Projekt
Menschen mit Handicap ins Ehrenamt
Inklusionsprojekt will Begegnung im Ehrenamt fördern
„Wie können mehr Menschen für ein Ehrenamt gewonnen werden? Und warum sollten nicht auch Menschen mit Behinderung für ein Ehrenamt geeignet sein?“ Das waren die Ausgangsfragen, die zur Entwicklung des Projekts „Hand in Hand in Vielfalt“ geführt hat, wie Tanja Herbrik, Fachbereichsleiterin für den Bereich Armut und Beschäftigung im Kreisdiakonieverband Esslingen erzählt. Die Gesellschaft sei schließlich bunt und Inklusion geschehe genau dann, wenn Begegnung jenseits der sonstigen Blasen ermöglicht werde. So entstand die Idee, gezielt Menschen mit Behinderung anzusprechen, ob sie Interesse an einem Ehrenamt haben, und diese in Folge bei einem ersten Praktikum eng zu begleiten und sie schließlich in ein ehrenamtliches Engagement hineinzuführen.
Projekt „Hand in Hand in Vielfalt“
„Hand in Hand in Vielfalt“ ist der Titel dieses Projekts und tatsächlich müsse man die Menschen mit Behinderung laut Herbrik bildlich gesprochen an der Hand nehmen und intensiv begleiten, wenn es darum gehe, sie auf eine ehrenamtliche Tätigkeit vorzubereiten. Gleichwohl sieht Herbrik ein großes Potential bei der Zielgruppe des Projekts: „Diese Menschen sind zwar eingeschränkt in mancherlei Hinsicht, aber sie haben auch große Fähigkeiten und können die Gesellschaft mit ihren Talenten bereichern“, so Herbrik. An welcher Stelle die Praktikanten letztlich mitarbeiten, ist zu Beginn noch vollkommen offen und soll sich im Laufe des Praktikums herausstellen. „Wir suchen erst die Menschen und dann gezielt nach den passenden Vereinen oder Institutionen, wo sie mithelfen können“, sagt Herbrik, wobei das vom Tierheim über die Jugendgruppe bis zum Sportverein kommunale Einrichtungen ebenso sein könnten wie Vereine aller Art.

Diakonie- und Tafelläden als erste Einsatzsorte
Was ehrenamtliches Engagement bedeutet und wo die persönlichen Stärken liegen, können die Teilnehmer in einem der Diakonie- und Tafelläden des Kreisdiakonieverbands im Landkreis Esslingen erfahren, die in Esslingen, Kirchheim/Teck, Nürtingen und Bernhausen angesiedelt sind. In den Läden, in denen neben Lebensmitteln auch Hausrat, Kleidung und Möbel an Menschen mit geringem Einkommen verkauft werden, ist die Mitarbeiterschaft ohnehin ausgesprochen heterogen. „Hier arbeitet ein buntes Team aus professionell Angestellten, Langzeitarbeitslosen, Schülerpraktikanten und Menschen, die ihr freiwilliges soziales Jahr dort absolvieren“, sagt Herbrik, und diese Vielfalt habe einen großen Reiz. Im Rahmen des Inklusionsprojekts sollen die Praktikanten nun für eine Dauer von sechs bis zwölf Monaten regelmäßig in den Läden mitarbeiten und dort schrittweise herangeführt werden an das Ehrenamt. In Anschluss ist ein Übergang in ein festes Ehrenamt, etwa in einem Sportverein, geplant, begleitet von den Mitarbeitern der Diakonie.
Intensive Begleitung auf dem Weg ins Ehrenamt
Bis es soweit ist, brauchen die Projektteilnehmer nach Erfahrung von Tanja Herbrik eine enge Anleitung und Begleitung und verlässliche Strukturen. „Erst einmal geht es oft darum zu lernen, pünktlich und zuverlässig zur Arbeit zu kommen und mit den anderen Teammitgliedern zusammen zu arbeiten“, sagt Herbrik. Ist dies gelungen, gehe es darum, gemeinsam mit den Praktikanten herauszufinden: „Was für ein Mensch bin ich das? Wo liegen meine Stärken, worauf habe ich Lust und an welchem Ort könnte ich diese Stärken in Zukunft einbringen?“ Die Arbeit der Diakoniemitarbeiter soll hierbei laut der Fachbereichsleiterin im besten Falle eine Brücke zu anderen Vereinen bauen.
Akquise schwieriger als gedacht
Bereits 2019 wurde das Inklusionsprojekt vom Kreisdiakonieverband ins Leben gerufen. Durch die Corona-Krise aber kam es erst einmal zum Stocken, schließlich waren auch die Tafel- und Diakonieläden geschlossen und verhinderten die Hygienevorschriften die Durchführung der Praktika. Anfang 2022 wurde das Projekt neu belebt und seither aktiv beworben – mit verhaltener Rückmeldung, wie Herbrik feststellt. „Grundsätzlich ist für die Idee zwar Interesse da, aber tatsächlich Menschen dafür zu gewinnen ist deutlich schwerer als gedacht. Man muss hier wirklich dicke Bretter bohren“, so die Fachstellenleiterin. Ein Grund hierfür sei, dass jene Menschen, die fit seien für ein Ehrenamt und Interesse daran hätten, meist bereits eng verplant seien mit der Arbeit in Werkstätten und sonstigen Aktivitäten. Zudem erschwere die eingeschränkte Mobilität der Zielgruppe die Umsetzung des Projekts.

Unterschiedliche Reaktionen der Vereine
Seitens der bereits kontaktierten Vereine sind die Rückmeldungen laut Tanja Herbik sehr unterschiedlich. „Für manche Vereine ist die Vorstellung der Inklusion einer Person mit Behinderung in das Ehrenamt noch ganz fremd, weil sie bisher keinerlei Berührungspunkte damit hatten. Entsprechend zurückhaltend ist die Reaktion. Andere wiederum haben ganz offen reagiert, großes Interesse gezeigt und immer wieder nachgefragt, ob wir jemanden haben, der bei ihnen mitarbeiten möchte“, so Herbik. Da der letztliche Einsatzort zu Beginn des Praktikums allerdings noch völlig offen ist und ganz von der jeweiligen Person abhängt, sei es nicht möglich, hier feste Zusagen zu treffen. „Da müssen wir sehr vorsichtig sein“, so Hebrik. Schließlich möchten sie bei den Vereinen einerseits natürlich Interesse wecken, andererseits aber auch nicht zu große Hoffnungen schüren, schließlich könnten sie nicht sagen, wann eine geeignete Person für das jeweilige Ehrenamt kommt.

Inklusion bedeutet raus aus der Komfortzone
„Wie können wir den Personenkreis erreichen, der in Frage kommt für das Projekt?“ – das ist angesichts der herausfordernden Akquise aktuell die dringlichste Frage, die Herbrik und ihre Mitarbeiter beschäftigt. Dass sich die Mühe lohnt, bezweifeln sie gleichwohl nicht. „Inklusion bedeutet, die Menschen raus aus ihren jeweiligen Blasen zu holen und echte Berührungspunkte zu schaffen“, so Herbrik. Gerade der ehrenamtliche Bereich sei hierfür ideal geeignet. In Esslingen nehmen aktuell drei Praktikanten an dem Projekt teil, die laut Herbrik mit großem Interesse in den Läden mitarbeiten und mittlerweile gut angekommen sind im Team. Bis zum eigenständigen ehrenamtlichen Engagement werde es noch etwas dauern, die ersten Schritte aber seien gemacht. „Wir wollen durch das Projekt Menschen mit Behinderung reinholen in das gesellschaftliche Leben und Offenheit schaffen“, so Herbrik. Wo sich die Menschen einbringen, sei dabei letztlich ganz egal. „Für uns ist es vielmehr wichtig, eine Brücke in die Gesellschaft zu bauen und die Augen zu öffnen für Menschen mit Behinderung, die mithelfen wollen und mit ihren Fähigkeiten das gemeinsame Leben bereichern.“
Weitere Informationen zum Projekt hier

