Innovative Technologie
Ein Mehrfamilienhaus aus dem 3-D-Drucker
Haus aus 3-D-Drucker in gewachsenem Wohnviertel
Zentral gelegen und nur fünf Minuten von der Lünener Innenstadt entfernt, entsteht das Haus aus dem 3-D-Drucker inmitten eines gewachsenen Wohnviertels. „In diesem Viertel stehen die ältesten Häuser der Wohnungsbaugesellschaft und nun auch unser jüngstes Projekt“, sagt Jan Hische, der das innovative Vorhaben als Vorstand und Geschäftsführer der WBG Lünen begleitet. Am Ende des Bauprojekts wird das Stadtviertel um ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten reicher sein. Erd- und Obergeschoss werden mit dem 3-D-Drucker gedruckt, darauf kommt in Holzbauweise der Dachstuhl.
Offen für unkonventionelle Projekte
Seit jeher zeigt die Wohnbaugesellschaft Lünen besonderes Interesse an neuen Technologien und unkonventionellen Projekten, wie Hische sagt. „Was können wir Neues ausprobieren in unserem Bereich?“, das sei eine der Leitfragen bei der Arbeit der WBG und so seien in den vergangenen Jahrzehnten etwa eine Gartenanlage komplett in Holzbauweise umgesetzt worden oder ein besonderes Frauenprojekt unter dem Titel „Frauen planen Wohnungen“. Jetzt ein Bauvorhaben mit Einsatz des 3-D-Druckers anzugehen, war da aus Sicht von Hische nur schlüssig, schließlich handle es sich dabei um eine der vielversprechendsten Technologien für die Zukunft des Bauens. „Aus unserer Sicht ist es durchaus realistisch, dass der 3-D-Druck in Zukunft ein wichtiger Teil der Baubranche sein wird. Deshalb wollten wir dieses Verfahren schon einmal ausprobieren“, so der Vorstand.

Vorteile des Druck-Verfahrens im Bau
Laut Hische gibt es „durchaus gute Gründe, die für den 3-D-Druck sprechen“. So wird für ein Bauprojekt aus dem 3-D-Drucker weniger Personal auf der Baustelle benötigt. „In Zeiten des Fach- und Arbeitskräftemangels ist das auf die Zukunft gesehen ein großer Vorteil“, so Hische. Beeindruckend sei zudem die Geschwindigkeit, in der ein Haus aus dem 3-D-Drucker erbaut werden könne. 25 Zentimeter schafft der 3D-Drucker pro Sekunde; in Lünen wurden insgesamt 100 Druckstunden benötigt, um zwei Stockwerke zu drucken. Etabliert sich die noch junge Technologie schließlich in der Branche, könnte ein Haus aus dem Drucker laut Hische letztendlich auch tatsächlich kostengünstiger sein. Nach aktuellem Stand allerdings gehen mit dem ungewöhnlichen Verfahren noch deutlich höhere Kosten einher. In Lünen betragen die Mehrkosten laut Hische etwa 400.000 Euro im Vergleich zu einem normalen Bau.

Baustelle ohne Normierungen
Der Alltag auf einer Baustelle mit 3-D-Drucker unterscheidet sich laut Hische deutlich von jenem auf einer konventionellen Baustelle. So sind weniger Arbeiter vor Ort und läuft der Druckprozess, begleitet von einem Team am Laptop, weitgehend automatisch ab. Die Grundlage dafür sind detaillierte Programmierungen im Vorfeld. Hier liegen aktuell auch noch die besonderen Herausforderungen, schließlich gibt es bislang kaum verwendbare Daten etwa für die Berechnung der Statik oder die Planung von Leitungen bei einem Bau aus dem 3-D-Drucker. So stellt Hische fest: „Was wir hier machen, ist Experiment und Forschungsprojekt zugleich. Da der 3-D-Druck noch eine so junge Technologie im Bau ist, gibt es noch keine Normierungen, keine Standards und nahezu keine Praxis-Erfahrungen. Diese müssen wir nun sammeln, damit es zeitnah Werte gibt, mit denen man dann rechnen und an denen man sich in Zukunft orientieren kann“, so Hische.
Finanzierung über Förderung
Dass das Bauvorhaben in Lünen umgesetzt werden konnte, liegt an einer Förderung durch die NRW-Landesregierung. So bezuschusst das Land von den 1,9 Millionen Euro Baukosten rund 1,7 Millionen Euro und unterstützt damit nicht nur die Gewinnung neuer Erkenntnisse in der Baupraxis, sondern auch die Entstehung sozialen Wohnungsbaus. Das Genehmigungsverfahren selbst war langwierig, wie Hische sagt. So wurde Anfang 2022 das Konzept entwickelt und die Förderung beantragt, im September 2023 konnte schließlich mit dem Bau begonnen werden.
Kommune unterstützt Bauprojekt
Bei der Umsetzung des außergewöhnlichen Bauprojekts wurde die Wohnungsbaugesellschaft von Beginn an intensiv unterstützt von der Stadt, wie Hische erzählt. „Bei der Kommune ist ein großes Interesse da an diesem Projekt und die Zusammenarbeit läuft sehr gut“, so der Vorsitzende. Dies sei vor allem deshalb wichtig, weil einem derartigen Bauvorhaben aktuell ein kompliziertes Bewilligungsverfahren vorausgeht. „Da es noch keine Normierungen gibt, braucht es für ein Haus aus dem 3-D-Drucker nicht nur eine Baugenehmigung, sondern auch eine Zulassung im Einzelfall“, so Hische. In der Praxis habe dies einen umfangreichen Prüfungsprozess samt gutachterlicher Bewertung zur Folge, der viel Zeit in Anspruch nimmt. Umso hilfreicher sei die Unterstützung seitens der Kommune gewesen. „Dafür, dass das hier ja auch für die Stadt komplettes Neuland ist, haben die Ansprechpartner dort sehr kooperativ und schnell reagiert“, so Hische, und konnte das Bauvorhaben schließlich zugelassen werden.

Spannende Erkenntnisse für die Zukunft des Bauens
Aus Sicht von Hische hat sich das außergewöhnliche Projekt schon jetzt gelohnt, liefert es doch wertvolle Erfahrungswerte und Perspektiven für eine Zukunft des Bauens. „Die Lage am Wohnungsmarkt ist ja gerade ausgesprochen schwierig. Es gibt einen starken Bedarf und entsprechend spürbaren Druck, gleichzeitig sind die Baukosten und Zinsen extrem hoch. Deshalb ist es umso wichtiger, neu zu denken, kreativ zu sein und auch mal Experimente zu wagen“, so Hische. Aktuell sei der Bau eines Hauses mit dem 3-D-Drucker noch ein „experimentelles und teures Bauen“, wie Hische sagt und entsprechend wichtig sei die Frage, wie dieser Ansatz wirtschaftlich werden könne. Seiner Einschätzung nach könnte sich der 3-D-Druck in der Baubranche langfristig aber durchaus etablieren. „Ich kann mir gut vorstellen, dass klassischer Bau und 3-D-Druck in der Zukunft einmal ergänzend eingesetzt werden“, sagt Hische. In Lünen ist dies bereits der Fall.
