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Fachkräftmangel an Bibliotheken: Was Kommunen tun können
Fachkräftemangel an öffentlichen Bibliotheken
„Es ist definitiv so, dass Kollegen an Bibliotheken Schwierigkeiten haben, Stellen adäquat zu besetzen“, sagt Silke Niermann, Leiterin der Bibliothek in Gütersloh. Niermann ist zugleich die Vorsitzende der Sektion 2 des Deutschen Bibliotheksverbands. in ihm sind öffentliche Bibliotheken in Städten mit 100.000 bis 400.000 Einwohnern organisiert. Silke Niermann hat in dieser Funktion vor kurzem die Jahrestagung des Verbands zum Thema Fachkräftemangel und Personalgewinnung organisiert. Von einer dramatischen Situation zu sprechen, ist aus Sicht der Vorsitzenden zwar übertrieben. Doch der Fachkräftemangel sei gerade in Bibliotheken in Ballungsgebieten, wo es mehrere potentielle Arbeitgeber gibt, ein echtes Problem. Ihre Prognose: Die Situation werde in den kommenden Jahren nicht einfacher.

Vielschichtige Gründe für Fachkräftemangel
Die Gründe für den Fachkräftemangel sind aus Sicht von Niermann vielschichtig. Zum einen gibt es schlicht weniger Menschen, die als Nachwuchskräfte ausgebildet werden, während die Babyboomer nach und nach in den Ruhestand gehen. Zum anderen aber sei der Arbeitsplatz Bibliothek heute ein gänzlich anderer als noch vor ein, zwei Jahrzehnten und diese Erkenntnis sei häufig weder bei den Personalstellen noch bei potentiellen Bewerbern richtig angekommen.
Deutlicher Wandel der öffentlichen Bibliotheken
„Die öffentlichen Bibliotheken haben sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm verändert“, stellt Niermann fest. Dort gehe es längst nicht mehr nur um das Ausleihen von Büchern, sondern um zahlreiche digitale Angebote, die hinzugekommen sind. Zudem seien Bibliotheken heute zunehmend Veranstaltungs-, Aufenthalts- und Diskursräume inmitten der Stadt. „Ein öffentliche Bibliothek ist sehr bunt, oft turbulent und gut besucht von allen Generationen“, so die Leiterin.
Moderne Bibliotheken brauchen andere Mitarbeiter
Die Wandlung der Bibliothek als öffentlicher Raum hat Folgen auch für die Personalakquise und bringt andere Anforderungen an die Mitarbeiter mit sich. „Während es früher viel um Katalogisierung und Erfassung ging, steht heute meist die Ansprache der Bürger, die Vermittlung und die Netzwerk- und Kooperationsarbeit im Vordergrund“, sagt Niermann. Das bedeutet: „Man braucht Mitarbeiter mit einer hohen kommunikativen und sozialen Kompetenz, die in der Lage sind, mit ganz unterschiedlichen Menschen umzugehen, die vermitteln können und gerne präsentieren“. Mit dem in der Öffentlichkeit immer noch weit verbreiteten Image des introvertierten Bibliothekmitarbeiters, der Bücherkarten stempelt und Archive sortiert, habe das nicht mehr viel zu tun. Stattdessen sollte ein angehender Bibliotheks-Mitarbeiter laut Niermann etwa Freude daran haben, neue Medien in einem Youtube-Kanal zu präsentieren, Veranstaltungen zu organisieren oder Kinder-Leseförderung an Schulen zu betreiben.

Automatisierung nur bedingt eine Lösung
„Wie können wir das Bild einer modernen Bibliothek in die Öffentlichkeit tragen und geeignete Bewerber für die neuen Herausforderungen finden?“ Das ist laut Niermann die zentrale Frage, der man im Verband aktuell nachgeht und die auch die Kommunen betrifft. Die Automatisierung mancher Routine-Abläufe im Bibliotheksalltag, etwa der Bestell- oder Rückgabevorgänge oder Bezahlprozesse, sei zwar hilfreich, das Personalproblem aber löse sie nicht: schließlich brauche man für die meisten Tätigkeiten mehr denn je fachkundige und engagierte Mitarbeiter und die Anforderungen an diese wachsen.
Ausschreibungspraxis verändern
Was also kann getan werden, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken und geeignete Kandidaten für die offenen Stellen zu finden?
- Eine wichtige Schlüsselstelle sind laut Niermann die kommunalen Personalstellen. Die Rückmeldungen ihrer Kollegen bei der Konferenz hätten gezeigt, dass es hier deutlichen Verbesserungsbedarf in der Ausschreibungs- und Auswahlpraxis gäbe. Durch die veränderten Anforderungen im Bibliotheksalltag könnten Medienpädagogen, Sozialpädagogen oder Kindergärtnerinnen je nach Stellenprofil teilweise deutlich besser geeignet sein als eine Fachangestellte für Medien und Informationsdienste, die die klassische Ausbildung für Bibliotheken, Archiv und Dokumentation durchlaufen hat.
- Werden allerdings neue Stellen ausgeschrieben, würden für diese von den kommunalen Personalämtern teilweise nur Bewerber eingeladen, die die klassische Ausbildung absolviert hätten. Mit variablen Einstellungskriterien täten sich die Personalverwaltungen oft noch sehr schwer, zudem seien die internen Abläufe rund um die Besetzung einer neuen Stelle oftmals sehr langwierig und stünden der Dynamik des Bibliothekalltags entgege, stellt Niermann fest.
Kommunen sind gefordert
Hauptgrund dafür sei das veraltete Image der öffentlichen Bibliothek und die damit einhergehenden, aber längst überholten Vorstellungen vom Profil eines Bibliotheksmitarbeiters. „Wir müssen auch in der eigenen Verwaltung versuchen, deutlicher zu zeigen, was wir mittlerweile tun und wie die Lebens- und Arbeitswelt an einer öffentlichen Bibliothek heute aussieht“, sagt Niermann.
Von den Personalämtern und den Kommunalverwaltungen fordert sie gleichzeitig deutlich größere Offenheit und Flexibilität bei der Ausschreibung und Besetzung von Stellen. So rät sich eindringlich dazu, sich aktiv zu informieren über die Arbeit an den Bibliotheken und das entsprechend Berufsfeld, um ein Gespür zu entwickeln für den Auswahlprozess. Und nicht zuletzt gäbe es ja auch die Kompetenz der jeweiligen Bibliotheksleitung: „Diese weiß, welchen Anforderungen der Bewerber gewachsen sein muss und was für die jeweilige Stelle gefragt ist“, betont Niermann.

