Bauen
Das Eigenheim hat eine neue Zukunft
Das sind überraschend hohe Zahlen.
Andreas Hild: Der Flächenverbrauch eines Eigenheims ist verglichen mit seinem Nutzen enorm. Ebenso der Energieaufwand und der Verbrauch von Infrastruktur. Für das Eigenheim sprechen eigentlich nur soziokulturelle Aspekte.
Wie sehen Ihre Vorschläge konkret aus?
Thomas Auer: Wir könnten einen Teil dieser Häuser nachverdichten und umnutzen. Ein Abriss macht ökologisch betrachtet keinen Sinn. Aber Anbauen und Umbauen sowie die Überführung von einer offenen zu einer geschlossenen Bauweise – das kann eine Lösung sein. Darin könnte auch eine große Chance für alte Menschen liegen, die einer Studie zufolge zu 18 Prozent – Stand heute – sagen, dass sie mit der Instandhaltung überfordert sind. Wenn nur die Hälfte nach einem Umbau ein junges Ehepaar oder eine Familie mit im Haus aufnimmt, wäre das eine Win-win-Situation. Auch für uns als Gesellschaft
Andreas Hild: Wir haben de facto ja keinen Wohnraummangel, sondern ein Verteilungsproblem. Wenn das auch nur bei 10 Prozent dieser Häuser gelingt, haben wir 1,6 Millionen Wohneinheiten mehr. Ohne weitere Flächenversiegelung und ohne Ressourcenverschwendung durch Neubauten.
Wie wollen Sie eine Empörungswelle bei den Hausbesitzern verhindern?
Andreas Hild: Es geht uns ja nicht darum, Eigentümer zu enteignen, sondern überzeugende Angebote zu machen. Dafür brauchen wir aber erheblich mehr Daten. Wenn wir dafür einen Forschungsauftrag bekommen könnten – etwa vom Deutschen Städtetag –, wäre das ein wichtiger Schritt. Anhand der Daten könnten wir dann faktenbasiert in eine gesellschaftliche Diskussion einsteigen.
Wie können Kommunen Ihre Thesen praktisch aufgreifen?
Thomas Auer: In größeren Kommunen könnte ein Kümmerer alleinstehende alte Menschen in großen Häusern aufsuchen und gemeinsam mit den Bewohnern herausfinden, welche Möglichkeiten es gibt. Vielleicht in Zusammenarbeit mit einem Architekten oder einer Architektin. Gleichzeitig könnte sich die Politik überlegen, welche Fördermaßnahmen es geben könnte, um bestehenden Wohnraum besser zu nutzen, statt neuen Wohnraum mit hohen Kosten zu finanzieren.
Aus manchen Kommunen ist zu hören, dass die Änderung von Bebauungsplänen schon mal zehn Jahre dauern kann.
Andreas Hild: Nicht, nur wenn es um Bebauungspläne geht, müssen wir schneller werden. Meiner Einschätzung nach haben viele Kommunen das Thema aber längst auf dem Tisch. Damit verbunden sind ja auch andere Sorgen: etwa die schlechte Nahversorgung der Menschen auf dem Land, wo besonders viele ältere Mitbürger und Mitbürgerinnen in Eigenheimen wohnen. Schon deshalb sollte das Thema Wohnpotentiale und ihre bestmögliche Nutzung auf den kommunalen Agenden stehen.
Thomas Auer: Paragraf 34 des Baurechts, der besagt, dass ein neues Gebäude vom Baustil, der Größe und der Anordnung auf dem Grundstück zur Straße in das Umfeld passen, lässt ja schon ein gewisses Maß an Flexibilität zu.
Andreas Hild: Das stimmt generell, aber dennoch ist das ein sehr komplexes Thema. Ich halte es nicht für gut, dass jeder Bürgermeister seine eigenen Freiluftexperimente macht. Je mehr Daten wir haben und je besser das Projekt baurechtlich und soziologisch begleitet wird, desto belastbarer sind die Ergebnisse und desto besser können wir in der Bevölkerung dafür werben.
Warum wäre es wichtig, mit dem „Projekt Eigenheime“ schnell zu beginnen?
Thomas Auer: Ich nenne die Eigenheime gerne einen Schatz, den es zu heben gilt. Aber das sollte tatsächlich schnell geschehen. In den kommenden Jahren gehen die Babyboomer in Rente. Viele dieser Menschen sind aufgeschlossen für alternative Wohnformen, für Mehrgenerationenhäuser und Wohngemeinschaften. Darin liegt eine große Chance, die wir nutzen sollten.

Wir haben keinen Wohnraummangel, sondern ein Verteilungsproblem.“

Ich nenne die Eigenheime gerne einen Schatz, den es zu heben gilt."
