Verkehrsflussqualität durch weniger Stop-and-Go-Verkehr und
- mehr Fahrkomfort für Autofahrer und Autofahrerinnen.
In Kassel hat man beobachtet, dass die Nutzung der APP das Verhalten der Verkehrsteilnehmer und -nehmerinnen tatsächlich verändern kann. Simone Scharnke, Pressesprecherin der Stadt, erläutert: "Verkehrsteilnehmende in erster Position an der Haltlinie ,vertrödeln' die ersten Sekunden der Freigabezeit oftmals, weil sie nicht durchgehend aufmerksam die Ampel beobachten und daher den Freigabebeginn nicht rechtzeitig wahrnehmen. Diesen aus Kapazitätsgründen negativen Effekt soll die „Countdown“-Anzeige der App verringern."

In Wiesbaden gehen die Verantwortlichen andere Wege
Einen anderen Weg geht man in Wiesbaden. In Hessens Hauptstadt wurde bislang keine App eingebunden, sondern erst einmal in den sogenannten "Werkzeugkoffer" investiert. So nennt Rolf Schmidt vom Tiefbau- und Vermessungsamt der Stadt Investitionen in die Grundtechnik: neueste Steuerungstechniken, die eine flexible Schaltung der Ampelanlagen erst möglich machen sowie die Ausstattung der Ampelanlagen mit modernen Sensoren, ohne die keine Daten im großen Stil erhoben werden können. "Dafür kriegen Sie natürlich keinen Applaus und damit können Sie auch keine Werbung machen, weil es niemand sieht. Aber ich denke, dass die Investition in die bestmögliche Steuerungstechnik und Sensorik in dieser Stadt durchaus schon einen Verkehrskollaps und Fahrverbote verhindert hat", erklärt Rolf Schmidt und verweist auf eine Phase, in der der Autobahnverkehr zeitweilig durch die Stadt geleitet wurde.
Bereits jetzt sind sämtliche Ampeln an das digitale Leitungsnetz sowie an den Verkehrsrechner der Leitzentrale angeschlossen. Den Einsatz der Grüne-Welle-Apps sieht er im Moment noch eher skeptisch und bezweifelt die Sinnhaftigkeit. "Derzeit sind die Apps ein nettes Feature für Autofahrer. Besonders in den kritischen Zeiten, wenn das Verkehrsaufkommen in den Ballungsräumen besonders hoch ist, also morgens und abends, nützen diese Apps niemandem. Eine Information, dass mit 45 km/h die nächste Ampel passiert werden kann, ist wenig hilfreich, wenn man bereits im Stau steht." Einen Nutzen für Klima und Verkehr sieht der Fachmann in den derzeit im Einsatz befindlichen Apps höchstens für nächtliche Fahrten oder auf dem Land.
