Entwicklung einer Kommune
So funktioniert der Demografie-Check
Demografie-Check als Teil der Demografiestrategie
In Ingelheim hat man 2016 mit der Entwicklung einer Demografiestrategie begonnen. „Wir werden weniger, wir werden älter und wir werden bunter“, sagt Bürgermeisterin Eveline Breyer, und entsprechend sollten im Rahmen der Strategie konkrete Projekte für jedes Alter entwickelt werden. Um eine Meinungsvielfalt zu gewährleisten, wurden hierbei verschiedene Akteure mit einbezogen, darunter politische Gremien, Verwaltungsmitarbeiter, Bürger, Vereine und Initiativen. Letztlich entstand eine Strategie mit vielen wertvollen Ansätzen und Vorhaben, wie Breyer berichtet. Die zentrale Frage aber sei am Ende gewesen: „Wie können wir das verstetigen und garantieren, dass wir die wichtigen Dinge, die wir erarbeitet haben, auch präsent haben in dem weiteren Prozess?“
Praktisches Tool für den kommunalen Alltag
Mit dem Demografie-Check hat man in Ingelheim ein Mittel gefunden, um die Vorsätze der Strategie auch im der Praxis immer wieder in Erinnerung zu rufen. Konkret handelt es sich dabei um ein Formular, das immer dann zwingend zum Einsatz kommt, wenn bei einem Projekt oder Vorhaben mindestens einer der beiden Punkte erfüllt ist.
- Das geplante Vorhaben hat Auswirkungen auf mindestens zwei Altersgruppen (Menschen unter 20 Jahren, Menschen zwischen 20 und 65 Jahren und Menschen über 65 Jahre).
- das geplante Vorhaben hat einen inklusiven Aspekt, betrifft also Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft, Menschen mit Beeinträchtigung oder Menschen mit unterschiedlicher ethnischer und kultureller Herkunft, Religionszugehörigkeit und sexueller Orientierung
Hierzu sagt Breyer: „Wir haben gemerkt: Es tauchen im politischen Alltag immer wieder Themen auf, die demografierelevant sind“. Der Check sie nun „wie eine besondere Brille, mit der man etwas betrachtet“ und ein konkretes Werkzeug, um die „Demografiefestigkeit des jeweiligen Vorhabens“ zu prüfen.
Demografie-Check hilft Verwaltung und Politik
„Die größte Herausforderung bei der Entwicklung des Demografie-Checks war es, einen breiten, für alle tauglichen Ansatz zu entwickeln, um der Querschnittsaufgabe gerecht zu werden“, erzählt Breyer. Entwickelt wurde er schließlich von Verwaltungsmitarbeiterin ebenso wie von politischen Vertretern und kommt heute auch in beiden Bereichen zur Anwendung. So ist der Check in allen Gremien hinterlegt und offen zugänglich, zudem ist er technisch mit dem digitalen Verwaltungssystem verknüpft und ploppt automatisch auf, sobald etwa eine Fraktion ein Demografie relevantes Thema einbringt oder die Verwaltung einen ebensolchen Beschlussvorschlag. In Folge muss er vom jeweiligen Mitarbeiter zwingend ausgefüllt werden. Hierbei werden dann unterschiedliche Punkte gecheckt, beispielsweise:
- Wir schaffen Anreize und Anlässe, dass alle Ingelheimer*innen aufeinander zugehen und sich einbringen können
- Wir berücksichtigen Vielfalt im Bildungswesen (Förderung der Mehrsprachigkeit, stärken interkulturelle Kompetenzen der Schüler*innen, Inklusion)
- Wir schaffen Gelegenheiten zur eigenständigen Nutzung und Mitgestaltung von Freiflächen und Begegnungsorten im öffentlichen Raum
- Wir bauen Wohneinheiten mit wandelbaren Größen
- Wir achten darauf Zugangshindernisse abzubauen und die städtischen Institutionen interkulturell zu öffnen
- Bei jedem dieser Punkte ist einzutragen, ob er zutrifft, teilweise zutrifft oder nicht zutrifft. Falls er nicht erfüllt ist, muss der ausfüllende Mitarbeiter die Gründe erläutern
Demografie-Check schärft Bewusstsein
Auch wenn der Demografie-Check keine rechtliche Verbindlichkeit hat, wirkt er in der Praxis sowohl auf Verwaltungs- als auch auf politischer Ebene, wie Breyer sagt. „Der Check kann sich natürlich nicht über eine politische Entscheidung hinwegsetzen, aber er dient dazu, nichts zu vergessen und manche Aspekte nochmal neu zu überdenken und umzuplanen“, so die Bürgermeisterin. Entsprechend gehe es nicht nur darum, im Formular die Kreuzchen zu machen, sondern vor allem um die Rückschlüsse, die daraus gezogen werde könnten für das jeweilige Projekt. Damit das funktioniert, ist es nach Erfahrung von Breyer wichtig, die Anwendung des Checks zu begleiten und zu kontrollieren. So erhalten in Ingelheim alle Mitarbeiter, die nicht an seiner Entwicklung beteiligt waren, ein Extra Einführungsseminar, außerdem werden sämtliche ausgefüllte Demografie-Checks von einer Mitarbeiterin im OB-Büro gesichtet und inhaltliche Punkte mit dem Mehrgenerationenhaus und dem OB-Büro besprochen.

Anderer Blickwinkel auf Projekte
Seit 2020 kommt der Demografie-Check in Ingelheim regelmäßig zum Einsatz und hat sich laut Breyer gerade bei breiteren Konzepten als sehr hilfreiches Tool erwiesen, etwa beim aktuell entwickelten Kulturentwicklungskonzept oder beim Flächennutzungsplan. „Oft denkt man beim Planen vor allem an die Gebäude und die Infrastruktur, an Wohnen und Verkehr, und die Flächen dazwischen, aber Parkanlagen zum Beispiel sowiedas Thema Ehrenamt oder der Bereich Gesundheit kommen oft zu kurz“, so Breyer. Der Check trage konkret dazu bei, auch diese Aspekte miteinzubeziehen und verändere teilweise auch die konkreten Vorhaben. So sollte in Ingelheim etwa ein alter Spielplatz saniert werden. Nach Anwendung des Demografie-Checks wurde eine Sanierung des Platzes hin zu einer Begegnungsstätte für Alt und Jung daraus. „Der Demografie-Check hat unseren Blickwinkel verändert. So reden wir beim demografischen Wandel nicht nur von den älteren Menschen, sondern es geht immer um jedes Alter. Das führt uns der Demografie-Check immer wieder deutlich vor Augen“, so Breyer.
Weitere Infos zum Demografiecheck in Ingelheim sowie der Check zum Download hier!
