Senioren
Wie Gemeindepfleger eingesetzt werden
Gemeindepfleger als Ansprechpartner vor Ort
„Der Bedarf ist definitiv da“, sagt Brigitte Saure, die als Gemeindepflegerin beim Landkreis Waldeck-Frankenberg angestellt und für den Bereich Diemelsee, Korbach, Lichtenfels und Willingen (Upland) zuständig ist. Daneben wurden noch drei weitere Vollzeitstellen für Gemeindepfleger im Kreis geschaffen. Aufgeteilt sind die Stellen auf fünf Mitarbeiter. „Wir sind Mittlerinnen, Ansprechpartnerinnen und Vertraute“, sagt Saure. Die 61-Jährige ist prädestiniert für die verantwortungsvolle Aufgabe: Sie stammt aus dem Landkreis, hat etliche Jahrzehnte als Krankenschwester gearbeitet und viel Erfahrung gesammelt im Umgang mit unterschiedlichen Menschen.

Gestartet als Förderprogramm „Gemeindeschwester 2.0“
Die Gemeindepfleger sind Teil des Förderprogramms, das im Land Hessen ursprünglich unter dem Titel „Gemeindeschwester 2.0“ gestartet wurde. Die Idee: Gemeindepfleger vor Ort kümmern sich um Menschen, die zu Hause Hilfe brauchen, unterstützen diese individuell im Alltag, leisten psychosoziale Unterstützung und koordinieren notwendige, weiterführende Maßnahmen. Auf diese Weise sollen sie die oftmals bestehende Lücke zwischen medizinischer bzw. pflegerischer Versorgung und sozialer Begleitung schließen. "Ein notwendiges Angebot", sagt Saure. So gäbe es viele ältere Menschen in der Region, die alleine leben und deren Verwandtschaft oft weit entfernt wohnt. „Diese Menschen haben oft viele Fragen und benötigen Hilfe in ganz praktischen Bereichen, um weiterhin gut zu Hause leben zu können“, so die Gemeindepflegerin.
Ärzte und Kliniken als Kontaktstellen
Die Anfragen erreichen Brigitte Saure und ihre Kolleginnen entweder auf direktem Wege durch die Klienten selbst oder aber über deren Verwandte, Ärzte oder Klinikpersonal. „Wir sind mittlerweile bekannt in der Gemeinde und viele Klienten bekommen bei anderen mit, dass es hier jemanden gibt, den man um Hilfe bitten kann“, erzählt Saure. Ärzte wiederum würden Kontakt aufnehmen, wenn etwa ein Patient entlassen wird, der alleine lebt und womöglich Hilfe benötigt bei der Bewältigung praktischer Alltagshürden. Im Durchschnitt sind die betreuten Menschen zwischen 70 und 90 Jahre alt, manchmal aber würden sich auch Jüngere melden, etwa Krebspatienten, die nicht arbeiten können und Informationen zur Pflege benötigen.
Mobile Partner des Pflegestützpunkts
„Möglichst lange zu Hause wohnen bleiben“ – das sei laut Saure mit der größte Wunsch vieler älterer Menschen. Als Gemeindepfleger und mobile Partner des Pflegestützpunktes tragen sie wesentlich dazu bei, dass dies möglich ist. Bei ihren Hausbesuchen liegt ein Schwerpunkt der Gemeindepfleger-Tätigkeit auf der Vermittlung und Organisation von Pflegeangeboten. „Oft geht es darum, einen Pflegegrad zu beantragen, damit die Menschen Anspruch auf gewisse Hilfen haben“, sagt Saure. Sie und ihre Kollegen sind mittlerweile erfahren bei der Begleitung dieses Prozesses und nehmen darüber hinaus eine „Verweis- und Lotsenfunktion“ wahr, wie Saure es nennt. So helfen sie unter anderem mit bei der Organisation eines Pflegediensts, vermitteln Nachbarschaftshilfe und Essen auf Rädern, kümmern sich um die Anstellung einer Haushaltshilfe und motivieren die Menschen, bei Angeboten von Vereinen teilzunehmen und Kontakte zu knüpfen. „Manche trauen sich nicht mehr, alleine rauszugehen“, erzählt Saure, da würde es oft helfen, wenn jemand sie an die Hand nimmt und ihnen gut zuredet. Fast immer seien es dabei ganz praktische Dinge, bei denen die Gemeindepflegerinnen aktiv werden. „Mal begleiten wir die Anrufe bei der Krankenkasse, mal helfen wir mit beim Ausfüllen von Formularen oder der Bewältigung der Post“, so Saure.
Individuelle Betreuung
Wie lange und wie oft eine Betreuung durch die Gemeindepflegerinnen stattfindet, ist laut Saure von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. „Manchmal haben sich Fragen und Probleme innerhalb von einem Treffen erledigt, manches Mal aber besuche ich die Klienten auch etliche Male über viele Monate hinweg, um eine gute Lösung zu finden und ihnen die notwendigen Hilfen zu vermitteln“, sagt die Gemeindepflegerin. Viele der Klienten seien eigentlich noch recht fit, aber bräuchten punktuell Hilfe, um weiterhin den Alltag bewältigen zu können. Zudem sei der soziale Aspekt nicht zu unterschätzen. „Einsamkeit ist im Alter ein großes Thema und da hilft es vielen schon, dass wir ab und zu vorbeikommen und ein offenes Ohr haben für ihre Probleme und Fragen“, so Saure. Gleichzeitig müsse man hier auch klare Grenzen setzen. „Manche Klienten vereinnahmen einen sehr, dann muss man schauen, dass man sich rechtzeitig zurückzieht und sich auf die formelle Ebene konzentriert“, so die Gemeindepflegerin.

Intensive Netzwerkarbeit
Das A und O einer erfolgreichen Gemeindepfleger-Tätigkeit ist laut Saure eine intensive Netzwerkarbeit. Schließlich sind sie und ihre Kolleginnen Schnittstellen zwischen den Klienten und offiziellen Anlaufstellen und agieren hier häufig als Mittlerinnen und Brückenbauerinnen. Zu Beginn ihrer Arbeit hat Saure deshalb eine groß angelegte Vorstellungsrunde in der Region gestartet und Apotheken, Ärzte und Pflegedienste ebenso besucht wie die verschiedenen Pfarreien, Vereine und Seniorengruppen. Nachdem sie ihr Angebot dort publik gemacht hat, kamen schon bald die ersten Anfragen und mittlerweile trägt auch die Mund-zu-Mund-Propaganda dazu bei, dass sich regelmäßig ältere Menschen bei Saure melden, die Rat und Hilfe benötigen, um den Alltag zu bewältigen.
Kommunikativ und teamfähig
Um als Gemeindepfleger geeignet zu sein, braucht es laut Saure neben einer Ausbildung in medizinischen oder sozialen Bereich insbesondere ein gutes Gespür für den Umgang mit Menschen, Kommunikationstalent und Teamfähigkeit. Schließlich steht Saure in regelmäßigem Kontakt mit ihren Kolleginnen und trifft sich zu Fallbesprechungen oder zum Austausch über neueste Gesetzesänderungen im Pflegebereich. „Man sollte offen und kommunikativ sein, sich aber auch gut abgrenzen können“, sagt Saure. Zudem bewähre es sich, aus der Region zu kommen, in der man tätig ist, schließlich seien ein großes Netzwerk und ein Gefühl für die Menschen vor Ort von großem Vorteil für die praktische Arbeit.
Gemeindepflegerinnen bezuschusst vom Land
Im Landkreis Waldeck-Frankenberg sind die vier Gemeindepflegerinnen derzeit bis Ende 2025 unter Vertrag; 80 Prozent der Kosten werden aktuell durch das Ministerium übernommen. „Wie es danach weitergeht, ist offen“, so Saure, die bisherigen Erfahrungswerte und die kontinuierlich steigende Nachfrage aber würden sehr dafür sprechen, die Gemeindepfleger-Arbeit langfristig in der Kommune zu verankern. Kostenfrei, unverbindlich und oft vermittelt durch Vertraute, etwa den eigenen Hausarzt, die Nachbarin oder Verwandte, würde das Angebot von vielen Klienten sehr dankbar angenommen. „Wir sind Bindeglieder zwischen den offiziellen Institutionen und dem Privathaushalt und die Hemmschwelle, uns anzurufen und um Hilfe zu bitten, ist viel niedriger, als wenn anonyme Stellen kontaktiert werden müssen“, sagt Saure. Dabei sei es in Zeiten von Enkel-Tricks und Betrugswarnungen ausgesprochen hilfreich, dass die Gemeindepfleger beim Landkreis angestellt sind. „Das schafft eine wichtige Vertrauensbasis“, betont die Gemeindepflegerin. Die Rückmeldungen ihrer Klienten seien durchwegs positiv. „Durch unsere Arbeit erfahren die Menschen, dass sie nicht alleine sind. Sie merken: da ist jemand, den ich anrufen kann, der mir hilft und der weiß, wie es weitergeht.“
