Modellprojekt
Frühförderung: Kita-Mobil kommt zu Kindern
Kita-Mobil ergänzt reisende Schule
Getragen von EVIM, dem Evangelischen Verein für Innere Mission in Nassau, ist das Modellprojekt der Kita-Mobile das direkte Pendant zur „Schule für Kinder beruflich Reisender“. Diese ist als reisendes Klassenzimmer in Form von speziell eingerichteten Kleinbussen in Hessen unterwegs und richtet sich an Kinder von Schaustellerfamilien, Circusangehörigen oder Saisonarbeitern. „Die Lehrer haben schnell gemerkt, dass neben ihren Schülern auch kleinere Geschwisterkinder an den Standorten sind, die Anschluss suchen“, erzählt Theresa Saup, die Projektleiterin der mobilen Kita. So entstand die Idee zu einem ergänzenden Angebot für Kinder von 3 bis 6 Jahren.
Kofferraum voller Spielsachen
Im September 2020 ist das Modellprojekt schließlich gestartet – damals noch mit einem „PKW und einem Kofferraum voller Lernmaterialien und Spiele“, wie Saup erzählt, ab Frühjahr 2021 dann mit zwei Kita-Mobilen, speziell eingerichteten Wohnmobilen. Von außen wirken die Kita-Mobile wie ein Campingwägen, innen findet sich ein Kindergarten in Miniatur-Format mit Basteltisch, Sitz- und Leseecke, Regalen mit Spiel –und Lernmaterialien und Equipment für den Außenbereich.

Regelmäßigkeit trotz ständiger Wechsel
Täglich fahren die beiden Kita-Mobile von Wiesbaden aus nach ihren immer wieder neuen Einsatzplätzen und öffnen mal in Ginsheim-Gustavsburg, mal in Hadamar, Darmstadt oder Lampertheim ihre Türen. Hauptsächlich in Süd- und Mittelhessen unterwegs, fährt jedes Mobil pro Tag zwei Standorte an, mal richten sie sich dabei nach den Reiserouten der betreuten Familien, mal nach den Kirmes-Terminen auf Festplätzen.
Dabei gibt es laut der Projektleiterin sogenannte „Stammkinder“, die regelmäßig das Kita-Mobil besuchen. „Hierbei handelt es sich meist um Kinder von Zirkus- und Schaustellerfamilien, die wir zweimal pro Woche mit dem Mobil besuchen und über einen längeren Zeitraum begleiten“, sagt Saup. Hinzu kommen die durchreisenden Kinder, die zum Beispiel auf Festplätzen hinzustoßen oder als Kinder der Gastartisten im Zirkus nur für einige Wochen vor Ort sind.
Flexibel und individuell
Flexibilität ist an der Tagesordnung bei der Arbeit des Kita-Mobils. „Kein Tag ist hier wie der andere, jeden Tag kommen andere Kinder zu uns und wir müssen uns der immer wieder neuen Gruppe anpassen“, sagt Saup. Das sei aber auch sehr reizvoll und ermöglicht ein individuelles Eingehen auf die jeweiligen Kinder. Zwei bis drei Stunden ist das Mobil jeweils an einem Ort, oft sind dann nur ein bis drei Kinder da, bevor das Mobil zur nächsten Station weiterfährt. „Dadurch ist die Zeit mit dem einzelnen Kind sehr intensiv“, sagt Saup und sie und ihre drei Kollegen könnten sich ganz nach den Bedürfnissen der kleinen Besucher richten.
In ihrer pädagogischen Arbeit versuchen die Mitarbeiter die Balance zwischen Förderarbeit und freiem Spiel zu wahren. „Wir schreiben einerseits Förderpläne für die Kinder, wollen ihnen aber andererseits auch das Gefühl einer Kita vermitteln mit Ritualen und freien Spielzeiten“, so die Projektleiterin.

Schwierige Ausgangslage für die Kinder
Der Alltag der vom Kita-Mobil betreuten Kinder ist außergewöhnlich. „Die Familien leben oft auf engem Raum und die Eltern müssen viel arbeiten und haben wenig Zeit für ihre Kinder“, so Saup. Das sei oft nicht einfach für die Kinder, die aufgrund der Reisetätigkeit ihrer Eltern nicht in einer stationären Kita unterkommen können. So haben sie meist nur wenige soziale Kontakte und können häufig nur mit ihren Geschwisterkindern spielen. „Die meisten Kinder, die zu uns kommen, hatten noch nie Zugang zu einer frühkindlichen Bildungseinrichtung und das merkt man“, sagt die Erzieherin. So hätten die Kinder einen deutlichen Nachholbedarf im Bereich der Feinmotorik, etwa was die Stifthaltung oder den Umgang mit Schere und Kleber anbelangt. Gleichzeitig seien die Kinder oft sehr mobil, flexibel und offen und damit vertraut, sich schnell anzupassen an neue Umstände.
Hilfe im Familienalltag
Grundsätzlich verfolgt das Kita-Mobil das Ziel, Kindern beruflich Reisender einen „Zugang zu vorschulischer Bildung“ zu ermöglichen, wie Saup sagt. Darüber hinaus unterstützen die Teammitarbeiter die Familien aber auch in Alltagsfragen, helfen im Umgang mit Behörden und bei der Organisation von ärztlichen Vorsorgeterminen oder vermitteln sprachtherapeutische Angeboten, die online realisiert werden können.
Neugierde und Freude am Lernen wecken
Seit mittlerweile gut zwei Jahren unterwegs, ist das Kita-Mobil für viele der reisenden Kinder zu einem Fixpunkt in ihrem unsteten Alltag geworden. „Die Kinder genießen es sehr, mal einen Raum für sich zu haben“, so Saup, und gerade die Stammkinder hätten das Gefühl, fest zu etwas dazu zu gehören und mit den Erziehern enge Bezugspersonen zu haben. Neben der individuellen Frühförderung der Kinder und dem Schaffen von Spielmöglichkeiten, sehen es die Erzieher als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an, den Kindern die Freude am Lernen zu vermitteln und ihre Neugierde auf die Welt zu wecken.
„Viele der Kinder sind mit negativen Einstellungen gegenüber der Schule aufgewachsen, geprägt durch ihre Eltern, die durch die ständigen Schulwechsel schlechte Erlebnisse hatten“, sagt Saup. Hier würden die Erfahrungen, die die Kinder im Kita-Mobil machen, deutlich entgegen wirken. „Die Kinder beginnen, sich richtig auf die Schule zu freuen und erleben, dass Lernen Spaß macht“, so Saup.
Hessisches Sozialministerium finanziert Kita-Mobil
. Finanziert wurde das Modellprojekt bislang aus Geldern des Hessischen Sozialministeriums, der Diakonie Deutschland, aus Mitteln der Glücksspirale sowie Eigenmitteln des Trägers. Für die Familien ist das Angebot kostenfrei. Bis September 2023 ist dieses noch gesichert, ob die Mobile auch dann weiter durch Hessen rollen, ist offen. Was ein Ende des Kita-Mobils für seine Besucher bedeuten würde, ist laut Saup schwer vorstellbar. „Für die Familien und die Kinder würde etwas wegfallen, das zu einem ganz festen Bestandteil ihres Lebens geworden ist und ihnen sehr viel bedeutet. Vor allem: es gibt für sie keine Alternative“, betont die Leiterin.