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  1. Panorama
  2. Feuerwehr
  3. Freiwillige Feuerwehr: Nachwuchssorgen? Keine!
Mit Gesichtern der freiwilligen Helferinnen und Helfer wurde die Kampagne erfolgreich.
Menschen wie Du und ich: Porträts der Einsatzkräfte verhalfen der Kampagne "112 Prozent Ehrenamt" zu großem Erfolg.
© Kreisfeuerwehrverband Lüchow-Dannenberg e.V.

Ehrenamt

Freiwillige Feuerwehr: Nachwuchssorgen? Keine!

von Annette Lübbers
Reporterin
11. September 2023
Im Brandfall kommt in Deutschland vor allem die Freiwillige Feuerwehr. Vielerorts mangelt es an Nachwuchs. Anders ist das in einem niedersächsischen Landkreis. Hier hat man ehrenamtlich und ohne professionelle Hilfe eine erfolgreiche Kampagne gestartet: "112 Prozent Ehrenamt".

Ende 2020 gab nach Angaben des Feuerwehrverbandes in Deutschland 22.020 Freiwillige Feuerwehren, 110 Berufsfeuerwehren, 20.516 Jugendfeuerwehren und 755 Werkfeuerwehren. In manchen Kreisen können bei einem Brand ausschließlich freiwillig tätige Kolleginnen und Kollegen ausrücken, weil die nächste Berufsfeuerwehr weit entfernt stationiert ist. Im Wendland in Niedersachsen ist das nicht anders. Im spärlich besiedelten Landkreis Lüchow-Dannenberg würde es zwischen 45 Minuten und einer Stunde dauern, bis die Männer und Frauen des nächstgelegenen Berufsfeuerwehrstandorts vor Ort sein können. Die Lage  könnte sich in den kommenden zehn Jahren weiter zuspitzen, wenn die sogenannte Babyboomer-Generation in Rente geht und die freiwilligen Helfer zu alt für den nicht ungefährlichen Job werden. Aber in Lüchow-Dannenberg hat man die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt und sehr erfolgreich Abhilfe geschaffen.

Freiwillige Feuerwehr: alles für den Nachwuchs

Seit 2019 ist Heiko Bieniußa Pressereferent der Kreisfeuerwehr im Kreis Lüchow-Dannenberg. Damals war die Personallage noch relativ gut. Zwischen 2.500 und 2.850 Feuerwehrleute standen zum Ausrücken bereit. Tendenz: sinkend. 500 Ehrenamtliche stehen in den kommenden Jahren vor dem Erreichen der maximalen Altersgrenze. Heiko Bieniußa erkannte schnell: Es muss jetzt gehandelt werden. Fast zeitgleich mit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 startete die Kreisfeuerwehr in Lüchow-Dannenberg die Kampagne "112 Prozent Ehrenamt". Die Frauen und Männer in Rot waren fortan omnipräsent: auf Postern und Bannern, in Zeitschriften und einem eigenen Magazin mit einer Auflage von 23.000 Exemplaren. Selbst im Radio wurde in der Region mit und über die Frauen und Männer von der freiwilligen Feuerwehr gesprochen.        

Geld? War plötzlich reichlich vorhanden

Ganz ohne Budget konnte die Kampagne, obwohl komplett in ehrenamtlicher Arbeit aus der Taufe gehoben, natürlich nicht auf den Weg gebracht werden. Heiko Bieniußa veranschlagte: "6.000 Euro brauche ich, 10.000 Euro wären ein Träumchen. Nach dieser Ansage hätte man mich fast aus dem Saal gejagt", sagt der umtriebige Pressemann mit Marketingerfahrung lachend. Eingesammelt hatte er und sein Team am Ende sogar 11.000 Euro. "Auf dem Höhepunkt waren es sogar 20.000 Euro, weil wir zwischenzeitlich mit der Kampagne mal eben noch zwei Ehrenamtspreise abgeräumt hatten." Woher ist das Geld gekommen? Durch Spenden? Heiko Bieniußa schüttelt den Kopf: "Wir wollten nicht als Bittsteller auftreten und haben stattdessen Unternehmen eine Partnerschaft angeboten. Ab einer bestimmten Summe prangten die Unternehmens-Logos aus unseren Plakaten."

Professionelle Hilfe? Fehlanzeige!

Normalerweise werden Kampagne dieser Art durch professionelle Agenturen designt und begleitet. In Lüchow-Dannenberg hat man darauf bewusst verzichtet. Aus zwei Gründen. Grund eins: Für das Budget, meint Heiko Bieniußa, hätte man bei einer Agentur gerade mal eine Homepage und drei Banner bekommen. Aber das war nicht der wichtigste Punkt: "Wir wollten eine Kampagne für die Basis von der Basis. Deshalb haben wir auch sechs Feuerwehrleute im Porträt vorgestellt und bewusst darauf verzichtet, die Führungsriege zu Wort kommen zu lassen. Das hätte nicht funktioniert."    

Freiwillige Feuerwehr: reihenweise neue Leute

Am Ende des Jahres 2022 konnten im Kreis Lüchow-Dannenberg auf diese Weise 150 neue Kolleginnen und Kollegen für den freiwilligen Einsatz gewonnen werden. Darunter nicht wenige Frauen und Quereinsteiger. Die hohe Erfolgsquote ist sicherlich auch damit begründbar, dass in diesem ländlich geprägten Kreis  Übergriffe verbaler oder gar körperlicher Art gegenüber den Angehörigen der freiwilligen Feuerwehr nur eine zu vernachlässigende Randerscheinung sind. Stolz ist Heiko Bieniußa auf jeden Fall darauf, dass der Frauenanteil in seinem Kreis mit 18 Prozent mittlerweile weit über dem Durchschnitt liegt. Ein Problem allerdings bleibt: "Tagsüber stehen auch die Frauen kaum zur Verfügung, weil die Kinderbetreuung nicht sichergestellt ist. Daran arbeiten wir jetzt: an einer feuerwehrinternen Kinderbetreuung." 

Mit der Kampagne haben es die Macher bis in die Tagesthemen geschafft.

Werbekampagnen: Warum manche nicht erfolgreich sind

Bedauerlich findet Heiko Bieniußa, dass seiner Beobachtung nach in manchen Kommunen die freiwillige Feuerwehr gerne vernachlässigt und die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer mit ihren Sorgen oft alleingelassen werden. Auch würden Kommunen - wenn es denn Öffentlichkeitskampagnen gebe - diese nicht immer gut umsetzen. Sein Credo: "Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Fischer. Leider gibt es zu oft Kampagnen, die den Machern gefallen, aber die Bevölkerung nicht erreichen." Ebenso unsinnig nennt der Pressereferent eine Nachwuchsarbeit, die an das schlechte Gewissen von Menschen andockt. Etwa mit Slogans wie: "Wenn dein Haus brennt - musst du selber löschen." Stattdessen sei es hilfreicher, an die Grundbedürfnisse von Menschen zu appellieren: Jede Menge Spaß, die Mitgliedschaft in einer verschworenen Gemeinschaft, das gute Gefühl hilfreich für andere zu sein und die Möglichkeit, neue Freundinnen und Freunde zu gewinnen.   

Werkzeugkasten für andere Kommunen

Derzeit arbeitet der Pressemann an einer Art "Werkzeugkasten", den er anderen Kommunen und Kreisen an die Hand geben will. Prall gefüllt mit fertig konzipierten und schnell umsetzbaren Maßnahmen. Die ersten Anfragen hat er schon bekommen. Allerdings: Zu hoch sollten Kommunen die zu erreichenden Ziele nicht hängen: "Wenn nach einer Kampagne drei neue Kolleginnen und Kollegen dazukommen - dann ist schon viel gewonnen", unterstreicht Heiko Bieniußa.

Interessierte an der Feuerwehr-Kampagne im Kreis Lüchow-Dannenberg können sich hier ein Video über die Kampagne ansehen und sich auch gerne bei Heiko Bieniußa melden. Seine E-Mail-Adresse: presse@kfv-dan.de      

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