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Bürgermeister  vor E-Ladestelle
Der Bürgermeister vor der E-Ladestelle im E-Ladepark.
© Gemeinde Ruderting

Klimaschutz

Das Dorf der E-Ladesäulen

von Annette Lübbers
Reporterin
12. Dezember 2022
In einem kleinen niederbayerischen Ort stehen schon heute mehr Ladesäulen pro Kopf als in den Automobilstandorten Wolfsburg oder Stuttgart. Daher fahren ungewöhnlich viele Bürger ein E-Auto. Wie kommt das?

Was tut ein guter Bürgermeister? Er geht mit gutem Beispiel voran. Die städtischen Dienstfahrzeuge sind – natürlich – Stromer und auch privat fährt der Bürgermeister ein E-Auto. Mit einer Reichweite von 230 Kilometern – im Winter – und 280 Kilometern – im Sommer – könne er damit immerhin eine Woche in Kommune und Region unterwegs sein. „Das reicht“, sagt er und muss dann doch lachen. „Weniger lustig war es dagegen, den Wagen hierher zu bekommen. Ich habe ihn in Wolfsburg abgeholt und für die 600 Kilometer sage und schreibe zwölf Stunden gebraucht. Vier längere Ladestopps inklusive.“ Ein kleines Abenteuer sei das gewesen, meint der Bürgermeister, aber was solle er machen, er sei in Sachen Energiewende halt ein Überzeugungstäter.

Elektrofahrzeuge gefragt

 Rudolf Müller ist Rathauschef in Ruderting, einem kleinen Ort mit 3.120 Einwohnern im niederbayerischen Landkreis Passau.  Wie er sind derzeit 167 weitere Rudertinger so von der E-Mobilität überzeugt, dass sie sich ein E-Auto angeschafft haben. Auf eine Quote von 7,4 Prozent kommen die hier zugelassenen reinen Elektrofahrzeuge. Der bundesdeutsche Schnitt liegt aktuell gerade mal bei 1,3 Prozent. In Ruderting können sich die E-Auto-Besitzer aber auch über eine sehr hohe Dichte an Ladestationen freuen: 54 Ladesäulen stehen derzeit zur Verfügung. Zum Vergleich: Im dritten Quartal des Jahres 2022 lag die Anzahl der Ladestationen in Deutschland laut Statista bei etwa 28.900. Spitzenreiter ist derzeit die Autostadt Wolfsburg mit 396 öffentlichen Ladestationen pro 100.000 Einwohner. Anders berechnet: Auf 253 Bürger kommt in Wolfsburg eine Ladesäule, in Ruderting sind es 57 Einwohner, die sich rein rechnerisch eine Ladesäule teilen.

Die erste E-Ladesäule stand schon 2013 - und zwar direkt am Rathaus. Ein kleines Statement, was dem Rat der Stadt die Energiewende wert ist. Die Gemeinde habe sich, sagt der Bürgermeister, in Sachen E-Mobilität schon engagiert, als es dafür weder einen Markt und in absehbarer Zeit auch keine Rendite gegeben habe. Dann räumt er aber ein: „So richtig Bewegung in die Sache kam allerdings erst, als ein hiesiger Unternehmer im Bereich Luftwärmepumpen und Photovoltaik auf seinem Gelände einen Lade-Park mit öffentlichen Ladestelle und Schnellladepunkten errichtete.“

Bürger-Energie-Stammtisch  grgründet

Auch andere Unternehmen – etwa ein Biobäcker – haben ihre Flotte schon auf E-Autos umgestellt und weitere öffentliche Ladepunkte errichtet. Auch wenn schon viel erreicht wurde: Rudolf Müller sieht in der Bürgerschaft noch einiges an Potential. „Deshalb hören wir als Kommune auch nicht auf, die Bürgerinnen und Bürger zum Umdenken anzuregen. Hundert Prozent werden es natürlich nie sein, aber unser seit vielen Jahren etablierter monatlicher Bürger-Energie-Stammtisch erreicht schon so einige“, unterstreicht der Bürgermeister.

Dieser Stammtisch sorgt nicht nur dafür, dass die E-Mobilität in Ruderting weiter vorankommt. In Zeiten der Energiekrise braucht es auch Bewegung in anderen Segmenten, sollten die ambitionierten Ziele der Bundesregierung erreicht werden. Derzeit produziert der Ort etwa die Hälfte des im Jahr verbrauchten Stroms selbst. Zu wenig, findet der Bürgermeister. „Mit derzeit 297 Dachflächen-Photovoltaik-Anlagen – alle kommunalen Liegenschaften haben auch eine – erzeugen wir derzeit etwa 4,2 Gigawattstunden Strom. Aber wir haben noch annähernd 900 freie Dächer. Wenn alle verfügbaren Flächen belegt sind, dann könnten wir geschätzt weitere 13,5 GWh zusätzlich gewinnen und das muss das Ziel sein.“ Bei einem Verbrauch von jährlich etwa 10,8 wäre die kleine Ortschaft dann stromautark.

Gemeinwohl geht vor Einzelinteressen

Ebenfalls auf dem Schirm der Kommune: Windkraft. Von der Sinnhaftigkeit solcher Anlagen ist Rudolf Müller überzeugt – wenn auch nicht alle seine Bürger. Aber das ficht den Bayern nicht an. „Vor zwanzig Jahren war Photovoltaik auch noch ein allgemeines Ärgernis. Damals wurde der Rohstoffverbrauch, die Entsorgung und Lebensdauer diskutiert. Jetzt sind sie allgemein akzeptiert und nun hat ein Teil des Bürgerwillens sich gegen Windkraftanlagen positioniert.“ Er fügt hinzu: „Ich bin – wenn es um Großes geht - auch ein bisschen rabiat unterwegs. Für mich gilt: Gemeinwohl geht vor Einzelinteressen und die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, aber auch von Gas- und Ölexporteuren, liegt nun mal im Gemeinwohlinteresse. Darüber lasse ich mit mir auch nicht diskutieren.“ Durch Aufklärung, Bewusstseinsbildung, Überzeugung und Best-Practice-Beispiele, Förderungen und Preisrückgänge durch Massenproduktion seien, da ist er sicher, noch viele Bürgerinnen und Bürger ins Boot zu holen.

Gemeinde spart bei Straßenbeleuchtung

Sparmaßnahmen stehen in diesen Zeiten auch in Ruderting hoch im Kurs: Die Straßenbeleuchtung wurde bereits auf LEDs umgestellt. Nachts, von 23 Uhr bis 5 Uhr morgen, wird die Beleuchtung sogar ganz abgestellt. „75 Prozent weniger Energie“, bilanziert der Bürgermeister und listet weitere Maßnahmen auf: Der Einbau von energieeffizienten, frequenzgesteuerten Pumpen bei Kläranlage und Pumpstationen, Heizungsanlagen und Tiefbrunnen, einschließlich neuer Steuerungen – eine Einsparung von etwa 40 Prozent. Austausch auch der gesamten Innenbeleuchtung gegen LEDs – eine Einsparung von etwa 70 Prozent. Außerdem Teil des Maßnahmenkatalogs: Der Austausch von allen Elektrogeräten in allen kommunalen Liegenschaften, die älter als zehn Jahre sind.

Energiewald
In Ruderting wurde ein Energiewald gepflanzt.

Energiewald gepflanzt

Bleibt die aktuelle Versorgungskrise in Sachsen Öl und Gas. Angst vor unbezahlbaren Rechnungen, Lieferengpässen und partiellen Blackouts geht um. In diesem Bereich ist Ruderting noch nicht so aufgestellt, wie es der Bürgermeister gerne hätte. Von den 1.195 Anwesen, schätzt er, sind mindestens 1.000 mit Ölheizungen beziehungsweise Gasheizungen ausgestattet. Pellet- und Holzscheit/ Holzheizungen sind eher die Ausnahme. Im Neubaubereich sieht es etwas besser aus: 60 bis 100 Wohneinheiten, so der Bürgermeister, verfügten inzwischen über Luft- oder Erdwärmepumpen. „Natürlich gibt es auch Häuser, die bereits energetisch nachgerüstet wurden.“ Immerhin: die kommunalen Liegenschaften habe man in den letzten Jahren auf Hackschnitzelheizungen umgestellt und in diesem Jahr einen drei Hektar großen Energiewald gepflanzt. Krisenzeiten, so fügt er nach einer Weile des Nachdenkens an, seien aber immer auch die Zeiten großer Chancen. „Natürlich müssen wir auch im Wärmesektor mittelfristig von den fossilen Energieträgern wegkommen. Das wird nun auch der Letzte in diesem Land verstanden haben."

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